2.
Zeitraum
(Von
der Einführung der Kirchenneuerung in Reichenbach bis zum
Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648)
Trübe
Zeiten kamen über Reichenbach und die dortige katholische
Gemeinde infolge der Wirren, welche die Glaubensneuerung des
Mittelalters
besonders im Anfange des 17. Jahrhunderts hervorrief.
Wann
die Lehre Luthers ihren Einzug in Reichenbach gehalten
hat, lässt sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen; der Grund
dafür mag darin zu suchen sein, dass wie überall in
Schlesien, so auch in Reichenbach
der Übergang von der alten zur neuen Lehre sich in ruhiger, fast
unmerklicher Weise vollzogen hat. Hieraus allein erklärt es sich
wohl, dass die Breslauer Bischöfe noch längere Zeit
nach Einführung der neuen Lehre als die geistlichen Oberhirten
auch derer angesehen
und anerkannt wurden, welche sich der lutherischen Lehre zugewandt
hatten, während andererseits auch diese Bischöfe die dem
neuen
Glauben Anhängenden bis zum Konzil in Trient nicht
als Abgefallene, sondern noch immer als Angehörige der Kirche
betrachteten.
Um
das einfache Volk weiter nicht stutzig zu machen und ihm
den
Übergang zum neuen Glauben zu erleichtern, behielt man auch
vielfach alte katholische Bräuche und Vorschriften noch lange
Jahre hindurch bei; so wurde zum Beispiel in Reichenbach sogar
die Privatbeichte von den
Protestanten bis 1785 geübt, und man feierte die Marien-
und Apostelfeste, an denen das Volk besonders hing, bis 1754
und erklärte später wenigstens noch die Texte der
Marienfeste an den darauf folgenden Sonntagen.
Auch
in Reichenbach ist also anscheinend die neue Lehre allmählich
eingedrungen und hat mit der Zeit immer mehr Anhänger gewonnen,
ohne dass es dabei zu Unruhen und Kämpfen gekommen ist; nur eine
alte Nachricht widerspricht dieser Annahme, indem sie die in den
30-er Jahren angeblich durch Feuer erfolgte Zerstörung
der berühmten Bibliothek solchen Unruhen zuschreibt; Zoller
gibt aber auf Grund seiner
Quellen eine viel wahrscheinlichere Erklärung für das
Verschwinden dieser Büchersammlung; er sagt: „Nachdem die
Kirche in die Hände der
Lutheraner gekommen war, ist die Bibliothek vollständig zerstört
worden, nicht etwa — so viel steht fest — von Feinden, die es ja
in den Jahren 1537 bis 1620 in Schlesien nicht gegeben hat und
denen
in ihrer Beutegier das Papier sicher nicht wertvoll genug gewesen
wäre, sondern von jenen, deren Aufgabe es nunmehr war, für
die vorgenannte Bibliothek zu sorgen; diese hielten es für
erlaubt, aus der Büchersammlung nicht nur Bücher nach Hause
zu nehmen, sondern sie
auch Fremden zu geben; und so geschah es, dass diese Bücher von
ihrer Stelle genommen, unter fremde Leute zerstreut wurden und nicht
mehr zurückkamen“.
Zoller weist außerdem darauf hin, dass noch zu seiner
Zeit (1715-1742) alte Bücher der Bibliothek vorhanden
waren. Dieselben
wurden übrigens 1743 von dem Kommendator Baron v.
Breschin nach Heidelberg gebracht.
Eine
genauere Angabe, wann die Gemeinde Reichenbach den
evangelischen
Glauben annahm, ist, wie bereits erwähnt, nicht möglich; in
Schweidnitz wandte sich der dortige Stadtpfarrer Franz
Reusner, der 1530 starb, der neuen Lehre zu, in Nimptsch
wurde das Luthertum von dem Landesfürsten seit 1522
begünstigt, in Frankenstein der katholische Gottesdienst
von 1538 an förmlich abgeschafft, und so wird um dieselbe
Zeit, wohl gegen das Jahr 1530, auch Reichenbach dem
alten
Glauben den Rücken gekehrt haben. Für diese Annahme spricht
auch
der bereits erwähnte Verkauf des Augustinerklosters im
Jahre 1525;
ebenso teilt ein Teil der Pfarrchronik mit, dass 1537
sich fast die ganze Stadt zum lutherischen Glauben bekannt habe. Im
Jahre 1561 wird der erste verheiratete Stadtpfarrer in
Reichenbach genannt, und 1576 folgte der damalige
Kommendator von Reichenbach und Goldberg, Martinus
Ulthoma (Uthoma), dem
traurigen Beispiele so vieler seiner eidvergessenen Zeitgenossen,
fiel von der alten Kirche ab und ließ sich mit
einer gewissen Katharina Hoffmann durch den lutherischen
Pfarrer Johann Schilling am 21. Januar zu Jauer
kopulieren.
Welches
mögen nun die Gründe für diese schnelle Ausbreitung
des Luthertums in der Reichenbacher katholischen
Gemeinde gewesen sein? Zunächst ist es sehr wahrscheinlich, dass
Hussitische Lehren aus Böhmen
eingedrungen waren, sich vererbt hatten und so der Boden
für
die lutherischen Anschauungen geebnet wurde.
Dazu kam die nicht unbegründete Unzufriedenheit mit den
damaligen kirchlichen Zuständen, das Fehlen eines entschiedenen
Einschreitens gegen die Neuerung von seiten der Breslauer Bischöfe
und die Nachlässigkeit und Pflichtvergessenheit eines Teiles des
damaligen Klerus; so soll auch einer der damaligen Reichenbacher
Stadtpfarrer ruhig das Singen lutherischer Lieder beim Gottesdienst
geduldet haben, ohne dass er einen Versuch gemacht hätte,
dagegen einzuschreiten und der Gemeinde den alten Glauben zu
erhalten.
Weiter
war damals bereits eine geordnete, regelmäßige Seelsorge
erschwert und manchmal vielleicht unmöglich gemacht durch
öftere, rechtswidrige Eingriffe der Ordensgeistlichen an dem
Kloster und besonders der Propsteikirche in die Tätigkeit
der Stadtpfarrer; die Letzteren hatten anscheinend
auch mit großen Schwierigkeiten, vielleicht materieller Art, zu
kämpfen
und wechselten infolgedessen ziemlich oft; so resignierte 1504
der Pfarrer Vincenz Jauer und wurde am 20. November
durch den
vom damaligen Kommendator Beier präsentierten Johannes Mauerer
ersetzt; wie lange letzterer sein Amt verwaltet hat, ist unbekannt;
am 14. Januar 1519 wird durch den Kommendator Wolfgang
Semmer wiederum ein Pfarrer Jakobus investiert, der aber
bald sein Amt niederlegt und am 17. März 1520 in der
Person eines Nikolaus Hartwig seinen Nachfolger findet.
Dieser öftere Wechsel der Pfarrer war natürlich auch ein
bedeutsames Hindernis geordneter Seelsorge und infolgedessen ein
Grund für das schnelle Einreißen der neuen
Irrlehren in der von ihren Seelsorgern nicht genügend gerüsteten
katholischen Gemeinde.
Im
vierten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war sicherlich bereits
auch das Georgsgotteshaus in andersgläubigen Händen,
nachdem es fast 300 Jahre hindurch dem katholischen
Gottesdienste eine Stätte gewährt hatte. Der Zeitraum aber,
während dessen die evangelische Gemeinde die Kirche besaß,
ist für dieselbe von größter Bedeutung gewesen und
hat
ihr den letzten Ausbau und die Vollendung gebracht.
Auf
dem Augsburger Religionsfrieden (1555) war auch das
protestantische
Bekenntnis neben dem katholischen als erlaubt anerkannt worden und
den Protestanten die Zusicherung gegeben worden, dass jene
Kirchen, Stifter, Klöster und Kirchengüter, die zur Zeit
des Passauer Vertrages (1552) in ihren Händen
gewesen waren, ihnen verbleiben sollten. Auch die Reichenbacher
Protestanten glaubten nunmehr des endgültigen Besitzes der
Georgskirche sicher zu sein und begannen
nun noch in demselben Jahre 1555 die baulichen Verbesserungen
an dem Gotteshause. Nach den in der Pfarrchronik enthaltenen
Mitteilungen und der Darstellung Lutschs
fing man den Umbau der Kirche damit an, dass man in den Jahren
1555-1556 die Mauern des
Mittelschiffes erhöhte und nach dem Vorbild der Schweidnitzer
Pfarrkirche ein Gewölbe einzog; um dieselbe Zeit muss auch
der Westgiebel unter Benutzung der heute noch als älter
erkennbaren Mauern aufgebaut
worden sein. 1558 fügte man das heute noch vorhandene
Nordportal ein, welches in seinem Giebeldreieck in flacher
reliefartiger Darstellung das Lamm Gottes mit der Fahne und
zwei Delfine zeigt; es trägt auf seinem Fries die Zuschrift:
Verbum Domini manet in aeternum 1558. 1567 erfolgte die
Erhöhung des wohl s<on
im 15. Jahrhundert begonnenen Turmes, wobei derselbe zwei
Durchsichten erhielt. 1585 wurde durch den Meister Balthasar
Jentsch von
Liegnitz die sogenannte Vorkirche, das ist das äußere
Südschiff, und der „Schillerkohr“ (Schülerchor)
erbaut, jene Zuhörertribüne, welche auch heute noch unter
dem inneren Südschiff und dem Hauptchor an
der
Westseite der Kirche entlang läuft und gerade nicht zur
Verschönerung des Gottesshauses beiträgt, aber damals wohl
durch das Anwachsen der Bevölkerung notwendig wurde. Die
malerische Ausschmückung besorgte nach einer vorhandenen
Zuschrift Paul Juch 1586. Am 7.
Dezember 1588 wurde der Turmknopf aufgesetzt; darin barg man eine
lateinische Urkunde mit den Namen der Magistratspersonen von 1588,
des Erbauers und der Arbeiter, welche beim Turmbau besonders
beschäftigt waren. Der Turmknopf selbst war von Paul Legan,
Kanzler, Friedrich
Gesler, einem Schöppen, Gregor Titschert,
Kellerschenken und Niklas Recke, einem Bürger gekauft und
auf Kosten der Kirchväter vergoldet worden; 1590 deckte
man endlich den Turm mit Kupfer.
An
dem Turmbau waren beschäftigt gewesen der Zimmermann Hans
Riesner und der genannte Meister Jentsch; über
letztere führt Lutsch folgende Nachricht an: „Meister
Jentsch ... ist der fuhrnehmste Angeber dises Bawes ... gewesen,
nicht allein mit abreysen (aufreißen,
entwerfen), sondern
auch mit schölen (Verschalen
des Helmes) und was zu diesem
Baw
am notwendigsten gewesen, ein kunstreicher Tischler — trank auch
sehr gerne.“
Da
die alte Kanzel am 25. August 1607 von einem Blitzstrahl stark
beschädigt worden war, wurde 1609 ein neuer
„Predigtstuhl“, die noch heute vorhandene Kanzel, die an
ihrer Stiegenbrüstung mit kleinen
Statuen der 12 Apostel geschmückt ist, errichtet, ein
Geschenk der Witwe Barbara Redler. 1611 stellte man das
kleine Portal an der Südseite her, welches heute noch die
Einladung trägt: Venite ascendamus ad montem domini!
(Kommet, lasset uns zum Berge des Herrn hinansteigen!) 1612
wurde der kleine Turm, der aus der Mitte des hohen Kirchendaches
aufstrebt, erbaut, worin sich heute das Messglöcklein befindet,
das zur Frühmesse geläutet wird, 1616 die sogenannte
Seigerglocke gekauft. 1617 schloss man am 27. Juni
einen Kontrakt mit dem Glockengießer Jakob Götz aus
Breslau bezüglich Lieferung einer großen Glocke,
welche dann auch glücklich am 5. April 1618 aufgezogen
wurde. Diese Glocke, die bis zum Jahre 1904 ihrem Zwecke
diente, besaß einen Durchmesser von 141 cm, kostete 1350
Taler (schlesisch) und wog 36 Zentner, 5 Stein, war
mit einem schönen Ornament geschmückt und trug die
Inschrift (interessant infolge ihrer Ähnlichkeit mit dein Motto
des Schillerschen Liedes von der Glocke): sabbatha pango,
fulgura frango, funera plango, exelto lentos, dissipo ventos, placo
creventos. Jacob Götz goss
mich
1618.
(Den Sonntag festige ich, der Blitze Gewalt breche ich, die Toten
beklage ich, die Langsamen muntere ich auf, die Winde zerstreue ich,
die Blutgierigen /cruentos?/ beschwichtige ich).
Im
Jahre 1615 erhielt die Kirche, als Geschenk eines Schuhmachers
Kaspar Bärsdorff und seiner Frau Margarete, geb.
Reichwitz, einen neuen, kunstvollen Hochaltar, der am 19.
November von dem Pastor
Georg Faustus eingeweiht wurde.
Der ganze Altar, in Spätrenaissanceform, baut sich in 6
Geschossen auf, die sich bis zur Decke des 3. Geschosses
verbreitern und dann wieder nach oben zu sich verjüngen. Das
unterste Geschoss, leider ebenso wie das zweite von dem später
entstandenen, weniger schönen Barock-Altar verdeckt, enthält
3 nebeneinander liegende Reliefs von je 45 cm Breite,
welche in sorgfältiger Schnitzarbeit die Verkündigung
Mariä, die Geburt und die
Taufe Christi darstellen. Das 2. Geschoss enthält
ein Flachbild des hl. Abendmahles in einer Breite von 85 cm
und einer Höhe von 60 cm. Im 3. Geschoss befindet
sich eine ergreifende Darstellung der Kreuzigung Jesu; in der
Mitte ragt das Kreuz mit dem Erlöser empor, an seinen beiden
Seiten die Kreuze mit den Schächern, am Fuße des Kreuzes
stehen die frommen Frauen und das Kriegsvolk, während man im
Hintergrunde die Umrisse Jerusalems schaut. An den beiden
Seiten dieser Mitteltafel stehen auf einem flachen Untersatz je ein
Apostel, ungefähr 120 cm hoch und zwar links der hl.
Petrus mit
den Schlüsseln, rechts der hl. Paulus mit einem
aufgestützten Schwerte
in der Hand. An den beiden äußersten Enden dieses
Geschosses endlich sind 2
Wappentafeln angebracht, deren linke den österreichischen
Doppeladler zeigt, während auf der rechten der hl. Georg
mit dem Lindwurm vor einer Mauer abgebildet ist. Kleiner, das heißt
schmäler als diese Tafel, ist das 4. Geschoss mit einem
Bilde der Auferstehung Christi, eingefasst von 2
weiblichen, unbekannten Heiligenfiguren. Das 5. Stockwerk
endlich enthält die Himmelfahrt Christi, während das
6. und oberste als ursprünglicher Abschluss des Ganzen
das Relief der Ausgießung des hl. Geistes bietet. Die
Wolken mit Gott Vater und Gott Sohn, die heute das
ganze Werk krönen, sind erst später in der Barockzeit
hinzugefügt worden. Leider kommt dieser Altar, den man mit Recht
ein hervorragendes Kunstwerk nennen kann, heute nicht zur vollen
Geltung infolge des davor stehenden, weniger künstlerischen
Barockaltares, der den unteren Teil des älteren Altares ganz
verdeckt, und infolge
der ungünstigen Beleuchtung durch die seitlich angebrachten
schmalen Chorfenster.
Es
fehlt nicht an Versuchen einzelner Pfarrchronisten, die Entstehung
des eben beschriebenen Hochaltarwerkes in die katholische Zeit
zurückzudatieren; besonders stützt man sich auf die
Heiligenbilder des 3. und 4. Stockwerkes, welche auf
einen katholischen Ursprung hinweisen sollen; jedoch scheitern alle
diese Versuche an der Einstimmigkeit der andern Nachrichten, die über
den Bau des Hochaltares überliefert sind und ihn alle in das
Jahr 1615 legen.
Alle
diese baulichen Veränderungen des 16. und 17.
Jahrhunderts, die der Georgskirche zu ihrer heutigen Schönheit
verholfen haben, sollen zusammen über 13 412 Taler
(schlesisch) gekostet haben.
Erwähnenswert
sind aus diesem Zeitabschnitt noch einige in der Kirche enthaltene
Grabsteine; so ein Epitaph für den Maurer Melchior Friedrich
und seine Hausfrau (angefertigt 1589), ein Grabstein mit dem
Flachbilde des verstorbenen Patriziers Kaspar Redter †
1614, ein Epitaph aus Holz für Franziskus Titschert von
der Bielau zur Peilaw †
1563, seiner Hausfrau †
1585 und von Christoph Titschert, Bürger
und
Schneider zu Reichenbach †
1611, der dieses Denkmal setzen ließ.
Der
sogenannte Schleierstein, ein adliges Lehngut, das damals bei
der Stadtschule, nicht weit vom Komturhof stand und dessen
Besitzer oft Streitigkeiten mit Stadt und Kommendator gehabt hatten,
weil sie die Ausfahrt unter dem Schwibbogen der Kommendarie
und über den Kirchhof für sich beanspruchten, wurde am 15.
März 1624 zur
Erweiterung des Kirchhofes für 1500 Taler (schlesisch)
gekauft und vom 5. Oktober 1626 ab mit Zustimmung des
Magistrates abgerissen.
Nur
wurde dieser Platz nicht der ursprünglichen Absicht gemäß
zur Erweiterung des Kirchhofes verwandt, sondern von den späteren
Administratoren als Garten benutzt und durch eine Mauer vom Kirchhofe
abgesondert, obgleich dieser lange nicht mehr den Bedürfnissen
der Gemeinde entsprach — so, dass man gezwungen war, die Leichen
fast übereinander zu begraben.
Der
heutige Pfarrhof war ehedem Eigentum des lutherischen
Predigers Georg Faustus (†
1616) und wurde im Jahre 1617 dessen Erben zum Preise
von 1428 Talern (schlesisch) abgekauft, um als ständige
Wohnung des Stadtpfarrers zu dienen. Obgleich nun der Kommendator auf
dieses Gebäude samt dem damit verbundenen Grundstück nicht
den geringsten Anspruch hatte, übernahm man einfach bei Rückkehr
der Pfarrkirche in die Hände der Katholiken
zugleich auch den
Pfarrhof als Wohnung des nunmehr amtierenden katholischen
Geistlichen.
Im
Gegensatz zur Pfarrkirche hatte die Propsteikirche
unter den Wirren des Dreißjährigen Krieges zu
leiden; im Jahre 1633 ist sie vollständig zerstört
worden, nachdem die Geistlichen sie einige Zeit vorher verlassen
hatten; wem die Zerstörung der Kirche zuzuschreiben ist, lässt
sich
wohl kaum feststellen; ein Teil der Quellen legt sie den schwedischen
und sächsischen Truppen zur Schuld, bei deren Einfall am 27.
Mai alle
Vorstädte in Flammen aufgegangen sein sollen, ein anderer Teil
macht dafür die Truppen des kaiserlichen Generalwachtmeisters
Grafen v.
Schaffgotsch
verantwortlich, der sie angeblich zur besseren Verteidigung der Stadt
soll haben niederreißen lassen.
Dagegen
hat die Begräbniskirche von Seiten der Evangelischen
mannigfaltige
bauliche Verbesserungen erfahren. 1598 wurde das Kirchlein mit
ziemlich erheblichen Kostenaufwande renoviert, wobei zur Bedeckung
des Turmes 24 Zentner Blei verwandt worden sein sollen. 1605
kaufte die Stadt zur Erweiterung des an der Begräbniskirche
gelegenen Friedhofes mehrere Häuser und Grundstücke, die zu
dem
anliegenden adligen Burglehen gehörten, von dem damaligen
Besitzer desselben, Melchior v. Gellhorn, zum Preise von 1354
Talern (schlesisch).
Am 23. Oktober 1606 erfolgte dann die feierliche Einweihung
des Kirchleins durch den Pastor Georg Faustus zu Ehren der hl.
Dreifaltigkeit; eine später im Turmknopfe gefundene Urkunde
besagt darüber:
„Anno 1606. Ist diese Kirche aus Gottes Gnade und Fortpflanzung
des Glaubens erneuert, mit Hallen und Thoren erweitert, mit einem
Kirchhof umschränket und den 23ten October dieses Jahres mit
gebührenden Ceremonien und einer Predigt eingeweyhet und die
Kirche zur heiligen Dreyfaltigkeit genannt worden.“ Am 4.
November des
gleichen Jahres kaufte man von dem Rotgießer Hans Bamberger
aus
Schweidnitz zwei Glocken für das Türmchen zum Preise
von 114 Talern (schlesisch). 1627 endlich trug man das
schadhaft gewordene Türmchen ab und verwandte bei dieser
Reparatur noch anderweitig 140 Taler (schlesisch). 1635
kam dann dieses Kirchlein wieder endgültig in katholische Hände
zurück.
Bis
zum Beginn jenes unseligen Krieges, der 30 Jahre hindurch
die
Länder Deutschlands verwüstet hat, scheint in
Reichenbach die Glaubensneuerung keine größeren
Unruhen Hervorgerufen zu haben, zumal
die Zahl derer, die dem alten katholischen Glauben treu geblieben
waren, recht klein gewesen sein mag, wenn auch die Angabe, es habe im
Jahre 1629 nur drei Katholiken in Reichenbach
gegeben, wohl übertrieben ist. Anders wurde es mit dem Ende der
zwanziger Jahre
des 17. Jahrhunderts. Man begann nunmehr auf katholischer
Seite endlich den Kampf gegen die Neuerer mit mehr Entschiedenheit
und auch mit mehr Erfolg zu führen. 1627 verbot zunächst
der Fürstbischof Karl Ferdinand die communio sub
utraque specie, die Kommunion unter beiden Gestalten, und im
folgenden Jahr, im August, erließ der Apostolische
Nuntius in Wien den ausdrücklichen Befehl an den Breslauer
Fürstbischof, „ut usus calicis in hac dioecesi
aboleatur et
catholicis interdicatur“ („...dass der Gebrauch des Kelches
/für die Laien/ in dieser Diözese abgeschafft und den
Katholiken untersagt werde“).
Auch
die staatliche Gewalt griff nunmehr zugunsten des Katholizismus
kräftig ein. Bereits 1620 nach seinem bedeutsamen Siege
am Weißen
Berge bei Prag
hatte Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) den protestantischen
Kult u. a. auch in seinen schlesischen Erbfürstentümern
untersagt, wenn auch nur mit geringem Erfolge. 1629 erließ
er, um Gott für den Erfolg seiner Waffen gegen Christian v.
Dänemark und den Grafen v. Mansfeld zu danken, das
sogenannte Restitutionsedikt, gemäß welchem die
Protestanten jene Kirchen und kirchlichen Güter, die sie
den Katholiken genommen, wieder zurückgeben sollten, und nun
begann auch in Schlesien die sogenannte Gegenreformation ihren
Kampf gegen die Anhänger der neuen Lehre. Die Durchführung
dieser kirchlichen Reaktion in Schlesien leitete, von Paul
V. gesandt, der päpstliche Legat Caraffa, ein kluger
und energischer Mann; ihm zur Seite
standen der Kammerpräsident Graf Hannibal v. Dohna
zu Breslau und der im Jahre 1627 an Stelle des
Landeshauptmanns Kaspar v. Warnsdorff über die
Fürstentümer Schweidnitz-Jauer, zu denen auch
Reichenbach gehörte, gesetzte Freiherr Heinrich v.
Bibran.
Zur
energischen Nachhilfe bei diesen kirchlichen Reaktionsbestrebungen
berief man aus Böhmen das Regiment der Lichtensteinschen
Dragoner unter dem Obersten v. Goes, 3000 Mann
stark, und begann mit Hilfe derselben zunächst die Bewohner von
Glogau zum alten Glauben zu „bekehren“. Dieses
„Bekehrungswerk“ wurde fortgesetzt in den Fürstentümern
Sagan und Schweidnitz-Jauer, und so schickte auch nach
Reichenbach der Graf v. Dohna am 23. Januar 1629
den Befehl, die Stadt solle sich innerhalb 4 Stunden erklären,
ob sie von der lutherischen zur katholischen Religion übertreten
und ihre lutherischen Geistlichen fortschaffen wolle oder nicht.
In
der Schilderung dieser und der folgenden Vorgänge sei einem
Augenzeugen, dem Bürger Johannes Klettner, das Wort
verstattet, dessen Bericht bisher wohl noch nicht veröffentlicht
worden und der Chronik des Pfarrers Zoller entnommen
ist. „Anno 1629, war gleich der 23. Januar, ist eine
erschreckliche, un-Verhoffte Böse Zeitung ankommen zu Unß
nach Reichenbaeh Von der Schweidnitz dem Herrn Landes Haubtmann und
dem Herrn Von Dohnau, der damahls in der
Schweidnitz mit 6 Fähnlein Fuß Volckes gelegen, umd der
gantze Stadt
mit großem Vertrieb und Drangsaal zu der Römisch
Catholischen Lehr heftig gezwungen, Einen Courrierr zu Roße
abgefertiget und im Nahmen der Königl. Majestät unßere
treuen Lehrer und Prediger abgeschaffet,
daß Sie innerhalb 3 Stunden hinweg ziehen müßen,
hat
sich auch die gantze Stadt accomodiren müssen und wegen der
großen Krieges-pressur, die damahls in den benachbarten Städten
als Schweidnitz, Jauer, Striegau, Frankenstein und anderen mehr
geübet und Vollbracht worden, und alle zur Cathol. Religion
gezwungen, welches wohl ein elendes Erbarmliches weesen war“.
Eingefügt
sei hier die Bemerkung, dass nunmehr am 25. Januar die
Lichtensteiner in die Stadt einrückten und folgende
schriftliche Erklärung bezüglich des Religionswechsels von
der Bürgerschaft verlangten, die unter dem Druck der
Verhältnisse auch abgegeben wurde.
„Wir,
Bürgermeister, Rathmanne sammt Schöppen, Ältesten,
Geschworenen und ganzer Gemeine der Stadt Reichenbach Bekennen und
thun kund in Kraft dieses Öffentlichen, wo Noth gegen aller
Männiglichen, daß wir alle bis anhero eingeschlichene und
exerzirte Ketzereien, falsche Lehren und Irrthümer freiwillig,
ungezwungen und ungedungen abjuriret,
dieselben bei uns abgeschafft, und Beides aus unsern Herzen und
Kirchen verbannt und ausgereutet. Dagegen aber aus rechtem
Erkenntniß
der klaren unverfälschten Wahrheit die heilige,
alleinseligmachende katholische Religion angenommen haben. Weil wir
dann sämmtlichen solchen heiligen Glauben nicht allein mit Leib
und Ehr und Gut und Blut zu vertheidigen und Christlich und selig
dabei zu sterben höchlich begehren und wünschen thun,
sondern auch standhaft und fest darüber zu halten gemeinet, daß
Niemand, Er sey Wer oder Weß
Standes er wolle, von nun an bis zu ewigen Zeiten, weder in Unser
Mittel des Raths, noch in einige Zunft oder Zechen genommen, nach Ihm
das Bürgerrecht gegeben, oder sonst bei der Stadt geduldet
werden soll, Er sei denn der Katholischen römischen Religion
zugethan.
Als
ist an Ihr Königl. Majestät, Unsern gnädigsten König
und Herrn
unser unterthänigstes Flehentliches Bitten: es will
höchstgedachte Königl. Majestaet Uns bei Unserer
Christlichen Meinung nicht allein gnädigst defendiren, schüzen,
und allen denjenigen, so uns hierin perturbiren und verhinderlich zu
sein sich unterstehen würden, mit Gewalt steuern und wehren:
Sondern es wolle auch mehr höchstgedachte Kgl. Majestaet Uns
solche unterthänigste Bitten gnädigst confirmiren und
bestättigen.
Wie
wir nun solchen Unsers Christl. Bitten gnädigste Confirmation
höchlichen imploriren; als haben wir auch zu desto scheinbarer
Erkenntniß unsers angenommenen wahren und heiligen Glaubens,
Unser der Stadt großes Insiegel, auch aller Zunften und Zechen
gewöhnliche Petschaften
auf diesen Brief wissentlich also williglich aufgedruckt und
aufdrücken lassen:
So
geschehen Reichenbach, den 25. Januari 1629 Nicolaus Loge,
Burgemeister. Johann Gebauer, Neben-Burgemeister. Caspar Herrmann
Johann
Flegel. August Krause. Caspar Baersdorff. Johann Naese,
Notarins.
Martin Knobelsdorf, Stadtvoigt. Jeremias Kundt. Constant Topschel.
Paul Rirte. Melchior Trautmann, Schöppen).
Klettner
fährt dann in seinen Aufzeichnungen fort:
„Anno
1629, war der 5. Sonntag nach der heyl. Drey Königstag, sind
zwey Patres, wie man Sie nennet, all hero kommen,
davon der eine in der Kirche die erste Meß gehalten.
Auf
denselben Abend umb 6 Uhr sind 2 Jesuitten auch ankommen, auf dem
Morgen Von einem eine Meße gehalten, Von dem
anderen
eine Predigt auf der Kanzel zu Abend umb 3 Uhr wie denn die gantze
woche durch, auch alsballd in geheim die Zechen alle sambt
zu
Ihnen erfordern lassen, denselben abgelesen und expliciret der
Cathol. Religion Articul, Ihnen auch angemeldet an statt der Röm.
Kays. und Königl. Majestät auf dieselbe guttwillig
zutretten, auch alsbalde beichten, und das Hochwürdige Abendmahl
in einer Gestalt zu gebrauchen, welches zwar die Gemeinde gutwillig
nicht annehmen wollen, aber wegen der großen pressur des Kriegs
Volckes, welches in
den nahen Dörffern so derohalben zu diesem Ende aufgewartet, auß
Noth laßen geschehen, weil die Schweidnitzer, Striegauer und
Jaurer
dardurch Vertreibet worden, und gleichwohl zu der Cathol. Lehre
gezwungen seind, hat also in dießem Casu der Rat den anfang,
hernach ein Zech nach der andern zum communiciren machen, auch
zuletzt die Weibs Personen annehmen müßen die Cathol.
Religion und in einer gestalt das Abendmahl empfangen müßen.
Es hat wohl ein Diener auf der Seithe gestanden, und den Layen einen
Wein, wie sie es davor gehalten, auß einem Becher schenken
laßen
es war wohl einem jeden eine kümmerliche Sache an Seiner Seelen
Seeligkeit, doch durfte auch Niemand nichts sagen, und klagen — ich
auch beichten müßen den 7. Februar Anno 1629.
Den
12. Februar, war der Monntag nach Septuagesim, ist die Pfarrkirchen
allhier durch einen Weyhbischoff und etlichen Cathol. Priestern sambt
zweyen Jesuitten ihrem Gebrauch nach eingeweihet worden, auch die
Orgel geschlagen, und Trompethen geblasen. Gott helfe, daß es
gut sey.
Den
13. Februar ist ebenermaßen Von obgedachtem Weyhbischoff die
Kirche zur heyl. Dreyfaltigkeit Vor dem Schweidnitzischen Thor, auch
die Kirche zu St. Barbara Vor dem Frankensteinischen Thor eingeweyhet
worden, auch die Kirchhöfe mit ihren gewöhnlichen Cathol.
Ceremonien.
Die
Woche nach Sexagesimae hat das Frauen-Zimmer
auch beichten und communiciren müßen.
Den
ersten Donnerstag nach faßnacht ist Anordnung Von den
Jesuitten
oder zwey Patres, wie mann sie nennet, an die Zechmeister gethan
worden, Daß eine jede Zeche bei dießer Stadt zusammen
gehen müssen, und die Bücher in Herrn Adam Reibritz
Behausung den Herren Jesuitten abgeben und einräumen müßen.
Den
27. Martii, Dienstag nach Mariae Verkündigung, ist die Kirche
einem Cathol. Pfarrerm getreuet
und übergeben, wobei eine Predigt gethan, musiciret, Orgel und
Unßere Paucken geschlagen, auf daß Er allhier Predige und
die Gemeinde in seinem Ambte versehen solle“.
Bereits
beim Einrücken der Lichtensteiner hatten die
protestantischen Prediger Reichenbach verlassen müssen;
sie hatten sich das Verdienst erworben, Kirchenbücher für
die Reichenbacher Gemeinde einzuführen,
welche
nach ihrer Vertreibung mit Ausnahme der ersten Jahre von den
katholischen Geistlichen weitergeführt wurden, auch heute noch
selten gut erhalten sind und interessante Aufschlüsse über
die damalige Zeit geben.
Die Taufregister beginnen mit dem Jahre 1591, die
Sterbebücher mit 1594, die Trauungsbücher mit 1590.
Die erste Seite des zweiten Traubuches
enthält folgende Worte: Kirchenregister der Pfarrkirchen zu
Reichenbach. Inn welchem zu finden die nahmen der Eheleute, so
christlichen Kirchenordnung nach daselbst Im namen der heiligen
Dreyfaltigkeit Gottes des Vaters, Sohns und Heyligen Geistes,
Ehelichen und Öffentlichen inn der Kirchen vertrauet worden. Von
1614 an. Alls daselbst dem Heiligen Predigampt durch Gottes Gnade und
Krafft des Heiligen Geistes vorstunnden Herr Georgius Faust,
Pfarrherr, Herr
M. Johannes Scholtz, Diaconus. Und Kirchväter wahren Herr Kaspar
Pohl, Rathmann, Herr Valentinus Künner, Cankler und
Stadtschöppe, Herr Heinrich Eichhorn, Kürschner. Unter
Regierung Kaysers Matthia, auch zu Hungern und Behemb Königs
1614.
Mit
ähnlichen Worten beginnen die anderen Kirchenbücher.
Der
katholische Pfarrer, der, wie obiges Tagebuch bereits erwähnt,
nunmehr der Georgskirche gegeben wurde, hieß Johannes
Lucas;
er war vorher 2 Jahre in Köppernick und 6.5
Jahre in Neisse Kaplan
gewesen und hat übrigens in die Kirchenbücher keine
Eintragungen gemacht; da ihm die Neisser Gegend besser als die
hiesige gefiel, vertauschte er die Reichenbacher Pfarrei mit
der Pfarrei Rathmansdorf, und der dortige Pfarrer, namens Paul
Jung kam im Juli nach
Reichenbach; er beginnt seine Eintragungen im Taufbuche
mit den Worten: a. 1629 mense Julio Existente Parocho Reverendo
Domino
Paulo Jungio baptizati Sunt sequentes
(im Monat Juli 1629, als der hochwürdige Herr Paul Jung
Pfarrer war, sind folgende getauft worden). Da aber dieser Pfarrer
Paul Jung nach Ansicht des Landeshauptmannes, wie ein noch
handschriftlich vorhandener Brief desselben an den damaligen
Reichenbacher Kommendator, Johann Friedrich Freiherrn von Breiner,
mitteilt, „in den controversiis fidei wenig oder nichts
beschlagen sei“ und deshalb für Reichenbach nicht
passe, wurde er zur Resignation veranlasst und auf Wunsch der
Bürgerschaft am 13. Oktober 1629 Valentunis Richter, ein
Priester aus dem Breslauer Sandstift, als Pfarrer investiert.
Zur
Überwachung des Magistrates und der Bürgerschaft in
religiöser
Beziehung bestellte man, wie auch in anderen schlesischen Städten,
einen kaiserlichen Kommissar, einen sogenannten Königsrichter,
namens Adam Reiprich, der sich auch mit großem Eifer
seiner Aufgabe annahm. Taufen und Trauungen durften von jetzt an nur
in der
katholischen Kirche nah katholischem Ritus vollzogen werden; der
Besuch des protestantischen Gottesdienstes war bei strenger Strafe
untersagt, und um die Bürger auch von den protestantischen
Kirchen der Umgegend, welche die Katholiken noch nicht wieder
erhalten hatten, zurückzuhalten, wurden an den Sonntagen die
Stadttore geschlossen, und niemand durfte herausgelassen werden.
Natürlich
konnte bei dieser merkwürdigen Bekehrungsmethode und diesem
unerhörten Gewissenszwang der alte Glaube in den Herzen
der
Reichenbacher keine neuen Wurzeln schlagen, sondern vielmehr
wurde durch diese anhaltenden Bedrängnisse in ganz natürlicher
Weise die
Erbitterung gegen die Katholiken und die Abneigung gegen den
katholischen
Glauben immer mehr vergrößert, bis sie endlich zu einem
gewaltsamen Ausbruche kam. Eines Nachts ließ nämlich der
Königsrichter, der bereits genannte Adam Reiprich, eine
Anzahl von Bürgern, die er für lutherisch gesinnt hielt,
überfallen und schickte sie nach Schweidnitz ins
Gefängnis, woraus sie erst nach erfolgter Bekehrung entlassen
werden sollten. Die Erbitterung über diese Gewalttat wurde
schließlich
so groß, dass am 29. April 1630 die Schuhmacher
erklärten, ihre Arbeit niederlegen zu wollen, bis diese ihre
Mitbürger wieder die Freiheit erlangt hätten, und zugleich
drohten, sie würden die Stadt ganz verlassen, falls man sie noch
weiter mit Gewalt katholisch machen
wollte.
Bald darauf führten sie ihre Drohung tatsächlich aus und
ließen sich in Ernsdorf nieder. Als nun eines Tages der
Bruder des katholischen Stadtpfarrers nach Ernsdorf kam,
wurden ihm von den Erbitterten
„ohne winzige Ursach so muthwillig 3 Löcher in den Kopf
geschlagen, welches ziemlich viel gewesen“; er konnte sich nur
schwer verletzt in die Stadt retten, nachdem die Wütenden ihm
noch die Drohung zugerufen es würde bald seinem Bruder, dem
„Pfaffen“, genauso
gehen. Auf Grund dieses Vorfalles sandte der Landeshauptmann nun aus
Schweidnitz Truppen nach Reichenbach, die gegen die
Anführer einschritten und einen Teil derselben gefangen nahmen
und in das Schweidnitzer Gefängnis brachten. Außerdem
erging nochmals von
seiten des Landeshauptmannes die ausdrückliche Mahnung an die
Reichenbacher Bürger, dem Gebote des Kaisers zu folgen
und katholisch zu werden.
Bald
sollte sich aber die konfessionelle Lage der Bürger ganz und gar
ändern. Im Jahre 1632 drangen protestantische, sächsische
Truppen
siegreich in Schlesien ein, standen in kurzer Zeit vor Breslau
und
hausten übel auf der wehrlosen Dominsel, wo sie nicht
einmal die Heiligtümer schonten und auch der alten Dombibliothek
schlimme Verluste zufügten; im September endlich waren
die kaiserlichen Truppen vollständig bis in das Grenzgebirge des
Neißer Landes zurückgeworfen.
Als
man nun am 9. September 1632 frühmorgens die
Reichenbacher Stadttore öffnete, drangen unversehens 3
starke Abteilungen sächsischer Soldaten vom
Holsteinischen Regiment unter dem Befehl des Obristleutnants
von Oehnhausen in die Stadt und begannen, sie sofort zu
plündern. Mit ihnen vereinigte sich der Pöbel, ergriff den
Königsrichter, warf ihn in den Stock und marterten ihn auf
verschiedene Weise, außerdem auch zwei Ratsmitglieder, namens
Samuel Kinner und
Konstantin Topschell, die ihre andersgläubigen Mitbürger
des lutherischen Glaubens wegen zu häufigen Geldstrafen
verurteilt hatten.
Noch
schlimmer aber erging es dem damaligen katholischen Stadtpfarrer
Valentin Richter, den die Reichenbacher auf ihren
eigenen Wunsch als Seelsorger erhalten hatten. Während man 1629
bei der Einführung der Gegenreformation die
protestantischen Geistlichen nebst ihren Familien hatte ruhig
fortziehen lassen, fiel der fanatische Pöbel jetzt über den
unglücklichen Pfarrer her, schleppte ihn unter dem Gespött
und Gejohle der Soldaten und der Volksmenge mit bloßen Füßen
durch
die Stadt und misshandelte ihn so sehr, dass er nach einigen Tagen
starb. Als nun auch die von den Sachsen aus dem Schweidnitzer
Gefängnis befreiten Bürger heimkehrten und die Gemüter
der andern durch die Schilderung ihres dortigen Aufenthaltes
erregten, flammte die
Volkswut nochmals auf; man überfiel den Königsrichter und
ermordete ihn auf grausame Weise. Jetzt waren es die Katholiken,
die unter der Intoleranz ihrer andersgläubigen Mitbürger zu
leiden hatten; man erlaubte ihnen nicht einmal, ihre Verstorbenen,
obgleich es so wenige waren, auf den Friedhöfen zu bestatten,
„als ob sie nicht würdig wären, auf dem gewöhnlichen
Kirchhofe zwischen den Lutheranern zu liegen“. Auch ihr
Gotteshaus, die Georgskirche, wurde
ihnen
ebenso wie die Begräbniskirche wieder genommen und zum
evangelischen Gottesdienst benutzt; am 10. Dezember 1632 wurde
wieder die erste protestantische Predigt darinnen gehalten, und auch
der im Jahre
1629 vertriebene Pastor Hiller kehrte in sein früheres
Amt zurück. Die von den Protestanten angefangenen
Kirchenbücher, die in der Zeit von 1629-1632 allerdings
nur zum geringen Teil von den katholischen Geistlichen weitergeführt
wurden, gingen wieder in ihre Hände über, und so findet
sich heute noch am Beginn der nunmehr folgenden
protestantischen
Eintragungen im Begräbnisbuche die Bemerkung: institit
aliquot annorum causa est Papatus Tyrannis et dominium, quo
durante
nullum funus a Pontificil ministris in hac madtricula est notatum
(Grund für die Einstellung der Eintragungen während
mehrerer Jahre ist die Tyrannei und Herrschaft des Papsttums, während
deren Dauer kein Begräbnis von den päpstlichen Geistlichen
in dieser Matrikel aufgezeichnet worden ist). Darunter steht von
gegnerischer Hand geschrieben: si hic, qui Supra notata Scripait,
non fur et latro esget animarum, aliter gentiret (wenn der
Schreiber des Obigen nicht ein Dieb und Räuber der Seelen wäre,
würde er anders urteilen).
Schlimme
Zeiten brachte das Jahr 1633 den Reichenbachern. Am 2.
Februar erschienen plötzlich vor den Toren kaiserliche
Truppen unter
den Generalen Götz und Illow und forderten die
Übergabe der Stadt.
Da die Bürger aber mit Recht wegen der Ermordung des
Königsrichters Strafe fürchteten und auch von Schweidnitz
her Ersatz hoffen mochten, verbanden sie sich mit der sächsischen
Besatzung zu entschlossenem Widerstand. Aber noch in derselben Nacht
stürmten die Belagerer mit Erfolg, hieben die Sachsen bis
auf den letzten Mann nieder und plünderten am 3. Februar
die ganze Stadt. Am Tage darauf verkündigte General Götz
den Bürgern das Urteil für die Ermordung des Königsrichters
und des Pfarrers, sowie für den Landesverrat, den sie durch die
Verbindung mit den Feinden des Kaisers begangen:
Die Tore Reichenbachs sollten verbrannt, die Mauern
niedergerissen werden, außerdem sollte, falls man nicht im
Laufe des Tages eine Kontribution von 12 000 Talern aufbringe,
die ganze Stadt bis auf den Grund zerstört werden. Auch das
lutherische Bekenntnis wurde von den Kaiserlichen unterdrückt,
daher findet sich bezüglich der zwischen dem 4. Februar
und dem 2. März Gestorbenen im Begräbnisbuche
die Bemerkung: absque caeremoniis in occupatione urbis a militibus
caesareanis (scil Sepulti unt), cum captivum esget Ministerium
(diese wurden ohne Zeremonien, während die Stadt von
kaiserlichen Truppen besetzt war, begraben, da die Geistlichen
gefangen /d. h. wohl nur in der Ausübung ihres Amtes behindert/
waren).
Da
die oben genannte Summe von den ausgeplünderten Bürgern
nicht aufgebracht werden konnte, begann man tatsächlich mit dem
Abreißen der Stadt; glücklicherweise verhinderte aber doch
Ersatz, der unter Führung des Herzogs von Sachsen-Lauenburg
aus Schweidnitz heranrückte, das Zerstörungsswerk.
Man führte nun neue, stärkere Befestigungen auf und riss zu
diesem Zwecke auch einen Teil der Vorstädte nieder; bei dieser
Gelegenheit scheint damals auch die Propsteikirche
zerstört
worden zu sein, während allerdings andere Quellen die
Vernichtung dieses Gotteshauses den Kaiserlichen zuschreiben, die in
demselben Jahre noch unter dem kaiserlichen General Graf v.
Schaffgotsch die
Stadt wieder eroberten und mit 6 Kompanien belegten.
In
konfessioneller Beziehung wurde diesmal kein Druck auf die
Protestanten ausgeübt, vielleicht, weil eine furchtbare
Pest, die in der
Stadt wütete, alle solche Streitigkeiten vergessen ließ.
Das Begräbnisbuch redet von den Verheerungen dieser Pest
eine grauenvolle Sprache; allein im September sind 529
Sterbefälle aufgezeichnet, und
im
Anfange dieses Monates erreichte die Seuche eine solche Ausdehnung,
dass
„auf Anschaffung des Bürgermeisters ohne Unterscheidt der
Personen alle Leichen stillschweigend des Nachts hinausgebracht
wurden“, anscheinend um die Angst der Bürger durch den
Anblick der zahllosen Begräbnisse
nicht noch zu erhöhen. Nach Mitteilung des Begräbnisbuches
waren in Reichenbach 4000 Menschen Opfer der Pest des
Jahres 1633 geworden.
1634
kamen nochmals kaiserliche Truppen, und zwar Kroaten, in die
Stadt und plünderten diese so aus, dass nicht einmal die
Geräte
und Schätze der Kirchen verschont blieben.
Das
Jahr 1635 brachte die endgültige Regelung des Besitzes
der Georgskirche. Die Schweden waren bei Nördlingen
geschlagen worden; infolge dessen sah sich der sächsische
Kurfürst, mit dem sich die
Schlesier verbunden hatten, genötigt, sich von seinen
früheren Verbündeten, den Schweden, zu trennen und
mit dem siegreichen Kaiser Ferdinand II. Frieden zu schließen.
Das geschah auch am 30. Mai zu Prag. In diesem Frieden
versprach der Kaiser, „dass er den Schlesiern Verzeihung
gewähren wolle mit Ausschluss allein derjenigen seiner
Erbuntertanen, welche sich nachweislich in diesem Kriege gegen seine
Majestät hätten brauchen lassen .., wollte sich aber im
Übrigen ebenso
wie den katholischen Fürsten und Ständen für deren
Lande, so auch sich für seine Erbfürstentümer (es
waren dies die Fürstentümer
Glogau,
Sagan, Schweidnitz-Jauer, Münsterberg
und Breslau, dieses
mit Ausnahme der Landeshauptstadt) eine Änderung mit
der Religion vorbehalten, in welchem Falle denen, die sich nicht zum
Übertritte (scil. zum
Katholizismus) bequemen wollten, eine Frist von drei Jahren
zur Veräußerung ihrer Habe und Auswanderung freistehen
solle“.
Auch
für Reichenbach, welches zum Fürstentum
Schweidnitz-Jauer gehörte, hatte dieser Friedensschluss
die Folge, dass nunmehr der evangelische
Gottesdienst abgeschafft und der katholische wieder eingeführt
wurde.
Schon
1634, am 3. März, hatte Ferdinand II. eine
Verfügung an seinen Landeshauptmann in Jauer, den
Freiherrn von Bibran, erlassen, wonach derselbe „die
Prädikanten erst glimpflich zum gutswilligen Abzuge ermahnen,
des Widrigen falß sie aber mit gebührendem Gunst ab- und
ausschaffen“, dagegen wieder katholische Priester einsegen
solle. Am 6. August 1635 kam ein verschärfter Befehl an
Bibran, die Bestimmungen des Prager Friedens
auszuführen, und als derselbe beim
Kaiser wieder Einwendungen machte, erhielt er am 6. Oktober
die Nachricht, er solle „vorläufig dahin sehen, damit
gleichwohl inmittelst bey ein und anderer Pfarr biß auf
künfftige würcliche restitution die Seelsorg nit Leide,
sondern dieselbe, neben dem Heiligen Gottesdienst Zur Ehr deß
Allerhöchsten Und der Seelen Hail Berrichtet werde."
Durch
dieses Reskript veranlasst sandte der Landeshauptmann
nun
auch nach Reichenbach eine Kommission, welche die Rückgabe
der Georgskirche an die Katholiken und die
Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in die Wege
leiten sollte. An der Spitze dieser Kommission standen der Pfarrer
von Jauer, Christophorus Reinhold, und der kaiserliche
Amtskanzler von Schweidnitz und Jauer, Wilhelm
Heinrich
von Oberg;
sie erhielten eine Instruktion und einen von Bibran
eigenhändig
ausgestellten Legitimationsnachweis mit.
In
Reichenbach angekommen versammelte die Kommission Bürgerschaft
und Magistrat auf dem Rathause und trug ihnen den kaiserlichen
Befehl vor; da aber die Bürgerschaft, von den Predigern
aufgereizt, der Kommission unter tumultuarischen Auftritten den
Gehorsam verweigerte,
wandte sich dieselbe am Tage vor Allerheiligen an Bibran mit
der Bitte um weitere Verhaltungsmaßregeln und erhielt am 2.
November unter Beifügung einer Vollmacht zur Requirierung
Schweidnitzer Truppen den Auftrag zurück, der
widerspenstigen Bürgerschaft mit Zwangsmaßregeln zu
drohen. Diese Drohung wirkte, und nachdem man noch die Hauptschreier
eingesperrt hatte, mussten zunächst die Prediger die Stadt
verlassen; einer derselben, der Diaconus Titschhard, schrieb
noch vor seinem Weggange in das Taufbuch die
Bemerkung:
Et hie finit officii mei ratio ingruente pergecutione pontificll
gat repentina. Deus resistat furori hostinm ad nominis Sul gloriam et
largiatur Sanctis suis fidei constantiam. Amen. (Und hier endet
infolge einer ganz plötzlichen Verfolgung durch das Papsttum
meine Amtstätigkeit. Gott widerstehe dem Wüten der Feinde
zur Ehre seines Namens und verleihe seinen Heiligen Standhaftigkeit
im Glauben. Amen). Nach Vertreibung der Prediger wurden nun auch die
Kirchen den Katholiken zurückgegeben; darüber berichtet der
Pfarrer Reinhold, der eine der Kommissaren, an den
Landeshauptmann wie
folgt:
„Sodann
habe ich Vermöge der H. Catholischen Kirchen-Ordnung das
Gotteshauß oder Pfarrkirchen wiederumb reconcililert am Tage
deß H. Martini deß Bischofs, darauf Super altari S.
Mariae Magdalenae,
weisen das Hohe Altar Und etliche andere profaniret seyn, das Hohe
Aimbt gesungen, nach diesem Von mir eine Predig gehalten Undt das Te
Deum laudamus intonieret, Von der mugio, so gutt wie Sie haben können
continuiret, den Abend zuvor auch die
vesperae gesungen worden“.
Kurz
darauf wurde auf Bitten des Rates unter Vermittelung des Propstes von
Zobten der bisherige Pfarrer von Kaltenbrunn als
Pfarrer von Reichenbach investiert.
Dieser
wirkte aber nur wenige Wochen in seiner neuen Pfarrei; denn bereits
am 19. Dezember 1635 tritt Georg Robert Matthiades
(Mattiada) sein Amt als katholischer Seelsorger in Reichenbach
an. Er eröffnet seine Eintragungen im Taufbuch mit
folgender etwas schwülstiger Einleitung, die lateinisch
abgefasst ist, der Kürze wegen aber gleich in deutscher
Übersetzung mitgeteilt sei:
Im
1635. Jahre unseres Heiles, unter der Regierung unseres erhabenen
Kaisers Ferdinand II., als sein unbesiegbarer Nachfolger Ferdinand
III. als König von Ungarn und Böhmen glorreich regierte und
in seinen Fürstentümern Jauer und Schweidnitz reformierte
(das heißt zum Katholizismus), nach zweimaliger
vorhergegangener Vertreibung der Prediger Hiller und Titschard, da
die genannten Fürstentümer durch die Schweden, die Sachsen
und ihre eigenen Rebellen von Grund auf erschüttert worden sind,
nachdem alle Feinde (zum Glauben) zurückgekehrt sind, ist durch
den Hochwürdigsten und Erhabenen Herrn Dr. Johannes Lohr, des
Erlauchtesten und Hochwürdigsten Fürstbischofs
von
Breslau Herrn Karl Ferdinand, Prinzen von Polen und Schweden,
Generalvikar und Offizial als rechtmäßiger Pfarrer der
Pfarrei Reichenbach feierlich eingeführt worden Herr Georg
Robert Matthiades aus Strehlen.
Ähnliche,
aber kürzere Vermerke finden sich im Begräbnis- und
Trauungsbuche. Die erste Taufe nach katholischem Ritus fand
nunmehr am 30. November, das erste Begräbnis am 26.
Dezember, die erste
Trauung erst am 13. April 1636 statt. Wie gering übrigens
damals die Zahl der Einwohner Reichenbachs gewesen sein muss und wie
wenig Katholiken darunter waren, geht am besten aus dem
Begräbnisbuche hervor; während die Zahl der
Sterbefälle von 1623-1628 im Durchschnitt 397
betrug, hatten im Jahre 1633 Pest und
Kriegsnot
so gewütet, dass für die folgenden Jahre die Zahl der
Sterbefälle
sehr klein wird; so sind von den ...
55
Verstorbenen des Jahres 1636, 1 als Katholik,
27 als Häretiker)
62
— | | — —
| | — —
| | — 1637, 2 als
Katholiken,
32 — | | — — | | —
28
— | | — —
| | — —
| | — 1638, 0 als
Katholiken,
12 — | | — — | | —
52
— | | — —
| | — —
| | — 1639, 2 als
Katholiken,
30 — | | — — | | —
107
— | | — —
| | — —
| | — 1640, 3 als
Katholiken,
41 — | | — — | | —
...
im Begräbnisbuch verzeichnet. Aus der Zahl dieser
Sterbefälle darf man schließen, dass die katholische
Gemeinde damals höchstens gegen 80-100 Mitglieder gezählt
haben mag. Auch in den nächsten Jahren nahm die katholische
Gemeinde nicht bedeutend zu; fast niemand von
den
Protestanten kehrte zum alten Glauben zurück, niemand von
ihnen wandte sich bei den wenigen vorkommenden Amtshandlungen an den
katholischen Pfarrer, sondern lieber an die noch vorhandenen
evangelischen Landgeistlichen. Auch das Einschreiten des
Landeshauptmanns von
Glatz, Graf Annaberg, der am 1. April 1637 als
Kaiserlicher Bevollmächtigter nach Reichenbach kam, einen
katholischen Magistrat einsetzte,
den Besuch lutherischer Kirchen streng verbot und es untersagte, die
Kinder in unkatholische Schulen zu schicken, vermochte der
katholischen Gemeinde zu einer größeren Blüte nicht
zu verhelfen.
Am
25. April 1637 verließ Matthiades (Mattiada)
Reichenbach, um die Pfarrei Hirschberg zu übernehmen,
wo er bis zu seinem Tode viel Gutes gewirkt haben soll. Es folgte ihm
ein Pfarrer Johannes Antonius Tischer, den in Peterswaldau
untergebrachte schwedische Soldaten für einige Zeit vertrieben,
von dem aber sonst nichts bekannt ist.
Noch
einmal kamen lutherische Prädikanten nach Reichenbach,
als
1639 ein schwedisches Heer unter dem General Stahlhantsch
in Schlesien einfiel und es furchtbar verwüstete, und als
im Jahre 1642 Torstensohn
ein größeres schwedisches Heer nach Schlesien
führte. Am 11. November 1642 besetzte ein schwedischer
Major die Stadt und ließ durch einen lutherischen Feldprediger
auch Gottesdienst für die Bürger halten. Als dieser
Prädikant am 30. Dezember, wie der damalige Reichenbacher
katholische Pfarrer Pohl
im Taufbuche berichtet, eines „jähligen Todes“
starb, kam bald darauf „ein unverschämbter aufgeblasener
Seelenmörder, ein Prädikanty mit Nahmen
David
Nissenus"
in die Stadt. Die Erregung des Pfarrers, die sich in obigen Worten
Luft macht, wird begreiflich, wenn man von ihm
hört,
dass der Eindringling sich selbst als Stadtpfarrer betrachtete, vor
der Pfarrkirche Besitz nahm, darin Gottesdienst hielt und auch
die Kirchenbücher weiter führte. Aber bereits am 24.
Oktober 1643 musste Nissen beim Nahen eines kaiserlichen
Heeres fliehen, und der Pfarrer Pohl konnte in seiner
Herzensfreude in das Taufbuch schreiben: „Huc usque et
recte usque in hunc diem partim inclusum partim exelusum (quia eo
ipso die exerecitus Imperatoris nostri Clementisgimi Ferdinandi
tertii ad nos appulit)“ — Bis hierher und gerade
bis
zu diesem Tage teils einschließlich teils ausschließlich
(denn an eben diesem Tage zog das Heer unseres gütigsten Kaisers
Ferdinand III. heran) hatt die Krafft, die Macht und die
Herrlichkeit deß ... David Nisser allhier in Reichenbach
getauert“.
Nachdem Nisser entflohen war,
ist in der Georgskirche nie mehr protestantischer Gottesdienst
abgehalten worden.
Die
letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges brachten
für Reichenbach keine Änderung in konfessioneller
Beziehung; und als im Jahre 1648 endlich der lang ersehnte
Friede zustande kam, enthielt er für die Einwohner der
Erbfürstentümer, also auch für Reichenbach,
eine Bestätigung der Bestimmungen des Friedens zu Prag;
nur gestand der Kaiser, hauptsächlich auf schwedischen Druck
hin, zu, dass die protestantischen Einwohner dieser Fürstentümer
nun nicht mehr um ihres
Glanbenss willen zur Auswanderung gezwungen werden sollten, und dass
sie ihren Gottesdienst außerhalb der Grenzen besuchen und sogar
3 Kirchen für sich (bei Schweidnitz, Jauer und
Glogau) errichten durften.
Abfall
vom alten Glauben der Väter einerseits, Bedrückung und
gewaltsame Verfolgung der Anhänger der neuen Religion
andererseits, Charakterlosigkeit,
die ihren Glauben nach der Konfession, die gerade die Oberhand hat,
wechselt, fanatische Unduldsamkeit gegeneinander, Niedergang der
Sittlichkeit und des religiösen Lebens,
eine erschreckende Verrohung, das sind die Bilder, welche die
Geschichte dieser
Jahrzehnte wie in ganz Deutschland, so auch in Schlesien
und in
Reichenbach enthält. Wenn auch nach außen hin der
Katholizismus, geschirmt
von dem Arm des Kaisers, in Reichenbach als Sieger aus
dem Kampfe der Konfessionen hervorging, so waren doch die
intoleranten Grundsätze, nach denen damals die Kaiserliche
Regierung verfuhr, nicht
geeignet, die dem alten Glauben entfremdeten Gemüter wieder
für
denselben zu gewinnen, und es hat lange Jahre gedauert, bis die
Wunden einigermaßen geheilt waren, welche die Kirchenneuerung
der katholischen Gemeinde Reichenbach geschlagen hatte. Der
einzige Lichtblick
aus dieser traurigen Zeit für die Katholiken Reichenbachs
ist der Ausbau und die Ausschmückung ihrer altehrwürdigen
Georgskirche, die ihre heutige Größe und Höhe
jener Zeit verdankt, wo der katholische Glaube in Reichenbach
an so tiefen Wunden daniederlag.