środa, 22 października 2025

"Die Gluckhenne" → eine Sage von der Kynsburg (Waldenburger Bergland in Niederschlesien)

 

Die Gluckhenne


Vor Zeiten ließ in einem Zimmer der alten Burg sich zuweilen des Nachts eine schwarze Gluckhenne sehen, die aus dem Ofen des Zimmers, von goldgelben Küchlein begleitet, hervorkam. Der Burgherr hatte nie etwas davon gesehen, glaubte auch nicht an die Erscheinung, vermied es aber doch, jemanden in dem Zimmer übernachten zu lassen. Einst kam ein fremder Ritter zur Burg, als es schon dämmerte, und forderte für sich, seinen Knappen und zwei Rosse Nachtlager, und da er sich als Freund des Burgherrn auswies, indem er den Namen Hermann von Reichenbach nannte, wurde ihm das Tor sogleich geöffnet. Freundlicher Empfang und Bewirtung fehlte dem Ermüdeten nicht. Der Burgherr befahl dann, dem Fremden jenes Zimmer einzuräumen, das der Glaube der Diener für den Sitz eines gespenstischen Geistes erklärte. Nachdem die Herrschaft das Abendbrot genossen hatte, wurde dem fremden Gaste und seinem Knappen die Schlafstube angewiesen — zwei reinliche Betten standen einander gegenüber, dazwischen ein Tisch und zwei Stühle. Eine Lampe blieb auf dem Tische zur Nachtbeleuchtung stehen, als die Hausknappen die Fremden allein gelassen und erhellte nur matt das Zimmer. Ritter und Knappe eilten bald zur Ruhe, denn sie wollten am andern Morgen zeitig weiter reisen und schon mit Tagesanbruch ließ der Fremde dem Burgherrn melden, er sei gesonnen, abzureisen. Nur die dringende Bitte des Burgherrn, doch so lange zu weilen, bis das Morgenmahl bereitet wäre, konnte ihn von der augenblicklichen Abreise zurückhalten.

Als sich der Burgherr angekleidet hatte, rief man den Fremden zum Frühstück. Dieser trat mit etwas verstörtem Blick und von nächtlicher Unruhe abgespanntem Antlitz zu seinem Wirte. Dem Ritter von Kynsberg entging nicht die auffallende Veränderung seines Gastes und besorgt fragte er ihn, ob er auch gut geschlafen habe? Der Fremde zuckte mit den Achseln und erwiderte: „Nicht viel habe ich schlafen können". «Und wer wagte es, Euch zu stören?», rief der Burgherr mit einem erzürnten Blick auf die im Tafelzimmer versammelten Knappen. «Nicht Eure lebenden Hausgenossen», erwiderte der Fremde, «sondern eine andere geistige Gewalt. Hört meine Erlebnisse in dieser Nacht»:

Als wir, ich und mein Knappe, uns gestern Abend zur Ruhe begaben, war ich bald eingeschlummert und mochte wohl eine gute Stunde geschlafen haben, als ich plötzlich, ich weiß nicht wodurch, aufgeweckt wurde. Ausblickend sah ich, dass die Lampe noch gut brannte, die Turmuhr schlug eben elf. Ein kleines Geräusch zog meine Aufmerksamkeit auf sich, ich richtete mich im Bette empor und wendete meinen Blick auf die Stelle, wo das Geräusch herzukommen schien. In demselben Augenblick kam eine schwarze Gluckhenne unter dem Ofen hervor, begleitet von einigen Küchlein. Sie ging mit ihnen in die Mitte des Zimmers, gluckte und scharrte dort, sträubte sich dann, krächzte, als wenn ein Raubtier ihr nahe wäre und schlug mit den Flügeln so stark, dass die auf dem Tische stehende Lampe flackerte und zu erlöschen drohte. Darauf durchwandelte sie das ganze Zimmer und kam endlich auch vor mein Bett, dort flatterte sie hoch auf und die Lampe erlosch. Beim schwachen Schimmer des Mondes, der durch die Fenster schien, bemerkte ich, dass sie nach einer Weile wieder emporflatterte und dass zugleich die Lampe von neuem hell brannte. Darauf sich beruhigend, kehrte sie wieder um, pickte auf dem Fußboden, die Küchlein versammelten sich um sie her und hinter dem Ofen verschwand die Gluckhenne mit ihrer kleinen Brut. — Zweifelnd, ob ich ein wahres Ereignis gesehen, oder ob eine traumhafte Erscheinung mich getäuscht hätte, stand ich nach einer Weile, als ich mich vom ersten Schrecken erholt hatte, auf, nahm die Lampe und untersuchte den Ort, aber keine Spur eines Hühnernestes, keine Henne und keine Küchlein waren zu finden. Mein Knappe hatte nichts davon gehört und gesehen, denn er schlief so fest, dass ich ihn einige Male rufen musste, als ich aufgestanden war. Ein gespenstisches Grauen hatte mich ergriffen und wenn auch alles in dem übrigen Teile der Nacht stille blieb, konnte ich doch keine Ruhe erlangen und so unbedeutend auch die ganze Erscheinung war, so schien meinem Gefühle nach doch etwas Grausenerregendes dahinter verborgen. So stehe ich früher vor Euch zur Reise gerüstet, als ich erst gewollt: Lebt wohl, habt Dank für Aufnahme und Bewirtung und gedenkt nicht weiter der Geisterseherei eines Fremden!"

Der Ritter reiste ab und man ließ ihn in Frieden ziehen. Aber lauter wurde auf der Burg das Gespräch von der Henne und ihren Küchlein: Alle Knappen erzählten von dem, was sie schon früher gehört. Länger konnte nun auch der Burgherr an dem nicht mehr zweifeln, was er dem Hausgesinde vorher nicht hatte glauben wollen und was nun ein Fremder ihm bestätigt hatte. Auch der Burgkaplan selbst meinte, es sei ein Gott wohlgefälliges Werk, zu untersuchen, was solch wunderbare Anzeichen bedeuteten. Da befahl der Burgherr, den Ofen wegzureißen. Als dies geschehen, fand man unter ihm ein etwas erhabenes Gediele — nach Entfernung desselben entdeckte man ein Kästchen, welches die Gerippe zweier kleiner, längst schon verwester Kinder enthielt.

Der Geistliche holte sich Rat in seinem Kloster, dem nahen Grüssau, und der Abt befahl, diese Überreste mit stiller Feierlichkeit in geweihtem Boden beizusetzen. Wer sie unter den Ofen gebracht, nachdem wahrscheinlich eine Gräueltat verübt worden war, ist nie ermittelt worden; keine Vermutung leitete darauf und die Tat muss sehr geheimnisvoll vollbracht worden sein. Die Gluckhenne, die man wohl für die unglückliche Mutter der früh gemordeten Kindlein, die sie als goldgelbe Küchlein begleiteten, halten könnte, hat sich nachher nie wieder sehen lassen.



Quelle --->


W. Reimann "Geschichte und Sagen der Burgen
und Städte im Kreise Waldenburg"
(1882/1908), Seiten 77/78



Texterkennung und Anpassung
an neue Rechtschreibregeln --->


Marcin Perliński (2025)

 

 

PDF-Version

 

Die Kynsburg / Zamek Grodno

 

 

 

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