Reichenbachs
geschichtliche Vergangenheit
Inmitten der Ebene,
die zwischen dem Kamm des Eulengebirges, dem Vater Zobten und
den anschließenden Nebenbergen ihre fruchtbaren Felder und
grünenden Wiesen ausbreitet, ragt die alte deutsche Stadt
Reichenbach mit ihren Türmen und dem Giebelwerk ihrer eng
aneinanderreihenden Häuser weithin ins Land.
„Wir haben hier
die schönste Aussicht in Schlesien. Es ist die reizendste
Landschaft von der Welt!“ — schrieb der große
Preußenkönig im Jahre 1741 an seinen Freund
Jordan, als er zum ersten Mal hier weilte. Und die
schlesischen Pressevertreter spendeten erst kürzlich der Stadt
nach einem Besuche ein ähnliches Lob:
„Die wenigsten
Schlesier wissen es, dass von allen schlesischen Städten
Reichenbach das Juwel eines mittelalterlichen Stadtbildes am besten
bewahrt hat. Reichenbach ist die schönste Stadt im Eulengau.“
Aber nicht nur schön
und im Äußeren ansehnlich ist Alt-Reichenbach, es
hat auch eine bedeutungsvolle geschichtliche und wirtschaftliche
Vergangenheit. Nur wenig Provinzstädte Schlesiens sind
gleichermaßen reich an historischen Erinnerungen mannigfachster
Art. Für den Fremden, der die Eulengebirgshauptstadt
erstmalig betritt, wird es deshalb von Wert sein, wenn er das
Wichtigste über die Geschichte des Ortes in aller Kürze aus
diesem Büchlein erfährt. Denn nicht nur der lebhafte
Handelsverkehr der hier ansässigen mittelschlesischen
Webwarenindustrie führt täglich Besucher aus ganz
Deutschland und darüber hinaus in Reichenbachs
Mauern, alljährlich berühren auch viele Tausende von
Touristen die Stadt, denn Reichenbach ist das Tor des
Eulengebirges.
Von hier bringt die
Eulengebirgsbahn den Strom der Fremden in die nahen,
waldbekränzten Berge. Ste alle lädt Reichenbach zu
kurzer oder längerer Zwischenrast ein. Bei einem Gange durch die
Stadt wird ihnen ein Stück Geschichte aus Glücks- und
Unglückstagen unseres Vaterlandes wieder lebendig werden.
Diesen Besuchern ein Führer zu sein, ist einem besonderen
Abschnitt des vorliegenden Heftes vorbehalten. Der hier folgende
Überblick über den Werdegang der Stadt möge allen
Gästen Reichenbachs ein Wegbereiter sein, denen bei
Besichtigung der Sehenswürdigkeiten die Kenntnis der
geschichtlichen Zusammenhänge willkommen ist.
Der Zeitpunkt der
Gründung Reichenbachs ist urkundlich nicht einwandfrei
festzustellen. Bevor deutsche Siedler hier wie überall in
Schlesien ihr Niederlassungswerk begannen, verliert sich die
Ortsgeschichte ins Dunkel unprüfbarer Überlieferungen.
Frühgeschichtliche
Funde aus der Stein- und Bronzezeit weisen auf Ureinwohner aus
den Dongauländern und aus nordischen Gebieten hin.
Nach der Völkerwanderung machten sich slawische
Volksstämme hier ansässig. Seit altersher bestanden
slawische Niederlassungen längs der Peile, jenes Baches,
der Reichenbachs Mauern umspült und der zu Zeiten von
Hochwasser zum reißenden Strom anwächst. Im 12. und 13.
Jahrhundert wanderten dann auf Betreiben der schlesischen
Piastenherzöge deutsche Kolonisten aus Mittel- und
Süddeutschland hier ein. Auf einer Anhöhe längs
der Peile gegenüber der Einmündung des Klinkenbaches
gründeten sie in planvoller
Gemeinschaftsarbeit die deutsche Stadt Reichenbach, deren
Vorhandensein in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
mit Bestimmtheit nachweisbar ist. Herzog Boleslaus I. soll
hierzu die Veranlassung schon in dem zweiten Drittel des 12.
Jahrhunderts gegeben haben. Urkundlich wird die Stadt erstmalig
im Jahre 1258 erwähnt. Zehn Jahre später werden in
einer anderen Urkunde die Stadtrechte Reichenbachs
ausdrücklich hervorgehoben. Das älteste bekannte Siegel
stammt aus dem Jahre 1290. Es stellt den Drachentöter
Sankt Georg dar, der zugleich Schutzherr der Stadt wie der
frühzeitig erbauten Pfarrkirche war. Der Name Reichenbach
dürfte nach dem Stande der heutigen Forschung auf den Heimatort
der aus Mitteldeutschland stammenden Begründer zurückzuführen
sein. Neben Kirche und Rathaus bestand damals schon die
herzogliche Burg am Schweidnitzer Tore, an deren Platz sich
heute die evangelische Kirche erhebt. Dort wohnte in ältester
Zeit der Stadtvogt und übte im Namen des Landesherrn
Verwaltung und Gerichtsbarkeit aus. Denn erst im Laufe der weiteren
Entwicklung erlangte die aufstrebende Bürgerschaft allmählich
Selbstverwaltungsrechte, worüber Urkunden aus den Jahren 1330
und 1337 wichtige Aufschlüsse geben. Damals ging die
niedere Gerichtsbarkeit auf die Stadtverwaltung über.
Wohl so alt wie die
Stadt dürfte die in ihr rasch zur Blüte gelangte
Handweberei sein. Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts
war eine Tuchmacherzunft vorhanden, die mit besonderen Rechten
ausgestattet wurde. Die Stadt verdankt diesem Gewerbezweig, den wohl
die aus Mitteldeutschland zugezogenen Siedler
eingeführt hatten, eine lange und außerordentliche
Blütezeit, die erst der Dreißigjährige Krieg
unterbrach und deren Reste später das Maschinenzeitalter
austilgte. Aber gleichzeitig wuchs aus den Trümmern dieses alten
Handwerks eine neue, blühende Industrie, die mit ihren
gewaltigen Fabrikwerken und mächtigen Schloten der alten Stadt
ein neuzeitliches Gepräge gibt.
Mit dem Fürstentum
Schweidnitz-Jauer kam Reichenbach im Jahre 1392 aus
der Hand der schlesischen Piasten an die böhmische
Krone. Die ersten Jahrzehnte unter der neuen Herrschaft brachten
der Stadt einen beachtlichen Aufschwung, der aber durch die
Hussitenkriege eine Unterbrechung erfuhr.
Im Jahre 1428
ging Reichenbach zum großen Teil in Flammen auf. Es
erholte sich aber bald von den Wunden dieser Kriege, und an der Wende
zum 16. Jahrhundert blühte das Zunftleben in der Stadt
wie nie zuvor. Neue Gewerbezweige taten sich auf, Handel und Verkehr
bis nach Böhmen und Polen
stärkten die Machtmittel der Bürgerschaft.
Als Reichenbach
durch Erbvertrag im Jahre 1526 mit Böhmen
und Schlesien an das Haus Habsburg gelangte, hatte die
Reformation schon Eingang in die Stadt gefunden. Die
freiheitlich gesinnten Zünfte schlossen sich der neuen
Glaubensbewegung an. Im Jahre 1555 befand sich die
Stadtpfarrkirche im Alleinbesitz der Protestanten, die sich
den Ausbau des Gotteshauses angelegen sein ließen. Trotz
mehrerer großer Brände gewann Reichenbach in dieser
Zeit ständig an Ausdehnung. Längst war es über die
schützenden Mauern hinausgewachsen. Im Jahre 1570 zählte
man 358 Häuser der Innenstadt und 102 in den
Vorstädten. Immer unabhängiger waren die Bürger in der
Ausübung ihrer Rechte geworden. In stattlichen Zunfthäusern
auf dem ausgedehnten Marktplatz unterhielten die Innungen
ihre Verkaufsstände und Stapelhallen. Trotz
wiederholter Heimsuchungen durch die Pest besaß die Stadt zu
Beginn des 17. Jahrhunderts annähernd 7000
Einwohner und gehörte damit zu den großen Provinzorten
Schlesiens.
Der dreißigjährige
Glaubenskrieg unterbrach jäh diese zukunftsreiche Entwicklung.
An seinem Ausgange schien Reichenbachs wirtschaftliche Blüte
für immer dahingesunken zu sein.

Wechselvoll waren
die Schicksale der Stadt. Schweden und Kaiserliche
brandschatzten sie mehrfach. Neben den gefürchteten
Liechtensteiner Dragonern sah sie die plündernden Söldner
Wallensteins und die schonungslos hausenden Scharen
Torstensons als ungebetene Gäste. Im Jahre 1633
wurde sie durch Kaiserliche unter Götz und Illau
erstürmt und verwüstet. Danach raffte die schreckliche Pest
die Einwohner zu Hunderten dahin — so, dass selbst die verrohten
Landsknechte den Ort mieden. Später zwangen religiöse
Bedrückungen durch den Landesherrn viele Bürger zur
Auswanderung. Damals gründeten geflüchtete Reichenbacher an
der polnischen Grenze ein neues Gemeinwesen: Deutsch-Zduny. Am
Ende des großen Glaubenskampfes war nur noch ein Zehntel der
Bevölkerung in der Stadt wohnhaft, die selbst zum größten
Teil in Schutt und Asche lag.
Nur langsam erholte
sich Reichenbach von den Verwüstungen des Krieges.
Religiöse Unduldsamkeit der kaiserlichen Regierung veranlasste
viele Einwohner zur Abwanderung in die umliegenden
Dörfer, unter ihnen zahlreiche Handweber. In jenen Jahrzehnten
verlor die Stadt langsam ihre führende Rolle in der heimischen
Webwarenherstellung. Das benachbarte große Dorf Langenbielau
hatte ihr am Ende des Jahrhunderts bereits den Rang abgelaufen. Wenn
Reichenbach unter der
habsburgischen Herrschaft auch vor wirtschaftlichen Drangsalierungen
verschont blieb, so erfuhr es andererseits von ihr keine nennenswerte
Unterstützung. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts
gestalteten sich die konfessionellen Verhältnisse erträglicher.
Die katholische Klosterkirche, die länger als 200
Jahre unbenutzt geblieben war, wurde im Jahre 1713 wieder in
gottesdienstlichen Gebrauch genommen. Versuche des Augustinerordens,
sich im früheren Kloster erneut niederzulassen, scheiterten. Im
Jahre 1732 hatte Reichenbach den Besuch des späteren
Kaisers Franz I. von Österreich und des Königs
Friedrich Wilhelm I. von Preußen. Noch ahnte damals
niemand, dass kaum zehn Jahre später der Sohn dieses
Preußenherrschers an der Spitze einer
siegreichen Armee seinen Einzug halten würde.
Am 3. Januar 1741
rückten die ersten preußischen Truppen in die Stadt ein,
und am 21. August weilte Friedrich II. zum ersten Mal
in ihren Mauern. In der Folgezeit sollte sie ihn noch oft, in guten
und schlechten Tagen, bei sich zu Gaste sehen. Mit Ausnahme des
letzten deutschen Kaisers empfing Reichenbach
seither den Besuch sämtlicher preußischen Herrscher. Der
Erste und Zweite Schlesische Krieg ging ohne größere
Heimsuchungen an der Stadt vorüber. Die nachfolgenden
Friedensjahre unter preußischer Herrschaft förderten ihren
Wohlstand. Nun erhielt die Stadt auch eine Garnison. Eine straffe
Verwaltung schuf die Grundlage für den neuen Aufschwung der
Wirtschaft. Die Handweberei sah wieder bessere Zeiten. Dann kam der
Siebenjährige Krieg ins Land.
Abwechselnd war Reichenbach in den Händen der
Österreicher und Preußen, die ihm
beschwerliche Kriegsleistungen abforderten. Vor Reichenbachs
Toren wurde am 16. August 1762 die letzte Schlacht des langen
Krieges auf schlesischem Boden geliefert. Sie endete mit dem Siege
der Preußen, die den Feind bis zu den Hängen des
Fischerberges auf der ganzen Linie in die Flucht schlugen.
Während des Kampfes war der große König durch die
Straßen der Stadt geritten, alte Bekannte herzlich begrüßend.
Als endlich das Friedensfest gefeiert werden konnte, da gab ein
Reichenbacher Bürger seiner Treue zu Preußens
Fahnen in folgender Aufschrift an seinem Hause Ausdruck:
„Auf Preußens
Glück schenk ich jetzt ein,
"Gut preußisch
sein ist eine Ehre!
Und wenn ich Hab und
Gut verlöre,
So wollt' ich doch gut
preußisch sein!"

Unter der weisen
Regierung Friedrichs II. erfuhr nun Reichenbach die
stärkste Förderung. Mit staatlichen Mitteln setzte eine
rege Bautätigkeit ein. Mehr als 40 neue Gebäude
entstanden, darunter der Gasthof „Zum schwarzen Adler“,
der noch heute in seinem steinernen Wappentier und auf einer Gedenktafel an den
großen König erinnert. Langsam begann die Einwohnerzahl zu
steigen. Im Jahre 1775 zählte die Stadt schon wieder 2727
Seelen. Drei Jahre später drohte nochmals Kriegsgefahr mit
Österreich. Im Februar 1779 weilte der Alte
Fritz zum letzten Mal in Reichenbach, nachdem er im Sommer zuvor
hier die Parade der in Schlesien versammelten Truppen
abgenommen hatte. Unter seinem Nachfolger erlangte die Stadt
welthistorische Bedeutung durch den in ihren Mauern abgehaltenen
Friedenskongress der europäischen Mächte im Jahre
1790. Der Verhandlungssaal in dem großen
Ringhause an der Ecke der Breslauer Straße ist noch
heute in seinem damaligen Zustande erhalten und eine
Sehenswürdigkeit. Leider erfüllte der Reichenbacher
Vertrag nicht die von Preußen auf ihn gesetzten
Hoffnungen.
Seit 1741
hatten die Protestanten sich mit einem einfachen Bethaus begnügen
müssen. Die stattliche evangelische Kirche, zu deren
baulicher Gestaltung Langhans, der Schöpfer des
Brandenburger Tores, seine Anregungen gab, wurde im Jahre 1797
fertiggestellt. Der schlanke Turm des neuen Gotteshauses verlieh
dem Anblick der Stadt von nun an ein neues Gepräge. Am Ende des
hier geschilderten Jahrhunderts war der Reichenbacher Industrielle
Friedrich Sadebeck der bedeutendste Webwarenfabrikant der
Umgegend. Er beschäftigte damals mehr als 1500 Weber,
und der Warenumsatz im In- und Auslande war beträchtlich. Bald
sollte das neue Jahrhundert der Technik und Maschinen im Surren von
tausend Rädchen der alten Handweberei für immer das
Sterbelied singen. Absatzschwierigkeiten und ein allgemeiner Notstand
der Arbeiterbevölkerung kennzeichnen die nächsten
Jahrzehnte. Sie fanden ihren Höhepunkt im Weberaufstand von
1844, dessen dichterische Bearbeitung Gerhart Hauptmanns
Ruhm begründete.

Der hauptsächlich
für Erbbegräbnisse bestimmte Sadebeck-Friedhof an
der Feldstraße entstand im Jahre 1805 und ist in
seiner kunstvollen Anlage einer Besichtigung wert. Preußens
Unglücksjahre 1806/7 führten die Franzosen
und ihre Hilfsvölker nach Reichenbach. Als 1813
der Aufruf „An mein Volk“ erging, sollte die Stadt noch
einmal weltgeschichtliche Bedeutung erlangen. Mir Stolz kann sie auf
die in ihren Mauern geschlossenen Bündnisse zurückblicken,
die schließlich zur Befreiung aus der Fremdherrschaft führten.
Hier trafen sich Kaiser Alexander I. von Russland und König
Friedrich Wilhelm III. Hier wohnte im alten Pastorenhaus vor dem
Trenk-Tore (Tränk-Tore) der Freiherr vom Stein und
verhandelte mit den bedeutendsten Staatsmännern Englands,
Österreichs und Russlands. Hier weilten im heutigen
Ringhause Nr. 19 die Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt,
Theodor Körner und Max von Schenkendorf, bis sie der
Völkerbrand auseinanderriss.
Nach dem glücklichen
Ende der Befreiungskriege wurde Reichenbach im Jahre
1816 sogar Hauptstadt des damals gebildeten
Gebirgsregierungsbezirks, der sich längs der Sudeten
von Glatz bis hinauf nach Hirschberg erstreckte und dem
15 Kreise angehörten. Der Bezirk bestand freilich nur
drei Jahre, in dieser kurzen Zeit nahm die Stadt aber
nichtsdestoweniger einen starken Aufstieg. Im Jahre 1830
zählte sie bereits mehr als 4300 Einwohner, 1840
waren es schon über 5000. Die Notlage der Handweber
führte zu dem bereits erwähnten Aufstand von 1844,
von dem Reichenbach jedoch nicht
unmittelbar betroffen wurde; denn die blutigen Zusammenstöße
zwischen Militär und Bevölkerung spielten sich im
benachbarten Langenbielau und Peterswaldau ab.
Das Revolutionsjahr
1848 brachte unruhige Zeiten. Trotz der zahlreich in der Stadt
entstandenen Freikorps endete die Bewegung schließlich
in unblutigen Redeschlachten und Verbrüderungsfesten. Handel und
Gewerbe lagen in den nächsten Jahren sehr danieder. Eine
Belebung der Wirtschaft rief der Bau der Eisenbahnlinie von
Schweidnitz nach Reichenbach hervor, deren Eröffnung
im Jahre 1855 erfolgte und die 1858 nach Frankenstein
weitergeführt wurde. Zum Bildungswesen der Stadt nimmt die 1868
ins Leben gerufene Realschule eine wichtige Stelle ein. Sie
wurde 1882 in ein staatliches Realgymnasium
umgewandelt. Der Feldzug von 1866 ließ die Einwohner in
banger Sorge der Nachrichten vom Kriegsschauplatz harren, wenn der
Kanonendonner in den stillen Sommernächten über den Kamm
des Gebirges dumpf herüberdröhnte. Doch bald konnte man den entscheidenden Sieg
von Königgrätz feiern, und mit Jubel wurden die
heimkehrenden Regimenter in den festlich geschmückten Straßen
begrüßt. Die durch den Krieg eingeschleppte Cholera
forderte unter den Einwohnern mehr als hundert Opfer. Dem Andenken
der Gefallenen aus den Feldzügen von 1866 und 1870/71
ist das im Jahre 1895 eingeweihte Denkmal auf der Hohen
Schanze gewidmet.
Das aus ältester
Zeit stammende Rathaus war unzulänglich und baufällig
geworden. An seiner Stelle wurde 1874 ein neues Gebäude
errichtet, das heute den Marktplatz mit seinen schlichten
Zweckmäßigkeitsformen beherrscht. Bei der Volkszählung
1875 hatte die Einwohnerzahl 7000 bereits
überschritten.
Gemeinnützige
Bestrebungen aller Art machten sich in der hier geschilderten Zeit
geltend. Als eine der wichtigsten sei die im Jahre 1882 erfolgte
Gründung des „Reichenbacher Eulengebirgsvereins''
hervorgehoben. Er hat sich durch die Schaffung von zahlreichen
Ortsgruppen, aus denen später der „Verband der
Gebirgsvereine an der Eule“ entstand, um die Erschließung
der Schönheiten der heimatlichen Berge bleibende Verdienste
erworben.
Der 1. April 1890
bezeichnet einen Wendepunkt in der neueren Geschichte der Stadt.
Durch Angliederung der eng benachbarten großen Fabrikgemeinde
Ernsdorf erhielt Reichenbach mit einem Schlage erhöhte
wirtschaftliche Bedeutung und erreichte eine Einwohnerzahl von mehr
als 13 000 Köpfen. Seither ist die Zahl der
Textilunternehmen Reichenbachs ständig im Wachsen
geblieben — so, dass die Stadt heute im Osten, Süden und
Westen von einem Kranze moderner Industrieanlagen
umgeben ist, unter denen die Werke des Rosenberger-Konzerns,
von Weyl & Nassau, Cohn Gebrüder, Fleischer
und Hain, sowie ferner die Maschinenfabrik von Vogel und
die Rosshaarweberei von Vogt an erster Stelle zu nennen
sind. Bedeutend ist ferner die Dampfmehlmühle von Hilbert.
Zahlreiche Söhne
Reichenbachs ließen im Weltkriege ihr Leben und Blut für
Heimat und Vaterland. Ihrem Gedächtnis ist der Ehrenfriedhof
am Ausgange der Breslauer Straße gewidmet. Für die
heimische Industrie brachten die Nachkriegsjahre schwere
wirtschaftliche Erschütterungen. Aber Tatkraft und
unermüdliche Arbeit eroberten ihr den Wirtschaftsmarkt zurück.
Großes ist trotz aller bekannten Schwierigkeiten auf dem
Gebiete der Wohnungsfürsorge geleistet worden. Auf dem
Gelände zwischen der Ober- und Niederstadt sind
ganz neue Häuserviertel erstanden. Stadtverwaltung und
Private wetteifern miteinander, auf diesem Gebiete die Lücken
der Kriegszeit auszufüllen. Die im Jahre 1927 erfolgte
Einweihung des neuen Stadt- und Hallenschwimmbades machte
Reichenbach erst neuerdings wieder weithin bekannt. Der in der
Nähe des Bahnhofes gelegene Bau erfüllt alle
neuzeitlichen Ansprüche und nimmt den Wettbewerb mit jedem
anderen Hallenbad Schlesiens auf. Neben dieser Stätte
gemeinnütziger Körperkultur ist der vor kurzem vollendete
Bau der Landwirtschafts- und Gewerbeschule in der
Nachbarschaft des Oberlyzeums auf dem neu geschaffenen
„Freiherr vom Stein-Platz“ ein neues Schmuckstück der
Stadt geworden. Grünanlagen am Bahnhof und rings auf den
alten Stadtwällen geben dem Bilde der sauberen,
vorbildlich gepflasterten Stadt mit ihrem großen Marktplatz
einen stilvollen Rahmen. Prächtig ist der Ausblick, der sich von
der Promenade an der Hohen Schanze auf den Kamm des nahen
Eulengebirges bietet, dessen liebliche Schönheit Jahr um
Jahr ungezählte Gäste hierher lockt.
Um die Erschließung
der heimatlichen Berge hat sich das im Jahre 1927 gegründete
„Verkehrsamt Eulengebirge“, das in Reichenbach Sitz
hat, besonderes Verdienst erworben.
Sie alle grüßt
die alte deutsche Stadt Reichenbach mit ihren hochragenden
Türmen und geschichtlichen Erinnerungen, indessen zu ihren
Füßen in den Fabrikanlagen der Vorstädte viele tausend rührige
Hände mitschaffen am wirtschaftlichen Aufstieg unserer
schlesischen Heimat und des deutschen Vaterlandes.
nach:
Erich Hasse „Wir besuchen Reichenbach“ (1930), S. 6 ...
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