piątek, 16 maja 2025

Walter Schwedowitz (1885–1945) → "Chronik der katholischen Gemeinde zu Reichenbach in Schlesien" (1909) → Teil 2 von 4 → 2. Zeitraum → Von der Einführung der Kirchenneuerung in Reichenbach bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648

2. Zeitraum

(Von der Einführung der Kirchenneuerung in Reichenbach bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648)

Trübe Zeiten kamen über Reichenbach und die dortige katholische Gemeinde infolge der Wirren, welche die Glaubensneuerung des Mittelalters besonders im Anfange des 17. Jahrhunderts hervorrief.

Wann die Lehre Luthers ihren Einzug in Reichenbach gehalten hat, lässt sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen; der Grund dafür mag darin zu suchen sein, dass wie überall in Schlesien, so auch in Reichenbach der Übergang von der alten zur neuen Lehre sich in ruhiger, fast unmerklicher Weise vollzogen hat. Hieraus allein erklärt es sich wohl, dass die Breslauer Bischöfe noch längere Zeit nach Einführung der neuen Lehre als die geistlichen Oberhirten auch derer angesehen und anerkannt wurden, welche sich der lutherischen Lehre zugewandt hatten, während andererseits auch diese Bischöfe die dem neuen Glauben Anhängenden bis zum Konzil in Trient nicht als Abgefallene, sondern noch immer als Angehörige der Kirche betrachteten1.

Um das einfache Volk weiter nicht stutzig zu machen und ihm den Übergang zum neuen Glauben zu erleichtern, behielt man auch vielfach alte katholische Bräuche und Vorschriften noch lange Jahre hindurch bei; so wurde zum Beispiel in Reichenbach sogar die Privatbeichte von den Protestanten bis 1785 geübt, und man feierte die Marien- und Apostelfeste, an denen das Volk besonders hing, bis 1754 und erklärte später wenigstens noch die Texte der Marienfeste an den darauf folgenden Sonntagen2.

Auch in Reichenbach ist also anscheinend die neue Lehre allmählich eingedrungen und hat mit der Zeit immer mehr Anhänger gewonnen, ohne dass es dabei zu Unruhen und Kämpfen gekommen ist; nur eine alte Nachricht widerspricht dieser Annahme, indem sie die in den 30-er Jahren angeblich durch Feuer erfolgte Zerstörung der berühmten Bibliothek solchen Unruhen zuschreibt; Zoller gibt aber auf Grund seiner Quellen eine viel wahrscheinlichere Erklärung für das Verschwinden dieser Büchersammlung; er sagt: „Nachdem die Kirche in die Hände der Lutheraner gekommen war, ist die Bibliothek vollständig zerstört worden, nicht etwa — so viel steht fest — von Feinden, die es ja in den Jahren 1537 bis 1620 in Schlesien nicht gegeben hat und denen in ihrer Beutegier das Papier sicher nicht wertvoll genug gewesen wäre, sondern von jenen, deren Aufgabe es nunmehr war, für die vorgenannte Bibliothek zu sorgen; diese hielten es für erlaubt, aus der Büchersammlung nicht nur Bücher nach Hause zu nehmen, sondern sie auch Fremden zu geben; und so geschah es, dass diese Bücher von ihrer Stelle genommen, unter fremde Leute zerstreut wurden und nicht mehr zurückkamen“. Zoller weist außerdem darauf hin, dass noch zu seiner Zeit (1715-1742) alte Bücher der Bibliothek vorhanden waren. Dieselben wurden übrigens 1743 von dem Kommendator Baron v. Breschin nach Heidelberg gebracht.

Eine genauere Angabe, wann die Gemeinde Reichenbach den evangelischen Glauben annahm, ist, wie bereits erwähnt, nicht möglich; in Schweidnitz wandte sich der dortige Stadtpfarrer Franz Reusner, der 1530 starb, der neuen Lehre zu, in Nimptsch wurde das Luthertum von dem Landesfürsten seit 1522 begünstigt, in Frankenstein der katholische Gottesdienst von 1538 an förmlich abgeschafft, und so wird um dieselbe Zeit, wohl gegen das Jahr 1530, auch Reichenbach dem alten Glauben den Rücken gekehrt haben. Für diese Annahme spricht auch der bereits erwähnte Verkauf des Augustinerklosters im Jahre 1525; ebenso teilt ein Teil der Pfarrchronik mit, dass 1537 sich fast die ganze Stadt zum lutherischen Glauben bekannt habe. Im Jahre 1561 wird der erste verheiratete Stadtpfarrer in Reichenbach genannt, und 1576 folgte der damalige Kommendator von Reichenbach und Goldberg, Martinus Ulthoma (Uthoma), dem traurigen Beispiele so vieler seiner eidvergessenen Zeitgenossen, fiel von der alten Kirche ab und ließ sich mit einer gewissen Katharina Hoffmann durch den lutherischen Pfarrer Johann Schilling am 21. Januar zu Jauer kopulieren.

Welches mögen nun die Gründe für diese schnelle Ausbreitung des Luthertums in der Reichenbacher katholischen Gemeinde gewesen sein? Zunächst ist es sehr wahrscheinlich, dass Hussitische Lehren aus Böhmen eingedrungen waren, sich vererbt hatten und so der Boden für die lutherischen Anschauungen geebnet wurde3. Dazu kam die nicht unbegründete Unzufriedenheit mit den damaligen kirchlichen Zuständen, das Fehlen eines entschiedenen Einschreitens gegen die Neuerung von seiten der Breslauer Bischöfe und die Nachlässigkeit und Pflichtvergessenheit eines Teiles des damaligen Klerus; so soll auch einer der damaligen Reichenbacher Stadtpfarrer ruhig das Singen lutherischer Lieder beim Gottesdienst geduldet haben, ohne dass er einen Versuch gemacht hätte, dagegen einzuschreiten und der Gemeinde den alten Glauben zu erhalten.

Weiter war damals bereits eine geordnete, regelmäßige Seelsorge erschwert und manchmal vielleicht unmöglich gemacht durch öftere, rechtswidrige Eingriffe der Ordensgeistlichen an dem Kloster und besonders der Propsteikirche in die Tätigkeit der Stadtpfarrer; die Letzteren hatten anscheinend auch mit großen Schwierigkeiten, vielleicht materieller Art, zu kämpfen4 und wechselten infolgedessen ziemlich oft; so resignierte 1504 der Pfarrer Vincenz Jauer und wurde am 20. November durch den vom damaligen Kommendator Beier präsentierten Johannes Mauerer ersetzt; wie lange letzterer sein Amt verwaltet hat, ist unbekannt; am 14. Januar 1519 wird durch den Kommendator Wolfgang Semmer wiederum ein Pfarrer Jakobus investiert, der aber bald sein Amt niederlegt und am 17. März 1520 in der Person eines Nikolaus Hartwig seinen Nachfolger findet5. Dieser öftere Wechsel der Pfarrer war natürlich auch ein bedeutsames Hindernis geordneter Seelsorge und infolgedessen ein Grund für das schnelle Einreißen der neuen Irrlehren in der von ihren Seelsorgern nicht genügend gerüsteten katholischen Gemeinde.

Im vierten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war sicherlich bereits auch das Georgsgotteshaus in andersgläubigen Händen, nachdem es fast 300 Jahre hindurch dem katholischen Gottesdienste eine Stätte gewährt hatte. Der Zeitraum aber, während dessen die evangelische Gemeinde die Kirche besaß, ist für dieselbe von größter Bedeutung gewesen und hat ihr den letzten Ausbau und die Vollendung gebracht.

Auf dem Augsburger Religionsfrieden (1555) war auch das protestantische Bekenntnis neben dem katholischen als erlaubt anerkannt worden und den Protestanten die Zusicherung gegeben worden, dass jene Kirchen, Stifter, Klöster und Kirchengüter, die zur Zeit des Passauer Vertrages (1552) in ihren Händen gewesen waren, ihnen verbleiben sollten. Auch die Reichenbacher Protestanten glaubten nunmehr des endgültigen Besitzes der Georgskirche sicher zu sein und begannen nun noch in demselben Jahre 1555 die baulichen Verbesserungen an dem Gotteshause. Nach den in der Pfarrchronik enthaltenen Mitteilungen und der Darstellung Lutschs6 fing man den Umbau der Kirche damit an, dass man in den Jahren 1555-1556 die Mauern des Mittelschiffes erhöhte und nach dem Vorbild der Schweidnitzer Pfarrkirche ein Gewölbe einzog; um dieselbe Zeit muss auch der Westgiebel unter Benutzung der heute noch als älter erkennbaren Mauern aufgebaut worden sein. 1558 fügte man das heute noch vorhandene Nordportal ein, welches in seinem Giebeldreieck in flacher reliefartiger Darstellung das Lamm Gottes mit der Fahne und zwei Delfine zeigt; es trägt auf seinem Fries die Zuschrift: Verbum Domini manet in aeternum 1558. 1567 erfolgte die Erhöhung des wohl s<on im 15. Jahrhundert begonnenen Turmes, wobei derselbe zwei Durchsichten erhielt. 1585 wurde durch den Meister Balthasar Jentsch von Liegnitz die sogenannte Vorkirche, das ist das äußere Südschiff, und der „Schillerkohr“ (Schülerchor) erbaut, jene Zuhörertribüne, welche auch heute noch unter dem inneren Südschiff und dem Hauptchor an der Westseite der Kirche entlang läuft und gerade nicht zur Verschönerung des Gottesshauses beiträgt, aber damals wohl durch das Anwachsen der Bevölkerung notwendig wurde. Die malerische Ausschmückung besorgte nach einer vorhandenen Zuschrift Paul Juch 1586. Am 7. Dezember 1588 wurde der Turmknopf aufgesetzt; darin barg man eine lateinische Urkunde mit den Namen der Magistratspersonen von 1588, des Erbauers und der Arbeiter, welche beim Turmbau besonders beschäftigt waren. Der Turmknopf selbst war von Paul Legan, Kanzler, Friedrich Gesler, einem Schöppen, Gregor Titschert, Kellerschenken und Niklas Recke, einem Bürger gekauft und auf Kosten der Kirchväter vergoldet worden; 1590 deckte man endlich den Turm mit Kupfer.

An dem Turmbau waren beschäftigt gewesen der Zimmermann Hans Riesner und der genannte Meister Jentsch; über letztere führt Lutsch folgende Nachricht an: „Meister Jentsch ... ist der fuhrnehmste Angeber dises Bawes ... gewesen, nicht allein mit abreysen (aufreißen, entwerfen), sondern auch mit schölen (Verschalen des Helmes) und was zu diesem Baw am notwendigsten gewesen, ein kunstreicher Tischler — trank auch sehr gerne.“

Da die alte Kanzel am 25. August 1607 von einem Blitzstrahl stark beschädigt worden war, wurde 1609 ein neuer „Predigtstuhl“, die noch heute vorhandene Kanzel, die an ihrer Stiegenbrüstung mit kleinen Statuen der 12 Apostel geschmückt ist, errichtet, ein Geschenk der Witwe Barbara Redler. 1611 stellte man das kleine Portal an der Südseite her, welches heute noch die Einladung trägt: Venite ascendamus ad montem domini! (Kommet, lasset uns zum Berge des Herrn hinansteigen!) 1612 wurde der kleine Turm, der aus der Mitte des hohen Kirchendaches aufstrebt, erbaut, worin sich heute das Messglöcklein befindet, das zur Frühmesse geläutet wird, 1616 die sogenannte Seigerglocke gekauft. 1617 schloss man am 27. Juni einen Kontrakt mit dem Glockengießer Jakob Götz aus Breslau bezüglich Lieferung einer großen Glocke, welche dann auch glücklich am 5. April 1618 aufgezogen wurde. Diese Glocke, die bis zum Jahre 1904 ihrem Zwecke diente, besaß einen Durchmesser von 141 cm, kostete 1350 Taler (schlesisch) und wog 36 Zentner, 5 Stein, war mit einem schönen Ornament geschmückt und trug die Inschrift (interessant infolge ihrer Ähnlichkeit mit dein Motto des Schillerschen Liedes von der Glocke): sabbatha pango, fulgura frango, funera plango, exelto lentos, dissipo ventos, placo creventos. Jacob Götz goss mich 1618. (Den Sonntag festige ich, der Blitze Gewalt breche ich, die Toten beklage ich, die Langsamen muntere ich auf, die Winde zerstreue ich, die Blutgierigen /cruentos?/ beschwichtige ich).

Im Jahre 1615 erhielt die Kirche, als Geschenk eines Schuhmachers Kaspar Bärsdorff und seiner Frau Margarete, geb. Reichwitz, einen neuen, kunstvollen Hochaltar, der am 19. November von dem Pastor Georg Faustus eingeweiht wurde7. Der ganze Altar, in Spätrenaissanceform, baut sich in 6 Geschossen auf, die sich bis zur Decke des 3. Geschosses verbreitern und dann wieder nach oben zu sich verjüngen. Das unterste Geschoss, leider ebenso wie das zweite von dem später entstandenen, weniger schönen Barock-Altar verdeckt, enthält 3 nebeneinander liegende Reliefs von je 45 cm Breite, welche in sorgfältiger Schnitzarbeit die Verkündigung Mariä, die Geburt und die Taufe Christi darstellen. Das 2. Geschoss enthält ein Flachbild des hl. Abendmahles in einer Breite von 85 cm und einer Höhe von 60 cm. Im 3. Geschoss befindet sich eine ergreifende Darstellung der Kreuzigung Jesu; in der Mitte ragt das Kreuz mit dem Erlöser empor, an seinen beiden Seiten die Kreuze mit den Schächern, am Fuße des Kreuzes stehen die frommen Frauen und das Kriegsvolk, während man im Hintergrunde die Umrisse Jerusalems schaut. An den beiden Seiten dieser Mitteltafel stehen auf einem flachen Untersatz je ein Apostel, ungefähr 120 cm hoch und zwar links der hl. Petrus mit den Schlüsseln, rechts der hl. Paulus mit einem aufgestützten Schwerte in der Hand. An den beiden äußersten Enden dieses Geschosses endlich sind 2 Wappentafeln angebracht, deren linke den österreichischen Doppeladler zeigt, während auf der rechten der hl. Georg mit dem Lindwurm vor einer Mauer abgebildet ist. Kleiner, das heißt schmäler als diese Tafel, ist das 4. Geschoss mit einem Bilde der Auferstehung Christi, eingefasst von 2 weiblichen, unbekannten Heiligenfiguren. Das 5. Stockwerk endlich enthält die Himmelfahrt Christi, während das 6. und oberste als ursprünglicher Abschluss des Ganzen das Relief der Ausgießung des hl. Geistes bietet. Die Wolken mit Gott Vater und Gott Sohn, die heute das ganze Werk krönen, sind erst später in der Barockzeit hinzugefügt worden. Leider kommt dieser Altar, den man mit Recht ein hervorragendes Kunstwerk nennen kann, heute nicht zur vollen Geltung infolge des davor stehenden, weniger künstlerischen Barockaltares, der den unteren Teil des älteren Altares ganz verdeckt, und infolge der ungünstigen Beleuchtung durch die seitlich angebrachten schmalen Chorfenster.

Es fehlt nicht an Versuchen einzelner Pfarrchronisten, die Entstehung des eben beschriebenen Hochaltarwerkes in die katholische Zeit zurückzudatieren; besonders stützt man sich auf die Heiligenbilder des 3. und 4. Stockwerkes, welche auf einen katholischen Ursprung hinweisen sollen; jedoch scheitern alle diese Versuche an der Einstimmigkeit der andern Nachrichten, die über den Bau des Hochaltares überliefert sind und ihn alle in das Jahr 1615 legen.

Alle diese baulichen Veränderungen des 16. und 17. Jahrhunderts, die der Georgskirche zu ihrer heutigen Schönheit verholfen haben, sollen zusammen über 13 412 Taler (schlesisch) gekostet haben.

Erwähnenswert sind aus diesem Zeitabschnitt noch einige in der Kirche enthaltene Grabsteine; so ein Epitaph für den Maurer Melchior Friedrich und seine Hausfrau (angefertigt 1589), ein Grabstein mit dem Flachbilde des verstorbenen Patriziers Kaspar Redter 1614, ein Epitaph aus Holz für Franziskus Titschert von der Bielau zur Peilaw 1563, seiner Hausfrau 1585 und von Christoph Titschert, Bürger und Schneider zu Reichenbach 1611, der dieses Denkmal setzen ließ.

Der sogenannte Schleierstein, ein adliges Lehngut, das damals bei der Stadtschule, nicht weit vom Komturhof stand und dessen Besitzer oft Streitigkeiten mit Stadt und Kommendator gehabt hatten, weil sie die Ausfahrt unter dem Schwibbogen der Kommendarie und über den Kirchhof für sich beanspruchten, wurde am 15. März 1624 zur Erweiterung des Kirchhofes für 1500 Taler (schlesisch) gekauft und vom 5. Oktober 1626 ab mit Zustimmung des Magistrates abgerissen.

Nur wurde dieser Platz nicht der ursprünglichen Absicht gemäß zur Erweiterung des Kirchhofes verwandt, sondern von den späteren Administratoren als Garten benutzt und durch eine Mauer vom Kirchhofe abgesondert, obgleich dieser lange nicht mehr den Bedürfnissen der Gemeinde entsprach — so, dass man gezwungen war, die Leichen fast übereinander zu begraben.

Der heutige Pfarrhof war ehedem Eigentum des lutherischen Predigers Georg Faustus ( 1616) und wurde im Jahre 1617 dessen Erben zum Preise von 1428 Talern (schlesisch) abgekauft, um als ständige Wohnung des Stadtpfarrers zu dienen. Obgleich nun der Kommendator auf dieses Gebäude samt dem damit verbundenen Grundstück nicht den geringsten Anspruch hatte, übernahm man einfach bei Rückkehr der Pfarrkirche in die Hände der Katholiken zugleich auch den Pfarrhof als Wohnung des nunmehr amtierenden katholischen Geistlichen.

Im Gegensatz zur Pfarrkirche hatte die Propsteikirche unter den Wirren des Dreißjährigen Krieges zu leiden; im Jahre 1633 ist sie vollständig zerstört worden, nachdem die Geistlichen sie einige Zeit vorher verlassen hatten; wem die Zerstörung der Kirche zuzuschreiben ist, lässt sich wohl kaum feststellen; ein Teil der Quellen legt sie den schwedischen und sächsischen Truppen zur Schuld, bei deren Einfall am 27. Mai alle Vorstädte in Flammen aufgegangen sein sollen, ein anderer Teil macht dafür die Truppen des kaiserlichen Generalwachtmeisters Grafen v. Schaffgotsch verantwortlich, der sie angeblich zur besseren Verteidigung der Stadt soll haben niederreißen lassen.

Dagegen hat die Begräbniskirche von Seiten der Evangelischen mannigfaltige bauliche Verbesserungen erfahren. 1598 wurde das Kirchlein mit ziemlich erheblichen Kostenaufwande renoviert, wobei zur Bedeckung des Turmes 24 Zentner Blei verwandt worden sein sollen. 1605 kaufte die Stadt zur Erweiterung des an der Begräbniskirche gelegenen Friedhofes mehrere Häuser und Grundstücke, die zu dem anliegenden adligen Burglehen gehörten, von dem damaligen Besitzer desselben, Melchior v. Gellhorn, zum Preise von 1354 Talern (schlesisch). Am 23. Oktober 1606 erfolgte dann die feierliche Einweihung des Kirchleins durch den Pastor Georg Faustus zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit; eine später im Turmknopfe gefundene Urkunde besagt darüber: „Anno 1606. Ist diese Kirche aus Gottes Gnade und Fortpflanzung des Glaubens erneuert, mit Hallen und Thoren erweitert, mit einem Kirchhof umschränket und den 23ten October dieses Jahres mit gebührenden Ceremonien und einer Predigt eingeweyhet und die Kirche zur heiligen Dreyfaltigkeit genannt worden.“ Am 4. November des gleichen Jahres kaufte man von dem Rotgießer Hans Bamberger aus Schweidnitz zwei Glocken für das Türmchen zum Preise von 114 Talern (schlesisch). 1627 endlich trug man das schadhaft gewordene Türmchen ab und verwandte bei dieser Reparatur noch anderweitig 140 Taler (schlesisch). 1635 kam dann dieses Kirchlein wieder endgültig in katholische Hände zurück.

Bis zum Beginn jenes unseligen Krieges, der 30 Jahre hindurch die Länder Deutschlands verwüstet hat, scheint in Reichenbach die Glaubensneuerung keine größeren Unruhen Hervorgerufen zu haben, zumal die Zahl derer, die dem alten katholischen Glauben treu geblieben waren, recht klein gewesen sein mag, wenn auch die Angabe, es habe im Jahre 1629 nur drei Katholiken in Reichenbach gegeben, wohl übertrieben ist. Anders wurde es mit dem Ende der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts. Man begann nunmehr auf katholischer Seite endlich den Kampf gegen die Neuerer mit mehr Entschiedenheit und auch mit mehr Erfolg zu führen. 1627 verbot zunächst der Fürstbischof Karl Ferdinand die communio sub utraque specie, die Kommunion unter beiden Gestalten, und im folgenden Jahr, im August, erließ der Apostolische Nuntius in Wien den ausdrücklichen Befehl an den Breslauer Fürstbischof, „ut usus calicis in hac dioecesi aboleatur et catholicis interdicatur“ („...dass der Gebrauch des Kelches /für die Laien/ in dieser Diözese abgeschafft und den Katholiken untersagt werde“).

Auch die staatliche Gewalt griff nunmehr zugunsten des Katholizismus kräftig ein. Bereits 1620 nach seinem bedeutsamen Siege am Weißen Berge bei Prag hatte Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) den protestantischen Kult u. a. auch in seinen schlesischen Erbfürstentümern untersagt, wenn auch nur mit geringem Erfolge. 1629 erließ er, um Gott für den Erfolg seiner Waffen gegen Christian v. Dänemark und den Grafen v. Mansfeld zu danken, das sogenannte Restitutionsedikt, gemäß welchem die Protestanten jene Kirchen und kirchlichen Güter, die sie den Katholiken genommen, wieder zurückgeben sollten, und nun begann auch in Schlesien die sogenannte Gegenreformation ihren Kampf gegen die Anhänger der neuen Lehre. Die Durchführung dieser kirchlichen Reaktion in Schlesien leitete, von Paul V. gesandt, der päpstliche Legat Caraffa, ein kluger und energischer Mann; ihm zur Seite standen der Kammerpräsident Graf Hannibal v. Dohna zu Breslau und der im Jahre 1627 an Stelle des Landeshauptmanns Kaspar v. Warnsdorff über die Fürstentümer Schweidnitz-Jauer, zu denen auch Reichenbach gehörte, gesetzte Freiherr Heinrich v. Bibran.

Zur energischen Nachhilfe bei diesen kirchlichen Reaktionsbestrebungen berief man aus Böhmen das Regiment der Lichtensteinschen Dragoner unter dem Obersten v. Goes, 3000 Mann stark, und begann mit Hilfe derselben zunächst die Bewohner von Glogau zum alten Glauben zu „bekehren“. Dieses „Bekehrungswerk“ wurde fortgesetzt in den Fürstentümern Sagan und Schweidnitz-Jauer, und so schickte auch nach Reichenbach der Graf v. Dohna am 23. Januar 1629 den Befehl, die Stadt solle sich innerhalb 4 Stunden erklären, ob sie von der lutherischen zur katholischen Religion übertreten und ihre lutherischen Geistlichen fortschaffen wolle oder nicht.

In der Schilderung dieser und der folgenden Vorgänge sei einem Augenzeugen, dem Bürger Johannes Klettner, das Wort verstattet, dessen Bericht bisher wohl noch nicht veröffentlicht worden und der Chronik des Pfarrers Zoller entnommen ist. „Anno 1629, war gleich der 23. Januar, ist eine erschreckliche, un-Verhoffte Böse Zeitung ankommen zu Unß nach Reichenbaeh Von der Schweidnitz dem Herrn Landes Haubtmann und dem Herrn Von Dohnau, der damahls in der Schweidnitz mit 6 Fähnlein Fuß Volckes gelegen, umd der gantze Stadt mit großem Vertrieb und Drangsaal zu der Römisch Catholischen Lehr heftig gezwungen, Einen Courrierr zu Roße abgefertiget und im Nahmen der Königl. Majestät unßere treuen Lehrer und Prediger abgeschaffet, daß Sie innerhalb 3 Stunden hinweg ziehen müßen, hat sich auch die gantze Stadt accomodiren müssen und wegen der großen Krieges-pressur, die damahls in den benachbarten Städten als Schweidnitz, Jauer, Striegau, Frankenstein und anderen mehr geübet und Vollbracht worden, und alle zur Cathol. Religion gezwungen, welches wohl ein elendes Erbarmliches weesen war“.

Eingefügt sei hier die Bemerkung, dass nunmehr am 25. Januar die Lichtensteiner in die Stadt einrückten und folgende schriftliche Erklärung bezüglich des Religionswechsels von der Bürgerschaft verlangten, die unter dem Druck der Verhältnisse auch abgegeben wurde.

Wir, Bürgermeister, Rathmanne sammt Schöppen, Ältesten, Geschworenen und ganzer Gemeine der Stadt Reichenbach Bekennen und thun kund in Kraft dieses Öffentlichen, wo Noth gegen aller Männiglichen, daß wir alle bis anhero eingeschlichene und exerzirte Ketzereien, falsche Lehren und Irrthümer freiwillig, ungezwungen und ungedungen abjuriret, dieselben bei uns abgeschafft, und Beides aus unsern Herzen und Kirchen verbannt und ausgereutet. Dagegen aber aus rechtem Erkenntniß der klaren unverfälschten Wahrheit die heilige, alleinseligmachende katholische Religion angenommen haben. Weil wir dann sämmtlichen solchen heiligen Glauben nicht allein mit Leib und Ehr und Gut und Blut zu vertheidigen und Christlich und selig dabei zu sterben höchlich begehren und wünschen thun, sondern auch standhaft und fest darüber zu halten gemeinet, daß Niemand, Er sey Wer oder Weß Standes er wolle, von nun an bis zu ewigen Zeiten, weder in Unser Mittel des Raths, noch in einige Zunft oder Zechen genommen, nach Ihm das Bürgerrecht gegeben, oder sonst bei der Stadt geduldet werden soll, Er sei denn der Katholischen römischen Religion zugethan.

Als ist an Ihr Königl. Majestät, Unsern gnädigsten König und Herrn unser unterthänigstes Flehentliches Bitten: es will höchstgedachte Königl. Majestaet Uns bei Unserer Christlichen Meinung nicht allein gnädigst defendiren, schüzen, und allen denjenigen, so uns hierin perturbiren und verhinderlich zu sein sich unterstehen würden, mit Gewalt steuern und wehren: Sondern es wolle auch mehr höchstgedachte Kgl. Majestaet Uns solche unterthänigste Bitten gnädigst confirmiren und bestättigen.

Wie wir nun solchen Unsers Christl. Bitten gnädigste Confirmation höchlichen imploriren; als haben wir auch zu desto scheinbarer Erkenntniß unsers angenommenen wahren und heiligen Glaubens, Unser der Stadt großes Insiegel, auch aller Zunften und Zechen gewöhnliche Petschaften auf diesen Brief wissentlich also williglich aufgedruckt und aufdrücken lassen:

So geschehen Reichenbach, den 25. Januari 1629 Nicolaus Loge, Burgemeister. Johann Gebauer, Neben-Burgemeister. Caspar Herrmann Johann Flegel. August Krause. Caspar Baersdorff. Johann Naese, Notarins. Martin Knobelsdorf, Stadtvoigt. Jeremias Kundt. Constant Topschel. Paul Rirte. Melchior Trautmann, Schöppen8).

Klettner fährt dann in seinen Aufzeichnungen fort:

Anno 1629, war der 5. Sonntag nach der heyl. Drey Königstag, sind zwey Patres, wie man Sie nennet, all hero kommen9, davon der eine in der Kirche die erste Meß gehalten.

Auf denselben Abend umb 6 Uhr sind 2 Jesuitten auch ankommen, auf dem Morgen Von einem eine Meße gehalten, Von dem anderen eine Predigt auf der Kanzel zu Abend umb 3 Uhr wie denn die gantze woche durch, auch alsballd in geheim die Zechen alle sambt zu Ihnen erfordern lassen, denselben abgelesen und expliciret der Cathol. Religion Articul, Ihnen auch angemeldet an statt der Röm. Kays. und Königl. Majestät auf dieselbe guttwillig zutretten, auch alsbalde beichten, und das Hochwürdige Abendmahl in einer Gestalt zu gebrauchen, welches zwar die Gemeinde gutwillig nicht annehmen wollen, aber wegen der großen pressur des Kriegs Volckes, welches in den nahen Dörffern so derohalben zu diesem Ende aufgewartet, auß Noth laßen geschehen, weil die Schweidnitzer, Striegauer und Jaurer dardurch Vertreibet worden, und gleichwohl zu der Cathol. Lehre gezwungen seind, hat also in dießem Casu der Rat den anfang, hernach ein Zech nach der andern zum communiciren machen, auch zuletzt die Weibs Personen annehmen müßen die Cathol. Religion und in einer gestalt das Abendmahl empfangen müßen. Es hat wohl ein Diener auf der Seithe gestanden, und den Layen einen Wein, wie sie es davor gehalten, auß einem Becher schenken laßen10 es war wohl einem jeden eine kümmerliche Sache an Seiner Seelen Seeligkeit, doch durfte auch Niemand nichts sagen, und klagen — ich auch beichten müßen den 7. Februar Anno 1629.

Den 12. Februar, war der Monntag nach Septuagesim, ist die Pfarrkirchen allhier durch einen Weyhbischoff und etlichen Cathol. Priestern sambt zweyen Jesuitten ihrem Gebrauch nach eingeweihet worden, auch die Orgel geschlagen, und Trompethen geblasen. Gott helfe, daß es gut sey.

Den 13. Februar ist ebenermaßen Von obgedachtem Weyhbischoff die Kirche zur heyl. Dreyfaltigkeit Vor dem Schweidnitzischen Thor, auch die Kirche zu St. Barbara Vor dem Frankensteinischen Thor eingeweyhet worden, auch die Kirchhöfe mit ihren gewöhnlichen Cathol. Ceremonien.

Die Woche nach Sexagesimae hat das Frauen-Zimmer11 auch beichten und communiciren müßen.

Den ersten Donnerstag nach faßnacht ist Anordnung Von den Jesuitten oder zwey Patres, wie mann sie nennet, an die Zechmeister gethan worden, Daß eine jede Zeche bei dießer Stadt zusammen gehen müssen, und die Bücher in Herrn Adam Reibritz12 Behausung den Herren Jesuitten abgeben und einräumen müßen.

Den 27. Martii, Dienstag nach Mariae Verkündigung, ist die Kirche einem Cathol. Pfarrerm getreuet13 und übergeben, wobei eine Predigt gethan, musiciret, Orgel und Unßere Paucken geschlagen, auf daß Er allhier Predige und die Gemeinde in seinem Ambte versehen solle“.

Bereits beim Einrücken der Lichtensteiner hatten die protestantischen Prediger Reichenbach verlassen müssen; sie hatten sich das Verdienst erworben, Kirchenbücher für die Reichenbacher Gemeinde einzuführen, welche nach ihrer Vertreibung mit Ausnahme der ersten Jahre von den katholischen Geistlichen weitergeführt wurden, auch heute noch selten gut erhalten sind und interessante Aufschlüsse über die damalige Zeit geben. Die Taufregister beginnen mit dem Jahre 1591, die Sterbebücher mit 1594, die Trauungsbücher mit 1590. Die erste Seite des zweiten Traubuches enthält folgende Worte: Kirchenregister der Pfarrkirchen zu Reichenbach. Inn welchem zu finden die nahmen der Eheleute, so christlichen Kirchenordnung nach daselbst Im namen der heiligen Dreyfaltigkeit Gottes des Vaters, Sohns und Heyligen Geistes, Ehelichen und Öffentlichen inn der Kirchen vertrauet worden. Von 1614 an. Alls daselbst dem Heiligen Predigampt durch Gottes Gnade und Krafft des Heiligen Geistes vorstunnden Herr Georgius Faust, Pfarrherr, Herr M. Johannes Scholtz, Diaconus. Und Kirchväter wahren Herr Kaspar Pohl, Rathmann, Herr Valentinus Künner, Cankler und Stadtschöppe, Herr Heinrich Eichhorn, Kürschner. Unter Regierung Kaysers Matthia, auch zu Hungern und Behemb Königs 1614.

Mit ähnlichen Worten beginnen die anderen Kirchenbücher.

Der katholische Pfarrer, der, wie obiges Tagebuch bereits erwähnt, nunmehr der Georgskirche gegeben wurde, hieß Johannes Lucas; er war vorher 2 Jahre in Köppernick und 6.5 Jahre in Neisse Kaplan gewesen und hat übrigens in die Kirchenbücher keine Eintragungen gemacht; da ihm die Neisser Gegend besser als die hiesige gefiel, vertauschte er die Reichenbacher Pfarrei mit der Pfarrei Rathmansdorf, und der dortige Pfarrer, namens Paul Jung kam im Juli nach Reichenbach; er beginnt seine Eintragungen im Taufbuche mit den Worten: a. 1629 mense Julio Existente Parocho Reverendo Domino Paulo Jungio baptizati Sunt sequentes (im Monat Juli 1629, als der hochwürdige Herr Paul Jung Pfarrer war, sind folgende getauft worden). Da aber dieser Pfarrer Paul Jung nach Ansicht des Landeshauptmannes, wie ein noch handschriftlich vorhandener Brief desselben an den damaligen Reichenbacher Kommendator, Johann Friedrich Freiherrn von Breiner, mitteilt, „in den controversiis fidei wenig oder nichts beschlagen sei“ und deshalb für Reichenbach nicht passe, wurde er zur Resignation veranlasst und auf Wunsch der Bürgerschaft am 13. Oktober 1629 Valentunis Richter, ein Priester aus dem Breslauer Sandstift, als Pfarrer investiert.

Zur Überwachung des Magistrates und der Bürgerschaft in religiöser Beziehung bestellte man, wie auch in anderen schlesischen Städten, einen kaiserlichen Kommissar, einen sogenannten Königsrichter, namens Adam Reiprich, der sich auch mit großem Eifer seiner Aufgabe annahm. Taufen und Trauungen durften von jetzt an nur in der katholischen Kirche nah katholischem Ritus vollzogen werden; der Besuch des protestantischen Gottesdienstes war bei strenger Strafe untersagt, und um die Bürger auch von den protestantischen Kirchen der Umgegend, welche die Katholiken noch nicht wieder erhalten hatten, zurückzuhalten, wurden an den Sonntagen die Stadttore geschlossen, und niemand durfte herausgelassen werden.

Natürlich konnte bei dieser merkwürdigen Bekehrungsmethode und diesem unerhörten Gewissenszwang der alte Glaube in den Herzen der Reichenbacher keine neuen Wurzeln schlagen, sondern vielmehr wurde durch diese anhaltenden Bedrängnisse in ganz natürlicher Weise die Erbitterung gegen die Katholiken und die Abneigung gegen den katholischen Glauben immer mehr vergrößert, bis sie endlich zu einem gewaltsamen Ausbruche kam. Eines Nachts ließ nämlich der Königsrichter, der bereits genannte Adam Reiprich, eine Anzahl von Bürgern, die er für lutherisch gesinnt hielt, überfallen und schickte sie nach Schweidnitz ins Gefängnis, woraus sie erst nach erfolgter Bekehrung entlassen werden sollten. Die Erbitterung über diese Gewalttat wurde schließlich so groß, dass am 29. April 1630 die Schuhmacher erklärten, ihre Arbeit niederlegen zu wollen, bis diese ihre Mitbürger wieder die Freiheit erlangt hätten, und zugleich drohten, sie würden die Stadt ganz verlassen, falls man sie noch weiter mit Gewalt katholisch machen wollte. Bald darauf führten sie ihre Drohung tatsächlich aus und ließen sich in Ernsdorf nieder. Als nun eines Tages der Bruder des katholischen Stadtpfarrers nach Ernsdorf kam, wurden ihm von den Erbitterten „ohne winzige Ursach so muthwillig 3 Löcher in den Kopf geschlagen, welches ziemlich viel gewesen“; er konnte sich nur schwer verletzt in die Stadt retten, nachdem die Wütenden ihm noch die Drohung zugerufen es würde bald seinem Bruder, dem „Pfaffen“, genauso gehen. Auf Grund dieses Vorfalles sandte der Landeshauptmann nun aus Schweidnitz Truppen nach Reichenbach, die gegen die Anführer einschritten und einen Teil derselben gefangen nahmen und in das Schweidnitzer Gefängnis brachten. Außerdem erging nochmals von seiten des Landeshauptmannes die ausdrückliche Mahnung an die Reichenbacher Bürger, dem Gebote des Kaisers zu folgen und katholisch zu werden.

Bald sollte sich aber die konfessionelle Lage der Bürger ganz und gar ändern. Im Jahre 1632 drangen protestantische, sächsische Truppen siegreich in Schlesien ein, standen in kurzer Zeit vor Breslau und hausten übel auf der wehrlosen Dominsel, wo sie nicht einmal die Heiligtümer schonten und auch der alten Dombibliothek schlimme Verluste zufügten; im September endlich waren die kaiserlichen Truppen vollständig bis in das Grenzgebirge des Neißer Landes zurückgeworfen.

Als man nun am 9. September 1632 frühmorgens die Reichenbacher Stadttore öffnete, drangen unversehens 3 starke Abteilungen sächsischer Soldaten vom Holsteinischen Regiment unter dem Befehl des Obristleutnants von Oehnhausen in die Stadt und begannen, sie sofort zu plündern. Mit ihnen vereinigte sich der Pöbel, ergriff den Königsrichter, warf ihn in den Stock und marterten ihn auf verschiedene Weise, außerdem auch zwei Ratsmitglieder, namens Samuel Kinner und Konstantin Topschell, die ihre andersgläubigen Mitbürger des lutherischen Glaubens wegen zu häufigen Geldstrafen verurteilt hatten.

Noch schlimmer aber erging es dem damaligen katholischen Stadtpfarrer Valentin Richter, den die Reichenbacher auf ihren eigenen Wunsch als Seelsorger erhalten hatten. Während man 1629 bei der Einführung der Gegenreformation die protestantischen Geistlichen nebst ihren Familien hatte ruhig fortziehen lassen, fiel der fanatische Pöbel jetzt über den unglücklichen Pfarrer her, schleppte ihn unter dem Gespött und Gejohle der Soldaten und der Volksmenge mit bloßen Füßen durch die Stadt und misshandelte ihn so sehr, dass er nach einigen Tagen starb. Als nun auch die von den Sachsen aus dem Schweidnitzer Gefängnis befreiten Bürger heimkehrten und die Gemüter der andern durch die Schilderung ihres dortigen Aufenthaltes erregten, flammte die Volkswut nochmals auf; man überfiel den Königsrichter und ermordete ihn auf grausame Weise. Jetzt waren es die Katholiken, die unter der Intoleranz ihrer andersgläubigen Mitbürger zu leiden hatten; man erlaubte ihnen nicht einmal, ihre Verstorbenen, obgleich es so wenige waren, auf den Friedhöfen zu bestatten, „als ob sie nicht würdig wären, auf dem gewöhnlichen Kirchhofe zwischen den Lutheranern zu liegen“. Auch ihr Gotteshaus, die Georgskirche, wurde ihnen ebenso wie die Begräbniskirche wieder genommen und zum evangelischen Gottesdienst benutzt; am 10. Dezember 1632 wurde wieder die erste protestantische Predigt darinnen gehalten, und auch der im Jahre 1629 vertriebene Pastor Hiller kehrte in sein früheres Amt zurück. Die von den Protestanten angefangenen Kirchenbücher, die in der Zeit von 1629-1632 allerdings nur zum geringen Teil von den katholischen Geistlichen weitergeführt wurden, gingen wieder in ihre Hände über, und so findet sich heute noch am Beginn der nunmehr folgenden protestantischen Eintragungen im Begräbnisbuche die Bemerkung: institit aliquot annorum causa est Papatus Tyrannis et dominium, quo durante nullum funus a Pontificil ministris in hac madtricula est notatum (Grund für die Einstellung der Eintragungen während mehrerer Jahre ist die Tyrannei und Herrschaft des Papsttums, während deren Dauer kein Begräbnis von den päpstlichen Geistlichen in dieser Matrikel aufgezeichnet worden ist). Darunter steht von gegnerischer Hand geschrieben: si hic, qui Supra notata Scripait, non fur et latro esget animarum, aliter gentiret (wenn der Schreiber des Obigen nicht ein Dieb und Räuber der Seelen wäre, würde er anders urteilen).

Schlimme Zeiten brachte das Jahr 1633 den Reichenbachern. Am 2. Februar erschienen plötzlich vor den Toren kaiserliche Truppen unter den Generalen Götz und Illow und forderten die Übergabe der Stadt. Da die Bürger aber mit Recht wegen der Ermordung des Königsrichters Strafe fürchteten und auch von Schweidnitz her Ersatz hoffen mochten, verbanden sie sich mit der sächsischen Besatzung zu entschlossenem Widerstand. Aber noch in derselben Nacht stürmten die Belagerer mit Erfolg, hieben die Sachsen bis auf den letzten Mann nieder und plünderten am 3. Februar die ganze Stadt. Am Tage darauf verkündigte General Götz den Bürgern das Urteil für die Ermordung des Königsrichters und des Pfarrers, sowie für den Landesverrat, den sie durch die Verbindung mit den Feinden des Kaisers begangen14: Die Tore Reichenbachs sollten verbrannt, die Mauern niedergerissen werden, außerdem sollte, falls man nicht im Laufe des Tages eine Kontribution von 12 000 Talern aufbringe, die ganze Stadt bis auf den Grund zerstört werden. Auch das lutherische Bekenntnis wurde von den Kaiserlichen unterdrückt, daher findet sich bezüglich der zwischen dem 4. Februar und dem 2. März Gestorbenen im Begräbnisbuche die Bemerkung: absque caeremoniis in occupatione urbis a militibus caesareanis (scil Sepulti unt), cum captivum esget Ministerium (diese wurden ohne Zeremonien, während die Stadt von kaiserlichen Truppen besetzt war, begraben, da die Geistlichen gefangen /d. h. wohl nur in der Ausübung ihres Amtes behindert/ waren).

Da die oben genannte Summe von den ausgeplünderten Bürgern nicht aufgebracht werden konnte, begann man tatsächlich mit dem Abreißen der Stadt; glücklicherweise verhinderte aber doch Ersatz, der unter Führung des Herzogs von Sachsen-Lauenburg aus Schweidnitz heranrückte, das Zerstörungsswerk. Man führte nun neue, stärkere Befestigungen auf und riss zu diesem Zwecke auch einen Teil der Vorstädte nieder; bei dieser Gelegenheit scheint damals auch die Propsteikirche zerstört worden zu sein, während allerdings andere Quellen die Vernichtung dieses Gotteshauses den Kaiserlichen zuschreiben, die in demselben Jahre noch unter dem kaiserlichen General Graf v. Schaffgotsch die Stadt wieder eroberten und mit 6 Kompanien belegten.

In konfessioneller Beziehung wurde diesmal kein Druck auf die Protestanten ausgeübt, vielleicht, weil eine furchtbare Pest, die in der Stadt wütete, alle solche Streitigkeiten vergessen ließ. Das Begräbnisbuch redet von den Verheerungen dieser Pest eine grauenvolle Sprache; allein im September sind 529 Sterbefälle aufgezeichnet, und im Anfange dieses Monates erreichte die Seuche eine solche Ausdehnung, dass „auf Anschaffung des Bürgermeisters ohne Unterscheidt der Personen alle Leichen stillschweigend des Nachts hinausgebracht wurden“, anscheinend um die Angst der Bürger durch den Anblick der zahllosen Begräbnisse nicht noch zu erhöhen. Nach Mitteilung des Begräbnisbuches waren in Reichenbach 4000 Menschen Opfer der Pest des Jahres 1633 geworden.

1634 kamen nochmals kaiserliche Truppen, und zwar Kroaten, in die Stadt und plünderten diese so aus, dass nicht einmal die Geräte und Schätze der Kirchen verschont blieben.

Das Jahr 1635 brachte die endgültige Regelung des Besitzes der Georgskirche. Die Schweden waren bei Nördlingen geschlagen worden; infolge dessen sah sich der sächsische Kurfürst, mit dem sich die Schlesier verbunden hatten, genötigt, sich von seinen früheren Verbündeten, den Schweden, zu trennen und mit dem siegreichen Kaiser Ferdinand II. Frieden zu schließen. Das geschah auch am 30. Mai zu Prag. In diesem Frieden versprach der Kaiser, „dass er den Schlesiern Verzeihung gewähren wolle mit Ausschluss allein derjenigen seiner Erbuntertanen, welche sich nachweislich in diesem Kriege gegen seine Majestät hätten brauchen lassen .., wollte sich aber im Übrigen ebenso wie den katholischen Fürsten und Ständen für deren Lande, so auch sich für seine Erbfürstentümer (es waren dies die Fürstentümer Glogau, Sagan, Schweidnitz-Jauer, Münsterberg und Breslau, dieses mit Ausnahme der Landeshauptstadt) eine Änderung mit der Religion vorbehalten, in welchem Falle denen, die sich nicht zum Übertritte (scil. zum Katholizismus) bequemen wollten, eine Frist von drei Jahren zur Veräußerung ihrer Habe und Auswanderung freistehen solle“15.

Auch für Reichenbach, welches zum Fürstentum Schweidnitz-Jauer gehörte, hatte dieser Friedensschluss die Folge, dass nunmehr der evangelische Gottesdienst abgeschafft und der katholische wieder eingeführt wurde.

Schon 1634, am 3. März, hatte Ferdinand II. eine Verfügung an seinen Landeshauptmann in Jauer, den Freiherrn von Bibran, erlassen, wonach derselbe „die Prädikanten erst glimpflich zum gutswilligen Abzuge ermahnen, des Widrigen falß sie aber mit gebührendem Gunst ab- und ausschaffen“, dagegen wieder katholische Priester einsegen solle. Am 6. August 1635 kam ein verschärfter Befehl an Bibran, die Bestimmungen des Prager Friedens auszuführen, und als derselbe beim Kaiser wieder Einwendungen machte, erhielt er am 6. Oktober die Nachricht, er solle „vorläufig dahin sehen, damit gleichwohl inmittelst bey ein und anderer Pfarr biß auf künfftige würcliche restitution die Seelsorg nit Leide, sondern dieselbe, neben dem Heiligen Gottesdienst Zur Ehr deß Allerhöchsten Und der Seelen Hail Berrichtet werde."

Durch dieses Reskript veranlasst sandte der Landeshauptmann nun auch nach Reichenbach eine Kommission, welche die Rückgabe der Georgskirche an die Katholiken und die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in die Wege leiten sollte. An der Spitze dieser Kommission standen der Pfarrer von Jauer, Christophorus Reinhold, und der kaiserliche Amtskanzler von Schweidnitz und Jauer, Wilhelm Heinrich von Oberg; sie erhielten eine Instruktion und einen von Bibran eigenhändig ausgestellten Legitimationsnachweis mit.

In Reichenbach angekommen versammelte die Kommission Bürgerschaft und Magistrat auf dem Rathause und trug ihnen den kaiserlichen Befehl vor; da aber die Bürgerschaft, von den Predigern aufgereizt, der Kommission unter tumultuarischen Auftritten den Gehorsam verweigerte, wandte sich dieselbe am Tage vor Allerheiligen an Bibran mit der Bitte um weitere Verhaltungsmaßregeln und erhielt am 2. November unter Beifügung einer Vollmacht zur Requirierung Schweidnitzer Truppen den Auftrag zurück, der widerspenstigen Bürgerschaft mit Zwangsmaßregeln zu drohen. Diese Drohung wirkte, und nachdem man noch die Hauptschreier eingesperrt hatte, mussten zunächst die Prediger die Stadt verlassen; einer derselben, der Diaconus Titschhard, schrieb noch vor seinem Weggange in das Taufbuch die Bemerkung: Et hie finit officii mei ratio ingruente pergecutione pontificll gat repentina. Deus resistat furori hostinm ad nominis Sul gloriam et largiatur Sanctis suis fidei constantiam. Amen. (Und hier endet infolge einer ganz plötzlichen Verfolgung durch das Papsttum meine Amtstätigkeit. Gott widerstehe dem Wüten der Feinde zur Ehre seines Namens und verleihe seinen Heiligen Standhaftigkeit im Glauben. Amen). Nach Vertreibung der Prediger wurden nun auch die Kirchen den Katholiken zurückgegeben; darüber berichtet der Pfarrer Reinhold, der eine der Kommissaren, an den Landeshauptmann wie folgt:

Sodann habe ich Vermöge der H. Catholischen Kirchen-Ordnung das Gotteshauß oder Pfarrkirchen wiederumb reconcililert am Tage deß H. Martini deß Bischofs, darauf Super altari S. Mariae Magdalenae, weisen das Hohe Altar Und etliche andere profaniret seyn, das Hohe Aimbt gesungen, nach diesem Von mir eine Predig gehalten Undt das Te Deum laudamus intonieret, Von der mugio, so gutt wie Sie haben können continuiret, den Abend zuvor auch die vesperae gesungen worden“.

Kurz darauf wurde auf Bitten des Rates unter Vermittelung des Propstes von Zobten der bisherige Pfarrer von Kaltenbrunn als Pfarrer von Reichenbach investiert.

Dieser wirkte aber nur wenige Wochen in seiner neuen Pfarrei; denn bereits am 19. Dezember 1635 tritt Georg Robert Matthiades (Mattiada) sein Amt als katholischer Seelsorger in Reichenbach an. Er eröffnet seine Eintragungen im Taufbuch mit folgender etwas schwülstiger Einleitung, die lateinisch abgefasst ist, der Kürze wegen aber gleich in deutscher Übersetzung mitgeteilt sei:

Im 1635. Jahre unseres Heiles, unter der Regierung unseres erhabenen Kaisers Ferdinand II., als sein unbesiegbarer Nachfolger Ferdinand III. als König von Ungarn und Böhmen glorreich regierte und in seinen Fürstentümern Jauer und Schweidnitz reformierte (das heißt zum Katholizismus), nach zweimaliger vorhergegangener Vertreibung der Prediger Hiller und Titschard, da die genannten Fürstentümer durch die Schweden, die Sachsen und ihre eigenen Rebellen von Grund auf erschüttert worden sind, nachdem alle Feinde (zum Glauben) zurückgekehrt sind, ist durch den Hochwürdigsten und Erhabenen Herrn Dr. Johannes Lohr, des Erlauchtesten und Hochwürdigsten Fürstbischofs von Breslau Herrn Karl Ferdinand, Prinzen von Polen und Schweden, Generalvikar und Offizial als rechtmäßiger Pfarrer der Pfarrei Reichenbach feierlich eingeführt worden Herr Georg Robert Matthiades aus Strehlen.

Ähnliche, aber kürzere Vermerke finden sich im Begräbnis- und Trauungsbuche. Die erste Taufe nach katholischem Ritus fand nunmehr am 30. November, das erste Begräbnis am 26. Dezember, die erste Trauung erst am 13. April 1636 statt. Wie gering übrigens damals die Zahl der Einwohner Reichenbachs gewesen sein muss und wie wenig Katholiken darunter waren, geht am besten aus dem Begräbnisbuche hervor; während die Zahl der Sterbefälle von 1623-1628 im Durchschnitt 397 betrug, hatten im Jahre 1633 Pest und Kriegsnot so gewütet, dass für die folgenden Jahre die Zahl der Sterbefälle sehr klein wird; so sind von den ...

 55 Verstorbenen des Jahres 1636, 1 als Katholik, 27 als Häretiker16)

62 — | | — — | | — — | | — 1637, 2 als Katholiken, 32 — | | — — | | —

28 — | | — — | | — — | | — 1638, 0 als Katholiken, 12 — | | — — | | —

52 — | | — — | | — — | | — 1639, 2 als Katholiken, 30 — | | — — | | —

107 — | | — — | | — — | | — 1640, 3 als Katholiken, 41 — | | — — | | —

... im Begräbnisbuch verzeichnet. Aus der Zahl dieser Sterbefälle darf man schließen, dass die katholische Gemeinde damals höchstens gegen 80-100 Mitglieder gezählt haben mag. Auch in den nächsten Jahren nahm die katholische Gemeinde nicht bedeutend zu; fast niemand von den Protestanten kehrte zum alten Glauben zurück, niemand von ihnen wandte sich bei den wenigen vorkommenden Amtshandlungen an den katholischen Pfarrer, sondern lieber an die noch vorhandenen evangelischen Landgeistlichen. Auch das Einschreiten des Landeshauptmanns von Glatz, Graf Annaberg, der am 1. April 1637 als Kaiserlicher Bevollmächtigter nach Reichenbach kam, einen katholischen Magistrat einsetzte, den Besuch lutherischer Kirchen streng verbot und es untersagte, die Kinder in unkatholische Schulen zu schicken, vermochte der katholischen Gemeinde zu einer größeren Blüte nicht zu verhelfen17.

Am 25. April 1637 verließ Matthiades (Mattiada) Reichenbach, um die Pfarrei Hirschberg zu übernehmen, wo er bis zu seinem Tode viel Gutes gewirkt haben soll. Es folgte ihm ein Pfarrer Johannes Antonius Tischer, den in Peterswaldau untergebrachte schwedische Soldaten für einige Zeit vertrieben, von dem aber sonst nichts bekannt ist.

Noch einmal kamen lutherische Prädikanten nach Reichenbach, als 1639 ein schwedisches Heer unter dem General Stahlhantsch in Schlesien einfiel und es furchtbar verwüstete, und als im Jahre 1642 Torstensohn ein größeres schwedisches Heer nach Schlesien führte. Am 11. November 1642 besetzte ein schwedischer Major die Stadt und ließ durch einen lutherischen Feldprediger auch Gottesdienst für die Bürger halten. Als dieser Prädikant am 30. Dezember, wie der damalige Reichenbacher katholische Pfarrer Pohl18 im Taufbuche berichtet, eines „jähligen Todes“ starb, kam bald darauf „ein unverschämbter aufgeblasener Seelenmörder, ein Prädikanty mit Nahmen David Nissenus" in die Stadt. Die Erregung des Pfarrers, die sich in obigen Worten Luft macht, wird begreiflich, wenn man von ihm hört, dass der Eindringling sich selbst als Stadtpfarrer betrachtete, vor der Pfarrkirche Besitz nahm, darin Gottesdienst hielt und auch die Kirchenbücher weiter führte. Aber bereits am 24. Oktober 1643 musste Nissen beim Nahen eines kaiserlichen Heeres fliehen, und der Pfarrer Pohl konnte in seiner Herzensfreude in das Taufbuch schreiben: „Huc usque et recte usque in hunc diem partim inclusum partim exelusum (quia eo ipso die exerecitus Imperatoris nostri Clementisgimi Ferdinandi tertii ad nos appulit)“ — Bis hierher und gerade bis zu diesem Tage teils einschließlich teils ausschließlich (denn an eben diesem Tage zog das Heer unseres gütigsten Kaisers Ferdinand III. heran) hatt die Krafft, die Macht und die Herrlichkeit deß ... David Nisser allhier in Reichenbach getauert“19. Nachdem Nisser entflohen war, ist in der Georgskirche nie mehr protestantischer Gottesdienst abgehalten worden.

Die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges brachten für Reichenbach keine Änderung in konfessioneller Beziehung; und als im Jahre 1648 endlich der lang ersehnte Friede zustande kam, enthielt er für die Einwohner der Erbfürstentümer, also auch für Reichenbach, eine Bestätigung der Bestimmungen des Friedens zu Prag; nur gestand der Kaiser, hauptsächlich auf schwedischen Druck hin, zu, dass die protestantischen Einwohner dieser Fürstentümer nun nicht mehr um ihres Glanbenss willen zur Auswanderung gezwungen werden sollten, und dass sie ihren Gottesdienst außerhalb der Grenzen besuchen und sogar 3 Kirchen für sich (bei Schweidnitz, Jauer und Glogau) errichten durften.

Abfall vom alten Glauben der Väter einerseits, Bedrückung und gewaltsame Verfolgung der Anhänger der neuen Religion andererseits, Charakterlosigkeit20, die ihren Glauben nach der Konfession, die gerade die Oberhand hat, wechselt, fanatische Unduldsamkeit gegeneinander, Niedergang der Sittlichkeit und des religiösen Lebens21, eine erschreckende Verrohung, das sind die Bilder, welche die Geschichte dieser Jahrzehnte wie in ganz Deutschland, so auch in Schlesien und in Reichenbach enthält. Wenn auch nach außen hin der Katholizismus, geschirmt von dem Arm des Kaisers, in Reichenbach als Sieger aus dem Kampfe der Konfessionen hervorging, so waren doch die intoleranten Grundsätze, nach denen damals die Kaiserliche Regierung verfuhr, nicht geeignet, die dem alten Glauben entfremdeten Gemüter wieder für denselben zu gewinnen, und es hat lange Jahre gedauert, bis die Wunden einigermaßen geheilt waren, welche die Kirchenneuerung der katholischen Gemeinde Reichenbach geschlagen hatte. Der einzige Lichtblick aus dieser traurigen Zeit für die Katholiken Reichenbachs ist der Ausbau und die Ausschmückung ihrer altehrwürdigen Georgskirche, die ihre heutige Größe und Höhe jener Zeit verdankt, wo der katholische Glaube in Reichenbach an so tiefen Wunden daniederlag.


1 Grünhagen II., S. 57.

2 Weinhold, S. 82, 84.

3 So Zoller und Weinhold S. 11.

4 Der Kommendator bezog das aus dem Kirchengute fließende Einkommen des Pfarrers und der Magistrat wollte — was von seinem Standpunkte ganz richtig war — den Pfarrer auch nicht unterhalten.

5 Übrigens gab es an der Georgskirche außer dem Pfarrer damals auch wenigstens einen Benefiziaten und zwar an den Altären vom hl. Johannes, der hl. Barbara und dem hl. Laurentius; am 25. August 1515 wird Paulus Osbrandt, nach dessen Resignation am 9. Februar 1524 ein Georg Moller an diesen Altären investiert.

6 Kunstdenkmäler S. 160.

7 Das Trauungsbuch enthält unter dem 23. November 1615 die Bemerkung: Nachfolgende Personen sind erstlich bey dem neuen Altar vertraut...

8 Aus Weinhold abgedruckt.

9 Nach Zollers Ansicht Franziskaner.

10 Das heißt den Laien wurde, wenn sie es wollten, von einem Kirchendiener ein Kelch mit unkonsekriertem Wein gereicht.

11 Die Frau des Schreibers.

12 Der Königsrichter (korrektere Schreibweise: /Adam/ Reiprich; Anm. von Marcin Perliński)

13 anvertraut.

14 Bei Weinhold ist die angebliche Rede des Generals abgedruckt.

15 Grünhagen II, 271.

16 Der Rest der Todesfälle der einzelnen Jahre verteilt sich auf die Verstorbenen innocentes und die abaptizati, das sind jene Kinder, die bald nach der Taufe oder ungetauft sterben.

17 Vgl. Weinhold 54f.

18 Pfarrer seit 3. Juli 1641.

19 Dieser Pfarrer Pohl war anscheinend ein recht streitbarer Herr; so setze er im Taufbuch an den Beginn seiner Eintragungen von 1644 die Worte: „Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem hl. Geiste, so kann er in das Reich Gottes nicht eingehen“. Joh. 3.5, und fügt hinzu: Contra Lutheranos, qui non baptizatos infantes Salvos esse contendunt et falsi eredunt. (Wegen die Lutheraner, welche fälschlicherweise behaupten und glauben, dass die ungetauften Kinder selig werden).

20 Den Gipfel dieser Charakterlosigkeit scheint ein deutscher Schulhalter, namens Melchior Jenke, erreicht zu haben; erst protestantisch, wird er 1629 beim Nahen der Lichtensteiner vorsichtigerweise wieder katholisch, dann 1633 wieder protestantisch, amtiert sogar als Organist und behält dieses Amt auch noch 1635, da er wiederum katholisch geworden.

21 Vgl. die große Zahl von Hinrichtungen, welche Paul aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts mitteilt, zum Beispiel Seite 129, 144, 146.

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński 

środa, 7 maja 2025

Walter Schwedowitz (1885–1945) → "Chronik der katholischen Gemeinde zu Reichenbach in Schlesien" (1909) → Teil 1 von 4 → 1. Zeitraum → Bis zur Einführung der Kirchenneuerung

Chronik der katholischen Gemeinde zu Reichenbach in Schlesien

Festschrift“ zum 750-jährigen Jubiläum ihres Bestehens

von W. Schwedowitz (Oberkaplan)

Kommissionsverlag von Heege & Güntzel (P. Wiese)

 

Der katholischen Gemeinde Reichenbach und ihrem derzeitigen Pfarrer Herrn Robert Huck gewidmet.


Vorwort


Die katholische Gemeinde Reichenbach in Schlesien steht vor der Feier ihres 750-jährigen Bestehens. Damit schien ein geeigneter Anlass gegeben zu sein, den Katholiken Reichenbachs und ihren andersgläubigen Mitbürgern eine Chronik der katholischen Gemeinde darzubieten, eine Aufgabe, die infolge Mangels größerer Vorarbeiten ziemlich schwierig zu sein schien. Durch einen glücklichen Zufall fiel mir aber bei meinen Arbeiten eine lang vergessene, vom Pfarrer Zoller gegen 1730 in lateinischer Sprache abgefasste, geschriebene Chronik der katholischen Gemeinde Reichenbach in die Hände, der ich einen großen Teil bisher noch nicht bekannter Nachrichten über Gemeinde und Gotteshaus verdanke. Außer dieser und einer später angelegten Pfarrchronik wurden bei Abfassung des vorliegenden Büchleins benutzt:


  • Grünhagen, Geschichte Schlesiens I. und II.,

  • Neuling, Schlesische Kirchorte, 2. Auflage,

  • Lutsch, Verzeichnis der Kunstdenkmäler Schlesiens,

  • A. Paul, Geschichte der Stadt Reichenbach,

  • Weinhold-Stier, Festschrift der evangelischen Kirchengemeinde zu Reichenbach in Schlesien 1898.


Möge die Darstellung der wechselvollen Schicksale der Georgskirche die Liebe und Verehrung der katholischen Gemeinde für ihr altes Gotteshaus lebendig erhalten und vermehren, möge die Erinnerung an die Steigerung des religiösen Lebens innerhalb der letzten Jahrzehnte auch die heutigen Gemeindemitglieder zu gleichem Streben ermuntern, möge endlich der Gedanke an die traurigen Zeiten der Glaubenskämpfe im 17. Jahrhundert katholische und nichtkatholische Christen in wahrhaft christlicher Toleranz einen, zumal in einer Zeit, welche wie die heutige so zahlreiche Gegner des Christentums sehen muss.


Reichenbach in Schlesien, im Juli 1909


Der Verfasser


1. Zeitraum

(Bis zur Einführung der Kirchenneuerung)

Wann das Christentum zum ersten Male in der Gegend des Eulengebirges verkündet worden ist, lässt sich mit einiger Sicherheit nicht mehr feststellen. Möglicherweise haben diese Gebiete gegen Ende des 9. Jahrhunderts zu dem Großmährischen Reiche gehört, wo dann vielleicht auch Schüler der Slavenapostel Methodius und Konstantinus wie in Böhmen und Mähren Bekehrungsversuche1 zum Christentum gemacht haben; jedoch dürften die Erfolge dieser ersten Bekehrungsversuche noch nicht allzu groß gewesen sein. Einer anderen Überlieferung2 nach soll Ludwig der Fromme 830 einen Kriegszug gegen Polen und Schlesien unternommen haben, um dem Christentum Eingang in diese Lande zu verschaffen, und es heißt, dass er damals den Befehl erlassen habe, die Kultstätten der Heiden, besonders das Heiligtum in Bolkenhain und in dem nicht allzu weit davon entfernten Reichenbach, zu zerstören; doch wird auch dieses Eingreifen Ludwigs, falls es wirklich stattgefunden, nicht von großem Erfolg begleitet gewesen sein. Schneller breitete sich das Christentum in Schlesien erst aus, als der Polenherzog Mesko I. sich im Jahre 966 auf Veranlassung seiner christlichen Gemahlin hatte taufen lassen; zur Beschleunigung der Christianisierung seines Landes soll er auch den Befehl gegeben haben, am Sonntag Lätare des Jahres 968 alle Götzenhaine und Götzenbilder in Schlesien zu zerstören. Auch das heidnische Heiligtum Reichenbachs, welches angeblich auf der Stelle der heutigen Pfarrkirche sich erhoben hat, soll von diesem Befehl betroffen und in ein christliches Gotteshaus umgewandelt worden sein — so, dass von ihm jene Worte gelten würden, die Papst Leo I. einst von Rom gebrauchte: „quae erat magistra erroris, facta est discipula veritatis.“ (Sie, die einst Lehrerin des Irrtums war, ist nunmehr eine Schülerin der Wahrheit geworden).

Der Sohn Meskos I., der gewaltige Boleslaw Chrobry, der ihm 992 folgte, breitete seine Herrschaft über die schlesischen Gaue bis zur Lausitz aus, und als der deutsche Kaiser Otto III. im Jahre 1000 seine Wallfahrt nach Gnesen zum Grabe des heiligen Adalbert unternahm, empfing ihn Boleslaw in Eulau bei Sprottau an der Grenze seines Landes. Diese Zusammenkunft Ottos III. mit Boleslaw hatte den bedeutsamen Erfolg, dass nunmehr für ganz Polen und Schlesien ein großer Metropolitanverband geschaffen wurde, der seinen Mittelpunkt in Gnesen hatte; diesem neuen Erzbistum wurde dann das einige Jahre vorher gestiftete Bistum Breslau unterstellt, zu dem auch die Gegend des heutigen Reichenbach gehörte; der erste Breslauer Bischof hieß Johannes3, nach Zollers Mitteilungen Gotefredus; er residierte in Schmogau bei Namslau und soll auch bald den ersten Pfarrer in Reichenbach eingesetzt haben, sei es, weil diese Stadt bereits auf ein größeres Alter zurückblicken konnte oder weil sie durch ihre Größe damals unter den anderen Städten Schlesiens hervorragte.

Fast alle diese Nachrichten haben jedoch auf geschichtliche Glaubwürdigkeit keinen unbedingten Anspruch, und man muss sagen, dass die ersten Anfänge der katholischen Gemeinde Reichenbach im Dunkel einer Zeit begraben liegen, aus der keine diese Gemeinde betreffenden sicheren geschichtlichen Nachrichten vorhanden sind; denn die älteste Urkunde, worin der Name der Gemeinde Reichenbach genannt wird, stammt aus dem Jahre 1258 und enthält die Mitteilung, dass am 13. Februar dieses Jahres Bischof Thomas zu Breslau die Kapelle in Peterswaldau von der Pfarrkirche zu Reichenbach unter Zustimmung ihres Pfarrers Heinrich abgelöst hat.4

Bei der Bedeutung, die Reichenbach bereits im 11. Jahrhundert besaß5, ist es außerordentlich wahrscheinlich, dass die Gemeinde, wie auch berichtet wird, damals bereits ein Gotteshaus hatte; allerdings soll dieses Kirchlein, als gegen Ende der Regierung des Herzogs Boleslaw III. in den Jahren 1132-1134, als die Böhmen in Schlesien einfielen und auch Reichenbach zerstörten, ein Raub der Flammen geworden sein. 1146 kam nach Vertreibung seines Bruders Wladyslaw II., Boleslaw Crispus in Schlesien zur Regierung, ein Fürst, welcher der Stadt Reichenbach seine besondere Fürsorge zuwandte, und ihm soll es auch zu verdanken gewesen sein, dass im Jahre 1159 sich am höchsten Orte der Stadt ein Kirchlein für die Gemeinde erhob.

Diese Kirche soll nach den Mitteilungen Zollers massiv und in gotischem Stile erbaut gewesen sein; jedoch war zweifellos dieser Bau wie alle anderen um jene Zeit in Schlesien errichteten Gotteshäuser nur ein Holzbau6. 1241 fielen die Mongolen in Schlesien ein und auch Reichenbach wurde ein Opfer dieser wilden Horden. Erst nach diesem Jahre dürfte sich ein steinernes Gotteshaus in Reichenbach erhoben haben — so, dass dieser Bau, der den Grundstock zu der heutigen Pfarrkirche gelegt hat, gegen Mitte oder Ende des 13. Jahrhunderts anzusetzen ist. Während die ersten Steinbauten der für die Gemeinden zu Glatz, Schweidnitz und Striegau bestimmten Pfarrkirchen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sich vollständig umgestaltet haben, sind bei der Reichenbacher Pfarrkirche einige Bauteile, die von diesem ältesten Steinbau stammen, noch erhalten. Von diesem ersten Steinbau rührt zunächst die Westwand her, an der man noch heute im Inneren wie im Äußeren die Querschnittsform des ursprünglichen Bauwerkes feststellen kann, da sich der ungeputzte Bruchstein des alten Baues sehr deutlich von dem späteren Ziegelwerk abhebt — Zoller glaubt sogar behaupten zu können, dass der alte Teil der Westwand noch von dem ursprünglichen Heidentempel stammt — und weiter die südliche Arkadenreihe mit den achteckigen Pfeilern aus Quadersandstein, welche heute zwischen dem Hauptschiff und dem südlichen Nebenschiff liegt.

Von diesem ersten Steinbau scheint auch das heute noch an dem Turm befindliche Wahrzeichen zu stammen, welches eine noch unerklärte sitzende männliche Figur nebst einigen unbedeutenden gotischen Zierformen in Sandstein ausgeführt darstellt und zu verschiedenen Sagen Anlass gegeben hat. Die Figur soll danach entweder den Herzog Boleslaw Crispus, den angeblichen Erbauer der Kirche, oder einen Pilger darstellen, der aus gesammelten Almosen die Kosten der Erbauung des Turmes bis zur Höhe des Wahrzeichens zusammenbrachte.

Zu den ältesten Teilen der Kirche gehören angeblich auch der sogenannte Salve-Regina-Altar, dessen Entstehung in das Jahr 1306 verlegt wird, und der St. Annen-Altar.

Bald nach der Errichtung dieses ersten massiven Baues kam eine größere Stiftung an die Kirche. Herzog Heinrich III. von Schlesien, ein Sohn jenes Heinrich, der 1241 den Heldentod im Kampfe gegen die Mongolen gestorben war, trat 1248 in Mittelschlesien die Regierung an und war der Kirche außerordentlich wohlgesinnt. Auch das Reichenbacher Gotteshaus stattete er, wie aus einer dem Jahre 1408 entstammenden und noch vorhandenen Bestätigungsurkunde des Königs Wenzel ersichtlich ist, im Jahre 1262 in vigilia St. Johannis Baptistae mit 7.5 Hufen Ackers in Ernsdorf und einem Garten in der Frankensteiner Vorstadt, am Wege von Reichenbach nach „Lewenstein“ (?) und verschiedenen anderen Einkünften aus, damit die Priester dieser Kirche für ihn beten und aus dem geschenkten Besitz ihren Unterhalt ziehen sollten secundum illud apostolicum: ab altari vivant qui altari deserviunt (nach jenem Apostelworte: Wer dem Altare dient, soll vom Altare leben).

In das Jahr 1272 fällt die Gründung einer Bibliothek, die mit der Pfarrkirche verbunden war und durch Wohltäter bis zum Jahre 1537 zu einer solchen Größe anwuchs, dass ihr Ruhm in ganz Schlesien verbreitet gewesen sein soll. Leider ist dieses schöne Denkmal für die wissenschaftlichen Bestrebungen, die vom Klerus in der Gemeinde Reichenbach gepflegt wurden, in der Zeit der Glaubensneuerung infolge seiner Vernachlässigung von seiten der neuen Besitzer zugrunde gegangen.

1282 erhielt das Vermögen der Kirche wiederum einen Zuwachs, als der Herzog Heinrich eine Fundation bestätigte, worin der Erbrichter Konrad dem damaligen Pfarrer Heinrich bestimmte Einkünfte für das Gotteshaus verspricht; auch der Text dieser Fundation ist in der bereits genannten Bestätigungsurkunde von 1408 erhalten. 1311 endlich, am Tage vor Mariä Geburt, gewährte der damalige Herzog von Schlesien, auf Bitten des Reichenbacher Pfarrers ausdrücklich den Gütern der Georgskirche vollständige Abgabenfreiheit.

Ein Beweis für den Bildungseifer der damaligen Gemeinde ist weiter die im Jahre 1337 erfolgte Gründung einer Schule, welche mit der Pfarrkirche in Verbindung stand und nicht unbedeutend gewesen ist; wie dieselbe jedoch eingerichtet war und welche Lehrer in jener Zeit in ihr gewirkt haben, ist nicht überliefert; dagegen werden in der Sadebeckschen Chronik mehrere hervorragende Männer genannt, welche aus dieser Schule hervorgegangen sind.7

In diesen ersten Zeitraum der Reichenbacher Gemeinde fällt auch die Errichtung der heutigen Begräbniskirche. Vor dem Schweidnitzer Tor, an derselben Stelle, wo nach alter Überlieferung der römische Kriegsoberst Luca — von ihm ist angeblich die hiesige Ortschaft um das Jahr 300 zu einem Marktflecken erhoben worden — einen nach ihm benannten heidnischen Tempel erbaut haben soll, wurde 1265 ein Kirchlein errichtet und zu Ehren der glorwürdigsten Gottesmutter eingeweiht.8 Dieses Kirchlein, welches übrigens 1832 vollständig niederbrannte und neu errichtet wurde, besaß in seiner ersten Gestalt eine Länge von 21 und eine Breite von 22 Ellen und war, wie der heutige Bau, achteckig; das früher vorhandene Gewölbe ruhte in der Mitte auf einer einzigen steinernen Säule. Dieses kleine Gotteshaus vor dem Schweidniter Tor war ursprünglich keine Filiale der Pfarrkirche, sondern hatte von Anbeginn seinen besonderen Altaristen, den der Magistrat vermöge des ihm zustehenden Patronatsrechtes einsetzte.

Im Jahre 1298 erbaute der Bischof Johannes III. von Breslau (1292-1301)9 unter Zustimmung des Herzogs Bolko I. von Schweidnitz am Frankensteiner Tor auf dem Platze, den das alte Amtsgericht eingenommen, von den Gütern des bischöflichen Tisches eine Kirche ad sanetum sepulchrum et Sanctam Barbaram (zu Ehren des hl. Grabes und der hl. Barbara) und überwies sie später mit dem dazu gehörigen Krankenhaus und den damit verbundenen Einkünften den Brüdern (Kreuzherren mit dem roten Stern) des St. Marienhospitales zu Neisse. Der Nachfolger des Bischofs Johannes, Bischof Heinrich, bestätigte diese Stiftung seines Vorgängers und fügte ihr mit Zustimmung seines Kapitels noch andere Einkünfte bei. Am 7. Juli 1315 endlich gestattete nach einer noch vorhandenen Urkunde der genannte Bischof Heinrich dem Bruder Lambert, Meister des Neisser Marienhospitales der Brüder vom hl. Grabe, durch den von ihm zum Rektor bestimmten Ordensbruder Arnold in dem von des Bischofs Vorgänger Johannes III. gestifteten Hospital zu Reichenbach nach der Regel des Ordens Gottesdienst feiern zu lassen, die Sakramente zu spenden, die Kranken zu versehen, Begräbnisse zu halten und an Sonn- und Feiertagen zu predigen. Da diese Propsteikirche aber nie Pfarrkirche gewesen ist, durch jenes Privileg jedoch das Recht der Georgskirche arg beschränkt und eine geordnete Pfarrseelsorge sehr erschwert wurde, nahm man nach einer Bemerkung der Pfarrchronik später anscheinend nicht ohne Grund an, dass die ursprüngliche Urkunde von 1315 eine Anzahl Zusätze zu Gunsten der Kreuzherren von fremder Hand erhalten habe.

Herzog Bolko II. von Schweidnitz erweiterte am 3. Januar 1331 die Einkünfte der Kirche und des Klosters durch einen Zins von 11 Ruthen Ackers, welche zur Schölzerei in Harthau gehörten. Die gottesdienstlichen Handlungen in der Barbarakirche wurden, zunächst bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts, von einem Propst und zwei Hilfsgeistlichen vollzogen. Übrigens müssen die Kreuzherren an der Propsteikirche auch in einem allerdings nicht näher bekannten Verhältnis zur Schule gestanden haben; denn in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand zwischen ihnen und dem Magistrat ein heftiger Streit über die Besetzung der Lehrerstelle. Der für diesen Prozess delegierte Richter, der damalige Abt von Heinrichau, erklärte aber in dem 1380 gefällten Urteile, dass dem Magistrate das jus conferendi regimen Scholarum Suarum gen institvendi Magistrum unbedingt zustehe.

Mit dem Jahre 1338 kommt die St. Georgskirche in den Besitz der Malteser.

Es war im Jahre 1048, da gründeten Kaufleute aus Amalfi in Jerusalem das Hospitium St. Johannis Baptistae zur Aufnahme und Verpflegung der Palästinapilger. Die Brüder, welche dieses Hospital bedienten, erhielten bereits von ihrem zweiten Meister eine neue Aufgabe, den Kampf gegen die Ungläubigen, und wurden Johanniter genannt. Bald breitete sich dieser Ritterorden weiter aus und bekam bei Aufhebung des Templerordens (1512) einen großen Teil der Güter desselben und damit erhöhte Macht und Bedeutung. Der Hauptsitz des Ordens in diesem Zeitraum war Rhodos. Als ihm diese Insel durch den Sultan Soliman II. entrissen wurde, erhielt er dafür von Karl V. Malta (1530) eingeräumt. Die Ritter führten daher auch die Namen Rhodiser und Malteser.

Diesem Malteserorden übertrug nun im Jahre 1338 Bolko II., der letzte Herzog von Schweidnitz (1326-1368) die Reichenbacher St. Georgskirche und das Patronatsrecht über dieselbe, und die Kommendatoren dieses Ordens zu Reichenbach, d. h. die Leiter der dortigen Ordensniederlassung, haben dann dieses Recht auch in ununterbrochener Reihenfolge ausgeübt, bis in der Mitte des 16. Jahrhunderts der Kommendator Martinus Ulthoma (Uthoma) vom Glauben der Kirche abfiel.

Vielleicht aus Anlass der Übertragung des Patronates über die Kirche an die Malteser ist das Gotteshaus bedeutend erweitert worden. Man beseitigte die Gewölbe und die nördliche Arkadenreihe und gewann auf diese Weise durch Zusammenfassung der beiden nördlichen Schiffe das heutige 11.85 Meter breite Hauptschiff; zugleich wurde auch die Höhe dieses Hauptschiffes um ein Bedeutendes gesteigert. Nach Lutsch, dem diese baugeschichtlichen Angaben entnommen sind10, zogen sich diese Erweiterungsarbeiten am Gotteshaus bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hin; man wird also kaum den Vorwurf ganz aufrecht erhalten können, den ein Schreiber in der Pfarrchronik den Maltesern macht, dass „sie, die ritterlichen Herren, die oftmals mit mehreren reichen Ordensgütern bepfründet waren, ihren Einfluss und ihre großen Mittel nicht dazu verwandt haben, die ihnen übergebene Kirche samt der damit verbundenen Schule zu verschönern und weiter auszugestalten.“

Andererseits scheinen aber die Kommendatoren auch auf die Vermehrung ihrer Einnahmen recht eifrig bedacht gewesen zu sein; denn bald riss die Gewohnheit ein, dass der jeweilige Kommendator zwar die Einkünfte der Stiftungen bezog, die nach dem Willen der Fundatoren eigentlich zum Unterhalte des Pfarrers bestimmt waren, sich aber in der Ausübung der geistlichen Pflichten seines Amtes von einem Administrator vertreten ließ, der dann von der Stadt besoldet werden musste.

Ihre Residenz hatten die Kommendatoren in dem sogenannten Komturhof, der auf dem Platz des jetzigen katholischen Waisenhauses stand und mit der Kirche durch einen Gang verbunden war, dessen Mündung man heute noch an der Außenseite der Kirche hinter dem Hochaltar erkennen kann. Dieses Gebäude soll bereits vor 1338 gestanden und unter dem Namen „Steinerner Hoff“ den jeweiligen Altaristen als Wohnung gedient haben, bis es von zwei derselben, namens Hermann Hans Kunradt und Reinhold Sarckel 1364 an den damaligen Kommendator Niklas von Lobin verkauft wurde; es wurde von den Kommendatoren nunmehr ausgebaut und scheint einst ein prächtiges Gebäude gewesen zu sein. Seit der Zeit der Kirchenspaltung hielten die Kommendatoren in Reichenbach nicht mehr Residenz; infolge dessen zerfiel der Komturhof allmählich; jedoch waren um das Jahr 1730 noch das Tafelzimmer und einige andere Gemächer vorhanden.

Die Kriegsstürme, die bei den hussitischen Einfällen in Schlesien (1425-1430) im Jahre 1428 auch über Reichenbach brausten und den größten Teil der Stadt in Asche legten, haben der Georgskirche nicht geschadet, angeblich, weil die Hussiten aus besonderer Verehrung gegen den Ritter Georg alle diesem Heiligen geweihten Kirchen verschont haben.

Bezüglich der Begräbniskirche brachen öfters Streitigkeiten zwischen dem Kommendator und dem Magistrate aus. Wie erwähnt, hatte diese Kirche ihren besonderen Altaristen und unterstand dem Patronate des Magistrates. Mag nun der Altarist seine Befugnisse überschritten und die Rechte der Pfarrkirche verletzt haben oder mögen die Kommendatoren eifersüchtig geworden sein auf die materiellen Zuwendungen für die Begräbniskirche, man konnte sich jedenfalls längere Zeit nicht einigen, bis endlich am Tage der hl. Dreifaltigkeit im Jahre 1402 Johannes Bargmann, Menzelinus Wiegandesdorf, Johannes Hayn, Johannes Schlichting und Johannes Zebur, Ratmänner der Stadt Reichenbach, mit Herrn Heinrich von Nevenhause, dem damaligen Kommendator und seinem Stellvertreter, dem Herrn Matthias Lemberg, einen Vertrag schlossen, wonach das Verhältnis zwischen Pfarr- und Begräbniskirche sowohl betreffs des Gottesdienstes wie auch der Zuwendungen für letztere Kirche endgültig geregelt wurde.

Von der Klosterkirche, die in einer Urkunde aus dem Jahre 1349 zum ersten Mal11 genannt wird, wissen wir nicht, wann sie erbaut worden ist. Vermutlich fällt ihre Errichtung in den Anfang des 14. Jahrhunderts. Sie gehörte zu einem Kloster des Ordens der Augustinereremiten und war ursprünglich dem hl. Markus geweiht. Unser ganzes Wissen über diese Kirche aus der Zeit vor der Glaubensneuerung beschränkt sich auf zwei Urkunden12; die erste davon besagt, dass im Jahre 1349 sich einige Brüder dieses Klosters behufs Wahrnehmung ihrer Rechte und Privilegien an einer geistlichen Versammlung in Reichenbach beteiligt haben, die zweite aus dem folgenden Jahre teilt nur mit, dass der Prior Johannes del Ponte und der Konvent dieser Augustinereremiten den Bruder Johannes von Micß zu ihrem bevollmächtigten Prokurator bestellt haben.

Das Kloster samt Kirche und dazu gehörigen Grundstücken blieb bis zum Jahre 1525 in den Händen der Augustiner. Es mag die Lehre Luthers, welche damals bereits in Reichenbach Eingang gefunden hatte, auch schon unter den Ordensleuten dieses Klosters zu wirken begonnen haben, und so hören wir, dass am Dienstag nach Reminiscere dieses Jahres der damalige Ordensvikarius namens Pankratius Geyer mit Genehmigung des Augustinerklosters von St. Dorothea in Breslau die zur Kirche gehörigen Grundstücke an einen gewissen Wolfgang Potschin (Bitschin) aus Peisfersdorf verkauft hat — allerdings unter der Bedingung, dass „das Gottesshaus in seinem Stande bleibe und der Gottesdienst darin nicht abgehe.“ Dieser Verkauf wurde vom König Ludwig am Sonntage nach Christi Himmelfahrt bestätigt. Jedoch bereits im nächsten Jahre, 1526, verkaufte Potschin (Bitschin) seine Erwerbung an den Magistrat der Stadt Reichenbach weiter, und von diesem sind wiederum im Laufe der Zeit die einzelnen Grundstücke an Privatpersonen verkauft worden. Da man die Kirche als annexum der verkauften Grundstücke gehalten, so ist der Magistrat im Besitze dieses Gotteshauses geblieben, und die späteren Versuche der Augustiner, die Kirche wieder für sich zu erhalten, sind stets gescheitert. Zufolge der Wirren der Kirchenneuerung ist dieses Gotteshaus wüst und öde geworden; ein Teil davon wurde vom Magistrat sogar zu einem Malzhause, später zu einem Sprizenhause und Unterkunftsplatz für die Garnisonwagen eingerichtet. Die noch heute gut erhaltene Kanzel der Kirche, welche aus dem Mittelalter stammt, gilt mit Recht als ein Kunstwerk, namentlich die vier Evangelisten mit ihren Sinnbildern und die vier Engelsgestalten auf dem Deckel in Form einer Krone, worauf sich die Gestalt des göttlichen Hirten zeigt.

Wie ein Teil der Pfarrchronik, der aus dem Jahre 1784 stammt, berichtet, stand noch in der damaligen Zeit gegenüber dem alten Haupteingange der Kirche, welcher heute vermauert ist, eine steinerne Säule, die oben in Form einer kleinen Kapelle endete und in deren Mitte eine Henkershand, nach anderen Nachrichten ein Henkersschwert und ein Schlüssel eingehauen waren nebst der Jahreszahl 1514. Über die Bedeutung dieser Säule war schon damals nichts Schriftliches vorhanden; nach der mündlichen Überlieferung soll eine Klinkengutsbesitzerin im Jähzorn ihre Dienstmagd mit einem Schlüssel totgeworfen haben und nach damaligen Recht durch das Schwert hingerichtet, jedoch in Erweisung ausnahmsweiser Milde auf dem Kirchhof begraben worden sein.

Über die Neudorfer Kirche, welche heute Filiale der Reichenbacher Pfarrkirche ist, ehemals aber selbständig war, wird berichtet13, dass sie im Jahre 1420 erbaut worden sein soll; nach Lutsch14 lassen allerdings die rohen Formen des auf uns gekommenen Bauwerkes — die Kirche ist 1904 renoviert worden — auf das späteste Mittelalter, wo nicht überhaupt auf den Anfang des 16. Jahrhunderts als Bauzeit schließen.

Mehrmals lastete im 14. und 15. Jahrhundert die Hand Gottes schwer auf der Gemeinde, als die Pest ihren todbringenden Einzug in Reichenbach hielt, so in den Jahren 1395 und besonders 1496. Dieser letzteren Pestperiode sollen die kleinen Kapellen, die zum Teil heute noch an verschiedenen Stellen der Stadt vorhanden sind, ihre Entstehung verdanken. Eine derselben steht unter der großen Linde in der Frankensteiner Vorstadt, rechts von der Chaussee nach Peilau, eine zweite in der Gartenmauer eines Besitztumes in der Breslauer Vorstadt am Schießhausplatze, eine dritte befand sich an der Begräbniskirche, weshalb diese Kirche auch Pestkirchlein genannt wurde, eine vierte endlich am Tränktor (Trenktor). Sie enthielt ursprünglich in ihrer unteren Nische eine Abbildung des schmerzvoll leidenden Heilandes, die Nachbildung eines Bildes, welches das Fürstbischöfliche Jungfrauenstift St. Katharina zu Breslau besaß und das aus dem Jahre 1494 stammte. 1880 ließ der damalige Besitzer diese Kapelle fortreißen und dafür eine neue an der südöstlichen Seite seines Gartens errichten, die nunmehr eine Marienstatue enthält.

Da die Quellen über die Zeit vor der Einführung der Kirchenneuerung in Reichenbach nur spärlich fließen, so ist über den Zustand der Gemeinde und ihr religiöses Leben aus dem 14. und 15. Jahrhundert nichts bekannt; jedoch lässt sich annehmen, dass wenigstens im Durchschnitt das religiöse Leben der Gemeinde im 15. Jahrhundert gerade nicht auf der Höhe gestanden haben kann, da sonst die Kirchenneuerung sich in Reichenbach nicht so schnell und tiefgreifend ausgebreitet haben würde. Dass andererseits der Eifer für Religion und Gottesdienst nicht ganz ausgestorben war, beweisen verschiedene Fundationen, die aus dieser Zeit stammen, so zum Beispiel die ewige Lampe vor dem Allerheiligsten, die von einer Klinkenfrau gestiftet sein soll, das Tenebrae am Freitag und das Salve Regina am Sonnabend, beides Fundationen, welche bei Einführung der Kirchenneuerung schon längere Zeit bestanden.


1 Grünhagen I, S. 5.

2 Zoller.

3 Grünhagen I, S. 6.

4 Neuling, S. 255.

5 Paul, S. 11.

6 Vergl. Lutsch, S. 159 ff.

7 Zum Beispiel Johannes der Fromme, Fürstbischof von Salzburg, der Sohn armer Tuchmacherleute, Martinus Mergenthal, des Kaisers Matthias Geheimer Rat, Johannes Ryvius, Dompropst zu Meißen, Johannes Mulbach, des Kaisers Friedrich Barbarossa Kanzler, Maximilianus Beinert, Kaisers Albert I. Rat, Godefridus Aloysius Kinner von Löventhurn, der Hofmeister zweier Erzherzöge von Österreich u. a.

8 Lutsch verwechselt dieses Kirchlein mit der noch zu nennenden Propsteikirche ad S. Barbaram.

9 Nicht Bischof Heinrich, wie die Chronik von Paul sagt.

10 S. 160.

11 Nicht erst, wie die Chronik von Paul sagt; 1525.

12 Neuling, S. 255.

13 Visitationsberichte, herausgegeben von Jungnitz, S. 721.

14 Kunstdenkmäler II, S. 154.

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński