piątek, 4 lipca 2025

Reichenbach im Eulengebirge → eine Wanderung durch die Stadt (nach Erich Hasse, 1930)

Eine Wanderung durch die Stadt

Jede Stadt hat zwei Gesichter, ein äußeres und ein inneres. Reichenbachs äußeres Antlitz spiegelt sich in den eindrucksvollen Ansichten wieder, welche die Eulengebirgshauptstadt von den Bergen her gewährt, sei es nun aus der Ferne vom Kamm der Eulenberge, vom Zobten und Költschen, oder sei es aus der Nähe von der Eisenbahnstrecke Königszelt — Kamenz. Deutlich prägt sich dem Fremden das Bild der Stadt ein. Über den Kranz der neuzeitlichen Vorstädte mit den gewaltigen Schloten ausgedehnter Fabrikanlagen erhebt sich der markante Umriss der alten Oberstadt mit ihren drei Türmen und dem Giebelwerk der Häuser.

Anders ist es mit dem inneren Antlitz Reichenbachs. Das lernen wir nur auf einer Wanderung durch die Stadt selbst richtig kennen. Zu einer solchen Wanderung — sie dauert kaum länger als zwei oder drei Stunden — lädt die vorliegende Abhandlung ein. Und es soll keine Vermessenheit sein, wenn vorweg versprochen wird, dass die Mühe einer solchen Besichtigung jedem gelohnt sein wird, der mit liebevoller Vertiefung in das Wesen und das Werden Reichenbachs dieser Führung folgt.

Wir nehmen, wie es für auswärtige Besucher zweckmäßig erscheint, zum Ausgangspunkt und Ende unserer Wanderung den Staatsbahnhof. Vor seinem Portal grüßt uns eine schmucke Grünanlage am Bahnhofsplatz. Wir lassen sie zur Linken liegen und nehmen unseren Weg durch die Neue Bahnhofstraße


 

Schon nach wenigen Schritten werden wir unwillkürlich Halt machen. Ein mächtiges Gebäude zur Rechten erweckt unser Interesse. „Stadtbad“ steht es bescheiden über seinem säulengeschmückten Portal. Es ist das neueste Hallenschwimmbad Ostdeutschlands und wegen seiner sportgerechten Einrichtung und Ausmaße eine bevorzugte Stätte für schwimmsportliche Veranstaltungen geworden. Dort finden wir auch ein Sonnendach und jede gewünschte Art von Heil- und Dampfbädern, ferner eine reichhaltige Lesehalle und eine anheimelnd eingerichtete Gaststätte. Von hier führt uns der Weg weiter bis zur neuen Peilebrücke.

Vor dieser zur Linken erhebt sich das an Großstadtbauten gemahnende Hotel „Kaiserhof“. Über die Brücke hinweg gelangen wir an eine Straßenkreuzung. Den Anstieg über die steil vor uns aufsteigende Poststraße vermeidend, biegen wir rechts in die Trenkstraße (Tränkstraße) ein und erreichen auf ihren sanft geschwungenen Kurven ohne Anstrengung die Höhe, auf der einst deutsche Kolonisten die heutige Innenstadt erbauten. Am Ende der Krümmungen, dort, wo die Straße in gerader Richtung auf den Ring führt, halten wir inne. Rechts das Haus Pulverweg Nr. 1 zeigt eine Gedenktafel. Hier wohnte 1813 der Staatsminister Freiherr vom Stein. Hier liefen die Fäden der großen Bündnisse zusammen, die zum Sturz Napoleons I. führten. Nun betreten wir die alte Innenstadt auf der Trenkstraße (Tränkstraße) und stehen an ihrem Ende auf dem Marktplatz.

Weit und übersichtlich dehnt sich der Reichenbacher Ring vor uns aus, wegen seiner vorbildlichen Anlage und vorzüglichen Pflasterung mit Recht weithin bekannt. Sein Mittelpunkt ist das stattliche, in schlichten Zweckmäßigkeitsformen erhaltene Rathaus. Es wurde 1873 an Stelle des im 13. Jahrhundert errichteten alten Stadthauses erbaut. Fest und wuchtig überragt der alte, viereckige Rathausturm den Markt. Wir wenden uns nach rechts, vorbei an dem Eckhaus, das die Kreisverwaltung beherbergt. Neben ihm und dem Rathaus gegenüber liegt das „Ring-Café“. Wer alte Reichenbacher Bekannte sucht, wird sie dort häufig finden können. Ein Stück weiter, an der östlichen Ringfront, zieht ein hohes Gebäude mit der Aufschrift „Tageblatt“ unsere Aufmerksamkeit an. In diesem Hause (Ring Nr. 19) wohnten einst die Freiheitsdichter Körner und Schenkendorf und der sprachgewaltige Ernst Moritz Arndt beieinander. Von da wendet sich unser Weg nochmals nach rechts, in die schmale Kirchstraße hinein. Bald stehen wir vor dem hohen, ehrwürdigen Bau der katholischen Stadtpfarrkirche. Sie ist das älteste Wahrzeichen Reichenbachs. Vor ihrem nördlichen Portal hält das Steinbildnis des Drachentöters St. Georg Wacht, der auch das Sinnbild des Stadtwappens ist. Links, an dem Gotteshaus entlang, betreten wir die Friedrichstraße.

Das Haus Nr. 1 beherbergt die „Rummler-Beiler-Stiftung“ für katholische Waisenkinder. Hier wenden wir uns nochmals nach links und beschreiten nun das holprige Pflaster der noch mittelalterlich anmutenden Rudelsgasse. An ihrem Ende gelangen wir durch die Frankensteiner Straße wieder auf den Marktplatz, auf dem wir unseren Rundgang fortsetzen. Im Ringhaus zur rechten Hand ist der Sitz der Deutschen Bank. In seinen Räumen befindet sich auch das Büro des Verkehrsamts Eulengebirge, dessen Direktor Gerh. Schmidt zur Zeit ehrenamtlicher Geschäftsführer des Verkehrsamts ist. Auf der Nordseite des Ringes grüßen uns mehrere alte Steinportale, so an den Häusern Ring Nr. 51 und 56, ferner am Hotel „Zur goldenen Krone“


Die sehenswerten Torbogen stammen aus der Blütezeit Reichenbachs im späten Mittelalter. Bevor wir den Ring durch die Schweidnitzer Straße verlassen, gilt eine kurze Betrachtung den beiden dort einander gegenüberstehenden Gebäuden. Beide waren früher Gasthöfe. Das Ringhaus Nr. 40 zur Rechten wurde von 1816 bis 1820 Sitz der Gebirgsregierung, das Haus Nr. 39 zur Linken weist an der Hausecke noch den schwarzen friderizianischen Adler auf, nach dem es früher benannt war. Heute befindet sich das Finanzamt darin.

Nun schreiten wir die verkehrsreiche Schweidnitzer Straße entlang, geradewegs auf das säulengeschmückte Portal der evangelischen Kirche zu, deren schlanker Turm steil vor uns himmelan ragt. Langhans, der Erbauer des Brandenburger Tores, gab auch zu diesem Gotteshaus seine Ideen. Unser Weg führt uns vor dem Turm rechtsab durch die Töpferstraße zum Klosterplatz. Das Klostergebäude selbst dient heute als Feuerwehrdepot, aber erhalten ist noch das daran angelehnte Kirchlein der Augustinermönche mit einer kunstvollen Kanzel aus dem Mittelalter. Von hier geleitet uns die schmale Quergasse zur Breslauer Straße, und auf dieser gelangen wir zur Stadtpromenade. Sie führt rings um Alt-Reichenbach längs der alten, noch erhaltenen Mauern auf den Schanzen herum, die im Dreißigjährigen Kriege durch die Schweden angelegt wurden. Gleich zur Rechten grüßt uns auf der Grünanlage das Standbild Martin Luthers, ein Werk des Bildhauers Schulz. Den Hammer in der Rechten, das Pergament mit den Thesen in der Linken, schreitet der Reformator der Kirche mit machtvollen Schritten zu. Wir folgen der Promenade in der gleichen Richtung, vorbei an einem zierlichen Springbrunnen. Vieles gibt es auf diesem kurzen Wegstück zu sehen. Rechts auf der alten Totenschanze steht das Kriegerdenkmal für die Gefallenen von 1813/14.

 


Daneben liegt der idyllische Sadebeck-Friedhof mit dem kupfergezierten Grabmal seines Stifters. Hieran schließt sich ein von hohen Bäumen bestandener Weg. Links, dem alten katholischen Friedhof gegenüber, erhebt sich die neue Evangelische Volksschule I, ein Stück weiter liegt inmitten hoher Laubwipfel das katholische Begräbniskirchlein. Damit sind wir auf den äußeren Teil der Schweidnitzer Straße gelangt. An dieser, unmittelbar neben dem Kirchlein, steht das Standbild des St. Nepomuk, das früher auf dem Ringe seinen Platz hatte.

Nun können wir, wenn uns genügend Zeit zu Gebote steht, einen lohnenden Abstecher in die Reichenbacher Niederstadt, das 1890 eingemeindete Ernsdorf, unternehmen. Links und rechts grüßen uns auf der alleeartigen, breiten Schweidnitzer Straße anmutige Villen und moderne Mietshäuser. Zur Linken, inmitten eines geräumigen Gartens, erhebt sich im Grundstück Schweidnitzer Straße Nr. 28 das Frägersche Waisenhaus, eine hochherzige Stiftung eines früheren Reichenbacher Bürgers. Wir schreiten weiter und biegen bei der Weberei der Firma Cohn Gebrüder nach links in die Sadebeckstraße ein. Hier liegen die Neusiedlungen der Nachkriegszeit, durchweg freundliche, nach einheitlichem Plan errichtete Wohnbauten. Am Ende der Straße führt uns ein Wiesenweg nach rechts, längs der Peile, bis in die alte Niederstadt mit ihren zahl- und regellosen Gässchen. Wir müssen uns am Gasthof „Zur neuen Welt“ auf der dort vorbeiführenden Neudorfer Straße nach rechts halten. So gelangen wir bis zum Neubau der katholischen Kirche in der Niederstadt. Von da treten wir den Rückweg um den Häuserblock der Weberei von Weyl & Nassau durch die Schweidnitzer Straße an und schwenken erst oben an der Frägerstraße ein kurzes Stück nach rechts ab. Vorbei an der Reichsbank (Haus Nr. 1) passieren wir das hochgelegene städtische Oberlyzeum und biegen kürz hinter ihm nach rechts.

Vor uns liegt der Neubau der vereinigten Landwirschafts- und Gewerbeschule, seitlich durch zwei Wohnhäuserblöcke begrenzt. Formen und Farbengebung dieser Gebäude lassen unschwer die Eigenheiten neuesten Baustils erkennen.

Unser Weg führt uns nun auf die Schweidnitzer Straße zurück. Wir verlassen sie bald auf der Feldstraße, an der die freundlichen Pastorenhäuser und das Kaufmännische Vereinshaus liegen. Damit sind wir am städtischen Sportplatz angelangt, an dessen Eingang sich das Jugendheim mit dem sehenswerten Heimatmuseum befindet. Dem Sportplatz gegenüber erhebt sich über dem Heldenfriedhof das wuchtige Ehrenmal für die Gefallenen des Weltkriegs. Wir kehren von hier durch die Breslauer Straße in die Stadt zurück und schlagen am Luther-Denkmal den Weg durch die Promenade nach links ein. Er führt uns am Staatlichen Realgymmasium, der „König-Wilhelms-Schule“, vorbei und durch einen Seitenweg bis zum Johanniter-Krankenhaus an der Güttmannsdorfer Straße. Auf dieser zurückschreitend berühren wir die Frankensteiner Straße und werfen einen Blick auf die breite Front des Amtsgerichts, um sodann wieder zur Promenade zurückzukehren, in die wir in Richtung nach links einschwenken. Treppenstufen geleiten zum Pulverweg hinab. Ein kurzer Gang nach der Beutlergasse zeigt uns das neue St. Josef-Stift und ein weiterer durch die Langenbielauer Straße und durch die Gansau die mächtigen Fabrikanlagen der Hilbertmühle und der Rosenbergerschen Spinnerei. Auf die Promenade zurückgelangt, kreuzen wir die eingangs erwähnte Trenkstraße (Tränkstraße) und müssen an der Synagoge einen Stufenaufgang erklimmen, um auf die „Hohe Schanze“ zu kommen.


Doch ehe wir uns dort niederlassen, besichtigen wir zuvor noch die beiden prächtigen Portale, die in dem Gange zwischen Stadtmauer und Schanze Aufstellung gefunden haben. Das eine ist bemerkenswert durch den in den Torbogen eingearbeiteten Zapfen, das andere zeigt das Stadtwappen. Und nun der Blick von der „Hohen Schanze“. Malerisch liegt das Eulengebirge vor uns, jede Einzelheit ist bei gutem Wetter klar zu erkennen. Schon der Alte Fritz bezeichnete diesen Punkt als eine der schönsten Aussichten Schlesiens. Doch wir müssen weiter! Am Kriegerdenkmal von 1870/71 vorbei gelangen wir auf die Poststraße mit dem Postamt zur Linken. Steil führt uns der Weg hinab. Unten rechts macht uns ein seltsam geformtes Gebäude stutzen; die „Schauburg“, ein modernes Lichtspieltheater. Fast sind wir am Ende unserer Wanderung. Haben wir noch ein wenig Zeit, so statten wir dem an der Straßenkreuzung liegenden Café „Monopol“ einen Besuch ab. Oder wir scheuen einen kleinen Umweg nicht, der uns durch die Bahnhofstraße (nicht zu verwechseln mit der „Neuen“ Bahnhofstraße!), über die Peilebrücke und den Staatsbahnübergang zum Eulengebirgsbahnhof führt. Hinter ihm liegt zur Rechten die „Gaszentrale unter der Eule“ mit dem zugehörigen Elektrizitätswerk und zur Linken die Rosshaarweberei von Vogt, die größte ihrer Art in Schlesien. In diesem Viertel befindet sich auch das neue Arbeitsamt — für die Kreise Reichenbach und Frankenstein. Der Rückweg bringt uns rechts hinter den Eisenbahngleisen auf einer kurzen, schattigen Promenade wieder zum Staatsbahnhof, wenn wir nicht schon vom Café „Monopol“ den geraden Weg dorthin gewählt haben.

Zu knapp ist der Raum, alle hier aufgezählten Sehenswürdigkeiten eingehender zu schildern. Wer aber offenen Auges und mit liebevoller Vertiefung in das Gesehene sich dieser Führung anvertraute, dem erschließen sich Wesen und Bedeutung all dieser Einzelheiten ohne große Mühe. Sie formen sich ihm zu einem sinnvollen Ganzen: dem Bilde einer alten, historisch reichen Stadt, die mit ihrer Geschichte von Jahrhundert zu Jahrhundert erwuchs zu einer Stätte deutschen Bürgerfleißes, deutscher Sauberkeit und sozialer Werke der Fürsorge und des Gemeinsinns.

 



Quelle: Erich Hasse "Wir besuchen Reichenbach (Eulengebirge)",
Breslau/Schweidnitz 1930, Seiten 35 ... 59

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2025)

 

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