środa, 8 stycznia 2025

Erich Hasse → "Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge" (1929) → Teil 5 von 16 → "Reichenbachs Schicksale im Dreißigjährigen Kriege"

 
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5. Abschnitt

Reichenbachs Schicksale im Dreißigjährigen Kriege

Der Fenstersturz zu Prag am 23. Oktober 1618 bedeutete den Ausbruch des offenen Kampfes der protestantischen Einwohnerschaft Böhmens gegen die im Sinne des katholischen Landesherrn und gleichzeitigen Kaisers Matthias wirkenden Statthalter. Aus den Folgen dieser Gewalttat entstand der Dreißigjährige Krieg. Das zu Böhmen gehörige Schlesien schloss sich dem mit dem Fenstersturz beginnenden Aufstand gegen den Landesherrn zunächst nicht offen an, aber die in der Mehrzahl protestantische Bevölkerung sympathisierte unzweifelhaft mit den Glaubensbrüdern jenseits der Sudeten. In dem Augenblick, als der Thronfolger den alternden Kaiser dazu bestimmte, gegen seine Untertanen mit Waffengewalt vorzugehen, traten auch die Schlesier offen auf die Seite der Böhmen und sandten ihnen ein Hilfsheer von 1000 Reitern und 2000 Fußsoldaten unter dem Herzog Johann Georg von Jägerndorf. Mit den anderen schlesischen Städten stellte auch Reichenbach hierzu Bewaffnete aus der Zahl seiner Einwohner. Eine allzu große Lust, die Sicherheit friedlichen Handwerks mit den Gefahren des Kriegsdienstes zu vertauschen, scheint jedoch unter der Reichenbacher Bürgerschaft nicht vorhanden gewesen zu sein, denn wiederholt wird berichtet, dass die ausgemusterten Bürger für ihr Geld Ersatzmänner stellten, Leute, die weder Haus noch Hof zu verlieren hatten und die Abenteuerlust dazu trieb, sich dem rauen Kriegshandwerk zu widmen. Während also die Böhmen aus Überzeugung mit Gut und Blut für die Sache ihres Landes und Glaubens eintreten, waren die Schlesier unentschlossen und weniger opferbereit. Dieses Verhalten war erklärlich, denn noch waren die Lebensinteressen Schlesiens von den kriegerischen Vorgängen in Böhmen nicht unmittelbar bedroht. Und doch sollte, wie die Geschichte immer wieder lehrt, gerade diese zwiespältige unentschlossene Haltung den Schlesiern im Verlauf der weiteren Entwicklung zum Schaden gereichen.

Vorerst blieb Reichenbach von den Kampfhandlungen unberührt. Kaiser Matthias war im Frühjahr 1619 gestorben und im August wurde sein Sohn Ferdinand II. zum deutschen Kaiser gewählt. In der Stadt verlief das Leben zunächst in gewohnten Gleisen. Bemerkenswert aus dieser Zeit ist die Tatsache, dass neben der durch ein streng gegliedertes Zunftwesen zur Blüte gelangten Weberei dieses Handwerk in ständig steigendem Umfange aus den umliegenden Dörfern von Leuten ausgeübt wurde, die weder Zunftmitglieder waren, noch die durch die Zunftordnung vorgeschriebene  Ausbildung genossen hatten. Die Ursachen hierfür sind verschieden. Die heimische Weberei war seit Langem auf Ausfuhr eingestellt und stellte mehr Waren her, als es dem Bedarf der nächsten Umgebung entsprach. Das dadurch vorhandene Überangebot forderte zum wirtschaftlichen Wettbewerb gewissermaßen heraus. Der Leinwandweber auf dem Dorfe hatte früher nur für den Hausbedarf und für die Herrschaft, deren Leibeigener er nach damaligen Recht war, die erforderlichen Webwaren angefertigt. Seine Arbeit war im Verhältnis zu der zunftmäßigen Herstellung billiger, weil diese mit Abgaben und Nebenkosten mannigfacher Art verbunden war. Der Käufer aber gab naturgemäß der billigeren Ware den Vorzug, wenn diese in ihrer Beschaffenheit einer anderen, wesentlich teureren, einigermaßen die Waage hielt. So kam es, dass die Erzeugnisse der ländlichem nicht zunftmäßigen Weber bald ein Gegenstand des freien Handels wurden. Damit begann auf diesem für Reichenbach wichtigen wirtschaftlichen Gebiet der Kampf der Zünfte gegen die gefährliche Konkurrenz der Freiweber. Dieser Kampf nahm bald ein großes Ausmaß an, denn hinter den Freiwebern standen die Gutsherrschaften, weil für sie der Absatz der von ihren Leibeigenen hergestellten Ware ein erträgliches Geschäft bildete. Die Zünfte schlossen sich zusammen. In einem Bittgesuch wandten sich die Schweidnitzer und Reichenbacher Züchner am 3. Dezember 1619 gemeinsam an den Kaiser und gleichzeitigen Landesherrn. Sie führten darin aus, dass sie mit weit über 500 Meistern die stärkste Zunft ihrer Art in weitem Umkreis wären, aber auf dem Lande seien „zu viel tausend Pfuscher und Störer, und wenn in der Zunft ein Meister auf zwei Stühlen arbeite, so habe der Pfuscher deren vier“. In einem in den Jahren 1545 und 1546 abgeschlossenen Vertrage hätten zwar die Zünfte zugestimmt, dass ganze Ortschaften das Recht erhielten, innerhalb der Stadtmeile Leinweber zu beschäftigen, aber die Zünfte hätten damals keine Ahnung von der Entwicklungsmöglichkeit der Webwarenherstellung besessen und bei dieser Zustimmung nur die Arbeit der ländlichen Leinwandweber für den Bedarf der Herrschaft und der Dorfbewohner im Sinne gehabt. Diese Einwände kamen jetzt freilich zu spät. Die Landesverwaltung hatte bei dem Eintritt in den großen Krieg auch wenig Zeit, in diesen wirtschaftlichen Kampf bestimmend einzugreifen, und die Freiweber waren nicht gewillt, die errungene neue Erwerbstätigkeit freiwillig preiszugeben. So entbrannte inmitten der Wirren, die der langwierige, furchtbare Krieg brachte, auch noch ein Wirtschaftskampf der Erwerbstätigen untereinander. Maßregeln, die bei Eintritt ruhiger Friedenszeiten auf das ständige Drängen der Zünfte unternommen wurden, kamen zu spät, wie die Geschichte der Stadt noch zeigen wird. Die Freiweberei hatte bereits zu viel Boden gewonnen. Die Handelswelt, die großen Unternehmer, nutzten die neue Sachlage aus und gestalteten die ursprüngliche Freiweberei zu dem um, was wir heute Textilindustrie nennen. Der Stern der Weberzünfte, einst strahlend in hellstem Glanze, begann seit den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zu verblassen.

Mit dem Jahre 1620 rückte Reichenbach den kriegerischen Vorgängen erheblich näher. Am 4. April hielt der Herzog von Jägerndorf mit den schlesischen Hilfstruppen seinen Einzug in die Stadt und nahm sein Quartier bei dem Bürger Johann Neumann. Seine Absicht, den mit böhmischer Streitmacht von den kaiserlichen Truppen in Glatz eingeschlossenen Grafen Thurn Entsatz zu bringen, scheiterte. Der Graf musste im Jahre 1622 nach einjähriger Belagerung unter der Bedingung freien Abzugs die Festung übergeben. Von nun an litt Reichenbach ständig unter den Einquartierungen kursächsischer und kaiserlicher Truppen und hatte in diesem und im folgenden Jahre rund 90 000 Taler an Kriegssoldaten aufzubringen. Dabei bleibt freilich zu berücksichtigen, dass inzwischen durch den Krieg eine starke Entwertung des Geldes eingetreten war. Die kriegführenden Parteien brachten minderwertige Münze in den Verkehr, die der Volksmund in treffender Weise Langgeld oder Strohtaler taufte.

Die unsicheren Verhältnisse wirkten sich besonders ungünstig auf die Geschäfte im Braugewerbe aus. Nach Peterswaldau, das früher einer der wichtigsten Absatzplätze für das Reichenbacher Bier gewesen war, wurde fast gut nichts ausgeschenkt, denn die Herrschaft ließ dort selbst das nötige Bier brauen, und die Akten über den Streit zwischen ihr und der Stadt wegen dieses Rechts schlummerten in der königlichen Amtskanzlei in Schweidnitz, die jetzt Wichtigeres zu Papier zu bringen hatte.

Die protestantische Kirchengemeinde kaufte am 15. März 1624 den sogenannten Schleierstein, ein zum Burglehen gehörendes adliges Witwenhaus, das in der Nähe der Pfarrkirche lag. Das Grundstück sollte zur Erweiterung des Kirchhofes bei der Stadtpfarrkirche benutzt werden und wurde auch mit Einwilligung des Rates im Jahre 1626 abgebrochen; aber zur Einrichtung als Begräbnisplatz kam es nicht mehr. Das Gelände wurde später als Garten verwendet.

Bei der Menge des Geldes, das im Umlauf war, litt im Grunde genommen niemand Not. Der Umsatz an Webwaren stieg ständig, da hiervon viel zur Ausrüstung der kriegführenden Truppen benötigt wurde. Besonders stark war die Anfertigung von billigen Barchentzeugen. Schon im Jahre 1598 war den schlesischen Züchnern durch den Landesherrn befohlen worden, in das von ihnen verfertigte Leinenzeug auch Wolle zu verweben, da diese billigeren Webwaren im Handel bereits begehrt waren. Schon damals gingen die Erwerbsmöglichkeiten der Reichenbacher Tuchmacher zurück, da sie sich zu dieser Umstellung auf die veränderten Zeitbedürfnisse nicht verstehen wollten, sondern „bey iren alter leyer“ verblieben, wie es in einem Schriftstück der Amtskanzlei hieß. Der lange Krieg sollte in der Folge auch den Züchnern zu großem Schaden gereichen.

Das Jahr 1625 verlief ohne bemerkenswerte Ereignisse, da sich die Kampfhandlungen, in die allmählich immer mehr Länder eingriffen, hauptsächlich in Mitteldeutschland abspielten. Eine Hinrichtung wurde am 18. Juli an dem Bäcker Konstantin Pätzelt vollzogen, der einen Mühlknecht auf der Tränkstraße (Trenkstraße) im Streit erstochen hatte.

Ernster wurde die Lage im Jahre 1626. Der protestantische Feldherr Graf von Mansfeld rückte in Schlesien ein, und sogleich begannen neue Kriegslasten. Nachdem im Jahre 1624 wieder eine feste Währung geschaffen worden war, hatte die Stadt nun an ihn in gutem Gelde rund 1350 Taler zu zahlen. Aus den Reihen der Bürgerschaft mussten 55 Mann als Soldaten für das Heer gestellt werden, die am 1. August eingezogen wurden. Durch Vermittlung des Rats kamen sie jedoch von dem verpönten Kriegsdienst gegen Stellung bezahlter Ersatzmänner frei und kehrten schon am 18. August zu den Ihrigen wohlbehalten zurück. Immer mehr fremdländische Kriegsscharen überfluteten Schlesien. Am 27. September hatte die Stadt dänische Söldner im Quartier.

Aber gerade diese dauernden Truppenbewegungen belebten den Handel der Stadt. Fremde Kaufleute trafen häufig hier ein, um größere Warenposten zur Bekleidung der Mannschaften zu erwerben. Das Webwarengeschäft blühte wie nie zuvor und auch die anderen Erwerbszweige hatten durch diesen lebhaften Verkehr ihr gutes Auskommen. Dass die Einkünfte der Einwohner erheblich gewesen sein müssen, beweist die Tatsache, dass an die kaiserlichen Kassen in dieser Zeit jährlich annähernd 10 000 Taler an Zöllen abgeliefert wurden. Der so rasch erworbene Wohlstand wirkte sich in einer umfangreichen Bautätigkeit aus. Wüst liegende Plätze innerhalb der Stadtmauern wurden immer mehr zur Seltenheit. Im Jahre 1626 zählte man insgesamt 835 Häuser, davon 396 in den Vorstädten, deren ausgedehnteste die Breslauer Vorstadt war, die sich bis auf den halben Weg nach Bertholdsdorf hinstreckte und allein 114 Gebäude besaß. Fast ebenso dicht waren die Frankensteiner Straße und Vorstadt bebaut, die zusammen sogar 138 Häuser aufwiesen. In Reichenbach wohnten damals etwa 1300 Bürger, die mit ihren Angehörigen die stattliche Zahl von nahezu 7000 Einwohnern ergaben. 756 Gewerbetreibende, ungerechnet die Kaufleute, Branntweinbrenner und ähnliche Erwerbszweige, wurden gezählt. Unter ihnen waren die Barchent- und Leinwandweber, Mesolan- und Zweidrahtmacher mit zusammen 316 Zunftmitgliedern am stärksten vertreten. Dann folgten in erheblichem Abstande die Kürschner mit 55 und die Tuchmacher mit 50 Mitgliedern. Ihnen schlossen sich als größere Zechen mit 30 und mehr Mitgliedern noch die Schneider, Fleischer, Bäcker und Schuhmacher an. In der benachbarten Nachbargemeinde Ernsdorf wurde die Weberei gleichfalls lebhaft betrieben. Besonders Schafswolle gelangte dort zur Verarbeitung, und es waren in diesem Handwerk damals 288 Personen tätig. Vorstehende Zahlen beweisen deutlich die Betriebsamkeit der Bevölkerung.

An der Stadtpfarrkirche waren seit 1625 drei Geistliche angestellt. Täglich fand Gottesdienst statt, am Sonntag sogar dreimal. Neben der Stadtpfarrkirche wurde auch in der Kirche zu St. Barbara vor dem Frankensteiner Tore Andacht abgehalten. Die Einkünfte der Kirchen waren bei dem Wohlstand der Einwohner beträchtlich.

Die Unsicherheit der Landstraßen nahm in den unruhigen Zeiten wieder sehr zu. Am 3. Juni 1627 wurden vor der Stadt zwei Straßenräuber wegen zahlreicher Mordtaten aufs Längste gerädert und gevierteilt, ein abschreckendes Beispiel, das den Anschauungen der damaligen Zeit aber ganz entsprach. In diesem Jahre gab es zahlreiche Einquartierungen, und die Kriegslasten vermehrten sich, das entwertete Geld eingerechnet, auf zusammen 162 000 Taler. Malteserkommendator war der Adlige Nikolaus von Gaschin, der es fertigbrachte, seine eigenen Untertanen in Ernsdorf am 28. April ausplündern zu lassen. Blieb auch die Stadt selbst von solchen Plünderungen verschont, so trieb es doch das Kriegsvolk der durchmarschierenden Heere mit dem Hab und Gut der Bürger oft nicht zum Besten. So wurden am 26. Mai 1625 von der übermütigen Soldateska in 52 Häusern sämtliche Scheiben eingeworfen. Den Schaden hatten die armen Betroffenen selbst zu zahlen. Im gleichen Jahre wurde auch der schadhafte Turm des Begräbniskirchleins abgetragen und neu aufgebaut. Ferner erkaufte die Stadt von Friedrich Gellhorn zu Peterswaldau das Recht über den Kretscham im Gute Klinkenhaus.

Wallenstein, der kaiserliche Oberbefehlshaber, hatte inzwischen in raschem Siegeslauf Schlesien von den protestantischen Heeren gesäubert und schon im Januar 1627 hatte er Reichenbach um mehr als 16 000 Taler gebrandschatzt. Die Stadt wurde von kaiserlichen Truppen besetzt, und man ging daran, die verlorenen Rechte und das Eigentum der katholischen Kirche wiederherzustellen. Das Augustinerkloster wurde auf Befehl des Landesshauptmanns in Schweidnitz den Mönchen wieder zurückgegeben, die es am 22. Juni 1628 weihten und die Messe darin lasen. Eine feste Ansiedlung der Mönche unterblieb jedoch, weil dazu die Zeiten zu unsicher waren. Der andersgläubigen Einwohnerschaft stand aber noch Schlimmeres bevor. Von dem kaiserlichen Kommissar, Burggrafen von Dohna in Schweidnitz, erging am 2. Januar 1629 an die Protestanten der Befehl, sich binnen kürzester Frist zu erklären, ob sie ihre Geistlichen entlassen und zum katholischen Bekenntnis zurückkehren wollten. Für den Weigerungsfall war Plünderung und Einäscherung der Stadt angedroht. Das warnende Beispiel und Schicksal der böhmischen Städte, in denen die berüchtigten Liechtensteiner Dragoner, vom Volksmunde „Seligmacher“ genannt, gehaust hatten, war nicht dazu angetan, die Reichenbacher zu offenem Widerstand gegen die bewaffnete Macht zu ermutigen. Sie willigten bei Ablauf der Frist in die gestellten Bedingungen notgedrungen ein. In der Frühe des 24. Januar nahmen die drei evangelischen Geistlichen; Martin Hiller, Johann Gebauer und Kaspar Titschardt; die Lehrerschaft und einige Kirchenälteste von der Gemeinde Abschied und verließen in der grimmigen Winterkälte mit ihren Angehörigen die Stadt unter Zurücklassung ihres Besitztums. Mehrere andere Bürgerfamilien schlossen sich ihnen an, um sich eine neue Heimat zu suchen.

Tags darauf rückte eine Abteilung der gefürchteten Liechtensteiner in Begleitung von zwei Jesuitenvätern in die Stadt. Die Bürgerschaft wurde auf den Marktplatz gefordert und musste dort eine Erklärung unterschreiben, wonach sie dem lutherischen Bekenntnis abschwor und wieder zum katholischen Glauben zurücktrat. Sie wurde ferner verpflichtet, keine Andersgläubigen in ihren Reihen zu dulden. Diese Erklärung musste vom Rat der Stadt und von allen Zünften mit Unterschrift und Siegel bekräftigt werden. Wenn diese Glaubensänderung auch erzwungen war, so ersparte sie doch der Stadt zunächst die Plünderung und Drangsalierung durch die Liechtensteiner Dragoner.

Am 2. Februar 1629 nahmen die Jesuiten förmlichen Besitz von der Stadtpfarrkirche. Tags darauf führten sie die Bürger unter Vorantritt des Magistrats in Prozession nach dem Gotteshaus und erteilten ihnen nach vorangegangener Ohrenbeichte das Heilige Abendmahl. Dasselbe wiederholten sie am folgenden Tage mit den Bürgerfrauen und -töchtern. Für diejenigen, die Bedenken hatten, das Abendmahl nur nach katholischem Ritus zu nehmen, wurde die Möglichkeit geboten, aus einem ungeweihten Kelche zur Beruhigung ihres Gewissens das Sakrament in der lutherischen Form zu erhalten. Schließlich wurde die Einwohnerschaft unter Androhung schwerer Strafen aufgefordert, die in ihrem Besitz befindlichen lutherischen Kirchenbücher abzuliefern. Am 12. Februar traf der Weihbischof in der Stadt ein, um durch die Einweihung des Gotteshauses die Rechtmäßigkeit seiner Zurückgabe an die katholische Kirche zum Ausdruck zu bringen.

Die meisten der auf diese Weise bekehrten Einwohner hielten freilich nun weiter heimlich zu ihrem alten Glauben, und ein Teil besuchte die protestantisch gebliebenen Kirchen auf den umliegenden Dörfern. Dies war aber mit Gefahr verbunden, weil die Dragoner die Stadttore ständig bewachten und jeder Fall verbotenen Kirchenbesuchs mit gefänglicher Einziehung geahndet wurde. Trauungen und Taufen fanden nur noch im katholischen Bekenntnis statt.

Nach dem Abzug der Liechtensteiner trat eine Erleichterung der harten Bedingungen ein. Die Bürgerschaft erhob gegen die Zwangsbekehrung bei dem Kaiser in Wien durch zwei Ratsherren Widerspruch. Die Entscheidung hierauf, die erst nach geraumer Zeit fiel, lautete dahin, dass alle diejenigen, die inzwischen katholisch kommuniziert hatten, bei diesem Bekenntnis verbleiben sollten. Die übrigen mussten sich binnen vier Wochen entweder zum Übertritt entschließen oder ihr Besitztum veräußern und sich eine andere Heimat suchen.

Am 9. April traf in der Stadt der Königsrichter Adam Reiprich ein, der als kaiserlicher Aufsichtsbeamter die Stadtverwaltung und die Religionsausübung zu überwachen hatte. Der Rat der Stadt, die Schöffen und Geschworenen wurden von ihm auf den Landesherrn neu vereidigt. Die Strenge und Unduldsamkeit, mit der dieser Königsrichter sein Amt in Reichenbach ausübt, sollte ihm, nachher leider auch der Stadt, größtes Unheil bringen.

Er ordnete sogleich an, dass keine männliche Person ohne seine Genehmigung die Stadt verlassen dürfe. Was den Männern verboten war, das wagten 128 mutige Reichenbacher Bürgerfrauen am 12. April 1629. Sie begaben sich in geschlossenem Zuge zu Friedrich von Gellhorn nach Peterswaldau. Obwohl dieser Protestant war, hatte er doch bisher treu zu seinem böhmischen Landesherrn gestanden und ihm manchen Dienst erwiesen. Ihn baten die Reichenbacher Frauen, sich beim kaiserlichen Hofe in Wien dafür zu verwenden, dass die in der Stadt verbliebenen Protestanten wenigstens die Begräbniskirche zu ihren Andachten besuchen dürften. Gellhorn richtete auch ein Bittgesuch dieses Inhalts an den Wiener Hof. Es wurde aber zur Enttäuschung aller abgelehnt.

Der Königsrichter sorgte bald dafür, dass diejenigen Ratsmitglieder ihres Amtes enthoben wurden, die sich als unzuverlässige Katholiken erwiesen hatten. An ihre Stelle traten andere Bürger, die sein Vertrauen genossen. So sehr diese Maßnahme auch den Anweisungen entsprach, die der Königsrichter von dem kaiserlichen Landeshauptmann erhalten hatte, steigerte sie doch den geheimen Groll der Bevölkerung. Vollends aber zog sich Reiprich den Hass der Einwohnerschaft zu, als er in der Nacht zum 17. Januar 1630 zahlreiche, angesehene Bürger im Schlafe überfallen, ihre Kassen und Schränke versiegeln und die Verhafteten nach Schweidnitz ins Gefängnis abführen ließ. Die Ursache für diese Maßregel war, dass jene Bürger heimlich den protestantischen Gottesdiensten in den Landkirchen beigewohnt hatten. Dieses gewalttätige Verfahren hatte bald Folgen.

Die Zunft der Schuhmacher, denen sich auch die Lohgerber und Töpfer anschlossen, legten die Arbeit nieder und forderten die Wiederherstellung ihrer alten Rechte, besonders aber freie Religionsausübung. Der Königsrichter schlug ihnen dies ab und drohte jedem, der nicht zu seiner Beschäftigung zurückkehren würde, die Gefangensetzung an. Daraufhin verließen diese Handwerker in geschlossenem Zuge mit ihren Familien die Stadt und nahmen ihren Wohnsitz in Ernsdorf. Hier kam es dann bald zu einer Schlägerei zwischen einem Ernsdorfer Einwohner und dem Bruder eines katholischen Geistlichen, wobei der letztere übel zugerichtet wurde. An dem Tumult hatten sich auch einige der aus der Stadt Ausgewanderten beteiligt. Der Königsrichter schritt zu einer strengen Untersuchung. Vierzehn Teilnehmer wurden gefangen gesetzt und nach Schweidnitz zur Verurteilung gebracht. Der Nest der Ausgewanderten zerstreute sich auf entfernter liegende Dörfer oder wanderte in ein anderes Land aus.

Schon lagen da und dort in der Stadt einzelne Grundstücke wieder wüst und verlassen, und ein Teil der Stadtäcker war unbestellt geblieben. Das Schicksal der Verödung, dem das benachbarte Böhmen in den Jahren zuvor bereits verfallen war, bedrohte nun auch Reichenbach. Die Kriegslasten waren in dieser Zeit verhältnismäßig gering. Sie betrugen in den Jahren 1630 und 1631 etwa 1400 Taler.

Das Jahr 1632 begann gleichfalls mit der Leistung von Kriegskosten für die ständig wechselnden Einquartierungen. Wenn auch der kaiserliche Hof in Wien den konfessionellen Wünschen und Bitten der Einwohner kein Gehör geschenkt hatte, so war der Kaiser Ferdinand II. doch wenigstens darauf bedacht, die Stadt in wirtschaftlicher Beziehung zu begünstigen. Mit Urkunde vom 20. Januar 1632 verlieh er der Züchnerzunft das Vorrecht, innerhalb der Bannmeile Leinwand, Barchent, wollene und Mesolanzeuge allein handeln zu dürfen. Eine Abschrift dieser Urkunde befindet sich im Privilegienbuch der Stadt, das zu Sadebecks Zeiten verlorengegangen war, neuerdings aber unter den Akten des Magistrats wiedergefunden worden ist. Am 6. Februar lebte der alte Streit Friedrichs von Gellhorn in Peterswaldau mit der Stadt wegen der Braugerechtigkeit von Neuem auf. Die Stadt erhob bei dem Landeshauptmann ihre Gegenvorstellungen und beschwerte sich gleichzeitig über die in Peterswaldau stark betriebene Freiweberei.

Inzwischen hat sich das Kriegsglück wieder den protestantischen Heeren zugewendet. Schwedische und sächsische Truppen zwangen die Kaiserlichen zum Rückzug aus Schlesien. Als am Morgen des 9. September 1632 die Stadttore geöffnet wurden, brach unerwartet ein Haufen sächsischer Soldateska vom Holsteinschen Regiment unter Anführung des Oberleutnants von Oehnhausen in die Stadt ein. Die Freude über die Befreiung durch glaubensgenössische Truppen wurde jedoch rasch gedämpft, denn die sächsischen Söldner verfuhren keinesfalls besser mit den Einwohnern als vorher die Kaiserlichen. Die Stadt wurde ausgeplündert und auch sonst führten sich die Sachsen nicht zum Besten auf. In den 14 Jahren, die der Krieg bereits währte, gerieten die religiösen Ziele immer mehr in den Hintergrund. Politische Machtkämpfe waren an ihre Stelle getreten. Die im Kriegsleben verwilderten Söldnerscharen kämpften für denjenigen Landesherrn, der ihnen die meiste Beute versprach. Der deutsche Bürger aber musste machtlos zusehen, wie die fremden Kriegsvölker mit seinem Leben und Eigentum umgingen, als sei es keinen Heller wert.

Den sächsischen Eindringlingen gesellte sich bald der Stadtpöbel bei. Gegen die Ratsherren Samuel Kinner und Konstantin Topschel, die sich als getreue Anhänger der katholischen Herrschaft besonders unbeliebt gemacht hatten, nahm die Volksmenge eine bedrohliche Haltung ein und suchte ihrer habhaft zu werden, um sich an ihnen für die erlittene Unbill zu rächen. Die beiden Ratsmitglieder wurden von dem Befehlshaber schließlich gefangen gesetzt und unter Bedeckung nach Ohlau ins Hauptquartier der Schweden geschickt, um dort abgeurteilt zu werden. Für den Transport hatte die Stadt vorweg 500 Taler zu zahlen. Bei der Plünderung war auch die städtische Rüstkammer, die über reichhaltigen und wertvollen Inhalt verfügt hatte, vollständig ausgeraubt worden.

Nun vollendete sich auch bald das Schicksal des verhassten Königsrichters Reiprich. Dieser hatte trotz feindlicher Besatzung auf seinem Posten getreulich ausgehalten. Am Abend des 14. November verbreitete sich plötzlich aus unbekannten Gründen das Gerücht, dass sich kaiserliche Truppen der Stadt näherten. Man witterte sogleich Verrat, und der Verdacht der Menge richtete sich gegen Reiprich, der in einem Gut linker Hand vor dem Breslauer Tore wohnte. Alsbald versammelte sich ein Volkshaufen vor dem Rathause und verlangte die Öffnung der Stadttore, damit man den Königsrichter gefangen setzen könnte. So sehr sich auch der Bürgermeister Hirth gegen dieses Ansinnen sträubte, wurde ihm schließlich doch von der zügellosen Menge der Schlüssel zum Schweidnitzer Tore abgenötigt und nun zog der Pöbel zum Hause Reiprichs. Dieser war inzwischen von der ihm drohenden Gefahr unterrichtet worden. Außerstande, sich gegen eine solche Übermacht mit Erfolg zu verteidigen, raffte er alle wichtigen Schriftstücke eilends zusammen und bestieg sein Pferd, um sich durch die Flucht zu retten. Die Gasse vor der Stadtmauer, durch die er seinen Weg nehmen müsste, fand er durch ein Verhau gesperrt. Er sprang vom Ross und gedachte, sich in einem Häuschen bei der Vogelstange vor dem Schweidnitzer Tore solange versteckt zu halten, bis der Tumult vorüber war. Aber der an dem Querbaum angebundene gesattelte Schimmel, den jedermann kannte, wurde sein Verräter. Man umstellte sofort sämtliche Gebäude der Umgebung und suchte sie solange ab, bis man den Königsrichter fand. So mutig sich dieser auch zur Wehr setzte, wurde er doch von der Übermacht mit Pistolen, Degen und Äxten niedergemacht. Die Rädelsführer dieser Gesellschaft fürchteten aber wohl eine spätere Untersuchung, und um einer Strafe zu entgehen, ließen sie sich als Söldner von den Sachsen anwerben. Pferd und Schriftstücke des Ermordeten nahmen sie bei dieser Gelegenheit mit.

Ebenso wandte sich der Zorn der Menge gegen den katholischen Stadtpfarrer Valentin Richter. Man schleppte den Unglücklichen barfüßig durch die Stadt und misshandelte ihn dabei so schwer, dass er einige Tage später an den erlittenen Verletzungen verstarb. Solange protestantische Truppen die Stadt besetzt hielten, blieben diese unsinnigen Gewalttaten ungesühnt. Später aber musste die Einwohnerschaft schwer dafür büßen, als mit dem Einzuge der Kaiserlichen zugleich auch das Strafgericht hereinbrach.

In der Zwischenzeit ging die protestantische Einwohnerschaft damit, ihre alten Rechte in der Stadtverwaltung wiederherzustellen. Die katholischen Ratsmitglieder wurden wieder durch protestantische ersetzt und die Geistlichen zurückberufen. Den ersten lutherischen Gottesdienst hielt bereits im November der an der Langenbielauer Kirche amtierende Pastor Zacharias Zappe. In der uns überlieferten und von seinen Zeit- und Glaubensgenossen missverstandenen Predigt ermahnte er zu Duldsamkeit und Rechtlichkeit. Am 10. Dezember hielt dann Pastor Titschardt als erster der früheren Geistlichen in der Pfarrkirche Gottesdienst. Es zeigte sich bald deutlich, dass der weitaus größte Teil der Einwohnerschaft nur dem Namen nach zum katholischen Bekenntnis übergetreten war, denn die protestantischen Gottesdienste waren jetzt wie kaum je zuvor besucht, und das Abendmahl nach lutherischer Form wurde in wenigen Monaten an mehrere tausend Personen erteilt.

Bereits im Januar 1633 war Reichenbach von schwedischen Truppen besetzt worden. Auch der Pastor Martin Hiller kehrte mit den Seinen in die Stadt zurück und wurde zum Oberpfarrer bestellt. Schlimmer noch als vordem die katholischen Machthaber verfuhren nun die protestantischen Einwohner mit ihren andersgläubigen Mitbürgern. Wohl gab es vernünftige Männer, die zur Einsicht mahnten und Schlimmes voraussahen, wenn der wechselnde Kriegsverlauf eine Änderung der Verhältnisse brachte, aber sie blieben in der Minderzahl.

Nur kurze Zeit währte das Frohlocken der Protestanten. Am 2. Februar erschienen unvermutet kaiserliche Truppen unter den Generälen Götz und Illau vor den Toren der Stadt und forderten sie zur Übergabe auf. Die Schweden waren vorher abgezogen, und nur eine Kompagnie sächsischen Fußvolkes unter dem Rittmeister von Strack blieb zurück. Diese schwache Truppenmacht hoffte, mit Hilfe der Bürgerschaft, sich in den festen Mauern behaupten zu können. Der erste Ansturm der Kaiserlichen um 5 Uhr nachmittags wurde noch glücklich abgeschlagen. Aber nun schloss der Gegner die Stadt von allen Seiten ein. Die Nacht war hereingebrochen. Neben den Sachsen stand die bewaffnete Bürgerschaft auf den Mauern und an den Stadttoren, um das drohende Geschick abzuwenden. Zwei Anstürme des Gegners wurden vor Mitternacht blutig abgewiesen. Die Wallgräben füllten sich mit Toten und Sterbenden. So brachten die Belagerer Geschütz heran und legten zwischen dem Breslauer Tore und dem Kloster eine Bresche in die Mauer. Nachts um 1 Uhr erfolgte an dieser Stelle ein dritter Ansturm. Es gelang der Übermacht der Belagerer, in die Stadt einzudringen. In erbittertem, nächtlichem Straßenkampfe mussten die Verteidiger bis auf den Ring zurückweichen, dem sich die Kaiserlichen bald von allen Seiten her näherten. Von der ganzen Kompagnie der Sachsen waren noch 20 Mann übriggeblieben. Sie zogen sich fechtend in die Burg am Schweidnitzer Tore zurück. Als sich aber die Eroberer anschickten, auch diese Zufluchtsstelle zu stürmen, musste sich das Häuflein auf Gnade oder Ungnade ergeben. Auf der Schweidnitzer Straße streckten sie die Waffen. Pardon wurde nicht erteilt. Die Überlebenden wurden bis auf den letzten Mann niedergehauen.

Die Bürger hatten sich bei dem Eindringen des Gegners in ihre Häuser geflüchtet. Mehr als 20 Tote hatte sie die fruchtlose Verteidigung der Stadt gekostet, und etwa 150 Schwerverwundete lagen in den Straßen und Gassen. Düster lohten die Wachtfeuer der Eroberer rings um die Stadt und auf dem Marktplatz. Mit Bangen sah alles dem nächsten Morgen entgegen. Er brach herein und mit ihm ein schreckliches Strafgericht. Der General Götz gab die Stadt seinen Truppen zur Plünderung preis. Die Erbitterung der kaiserlichen Soldateska über die blutigen Verluste bei der Erstürmung der Stadt ließ keine Schonung und Milde aufkommen. Wer sich im Geringsten der Beraubung seiner Habe widersetzte, wurde erbarmungslos niedergemetzelt. Zittern und Furcht herrschten in allen Häusern.

Ein spanischer Hauptmann hatte den Oberpfarrer Hiller zu seinem Gefangenen gemacht. Dieser entging mit seinem neugeborenen Söhnchen nur dadurch dem Tode, dass er dem Spanier sein gesamtes Vermögen als Lösegeld bot, worauf er in der Nacht auf einer Sturmleiter über die Mauer herabgelassen wurde und unter den Verwünschungen der Landsknechte eiligst flüchten musste, wenn er nicht das schreckliche Schicksal seiner Mitbürger teilen wollte. Die Gattin des Geistlichen irrte mit ihrer Tochter in den Straßen umher, bis sie von mitleidigen Einwohnern in einem abgelegenen Häuschen aufgenommen und versteckt gehalten wurde.

Am Vormittag nach der schrecklichen Nacht wurde die Bürgerschaft auf den Marktplatz gefordert, auf dem das kaiserliche Fußvolk in Waffen starrend, ringsum Aufstellung genommen hatte. Hoch zu Ross, inmitten seiner Feldhauptleute, hielt der General Götz vor dem Rathaus. Er ließ verkünden, dass er für die von der Einwohnerschaft gegen den Königsrichter und den Stadtpfarrer verübten Freveltaten der Stadt neben der bereits erfolgten Plünderung eine Geldbuße von 12 000 Talern abverlange, die sofort zu leisten sei. Ferner sollten die Bürger mit eigener Hand ihre Stadtmauern niederreißen und die befestigten Tore abbrechen. Entsetzen ergriff die Bürgerschaft bei der Ankündigung dieser harten Strafe, denn sie bedeutete den wirtschaftlichen Ruin und gab die Stadt für immer jedem feindlichen Ansturm preis. Die Bürger fielen vor dem General auf die Knie und flehten ihn um Milderung an, aber Götz blieb unerbittlich und erklärte kurz und bündig, dass er die ganze Stadt niederbrennen würde, wenn das Geld nicht pünktlich zur Stelle sei. Was die Bürger bisher noch in sicheren Verstecken an Münze, Geschmeide und Gold in Verwahrung gehalten hatten, mussten sie nun hervorholen und zusammenbringen. Der Wert dieser Sachen wurde aber von den kaiserlichen Schatzmeistern nur mit 7500 Talern bemessen, und der fehlende Betrag war auf keine Weise zu beschaffen. Durch wiederholte Bitten und Vorstellungen erreichte der Rat schließlich, dass der Stadt eine kurze Frist zur Beschaffung des Restes gewährt wurde.

Am 4. Februar machte Götz den anderen Teil seiner Strafandrohung wahr. Die Tore wurden abgebrannt und niedergelegt. In den nächsten Wochen ging man an die Zerstörung der Stadtmauer. Hinter der Klosterkirche, wo die Bresche geschossen worden war, hatte man bereits 30 Klafter des Mauerwerks abgebrochen. Da nahte unerwartete Rettung. Zu Beginn des März rückte eine größere protestantische Truppenmacht heran und zwang die Kaiserlichen zu eiligem Rückzuge. Weil die Restschuld von 4500 Talern noch unbezahlt war, nahm Götz zwölf der angesehensten Bürger als Geiseln mit und ließ sie in Glatz ins Gefängnis werfen. Dort verblieben sie bis zum Schluss des Krieges, weil die Stadt die Summe nicht aufbrachte. Ein Teil dieser unglücklichen Leute starb, ohne ihre Heimatstadt wiedergesehen zu haben. So büßte Reichenbach die unbedachten Ausschreitungen des 14. November 1632.

Die Befreier, es waren Sachsen, hatten etwa 1200 Schanzgräber mitgebracht. Man begann, sofort die Stadt mit hohen Schanzwerken zu umgeben. Die Tore wurden wieder aufgebaut und die Beschädigungen an der Stadtmauer ausgebessert. Dort, wo die Mauer bereits niedergelegt worden war, errichtete man Palisaden und füllte die Zwischenräume mit Erde aus. Dann ging man daran, rings um die Stadt hohe Erdwälle aufzuwerfen, die zur Verbesserung der Feuerwirkung mit fünf Bastionen versehen wurden. So entstand das dreieckige Schanzwerk bei den Begräbnisplätzen rechts von der alten Burg, die Schanzen am Windmühlenberge und vor dem Tränktore (Trenktore) gegenüber der gleichnamigen Mühle und eine vierte vor dem Mühlgraben an der Straße nach Langenbielau. Die stärkste Befestigung, eine fünfeckige Bastion befand sich rechts des Breslauer Tores. Dort war, wie die vorhergegangene Belagerung gezeigt hatte, die Stadt besonders gefährdet, weil an dieser Stelle das Gelände auf gleicher Höhe mit der Stadtmauer lag. Hier wurden auch die doppelten Wassergräben, die sich um die Schanzen zogen, besonders vertieft. Von der Anhöhe hinter den Stadtscheunen, etwa dort, wo sich heute der Wasserturm erhebt, konnte die Stadt aber immer noch mit Geschütz- und Musketenfeuer bestrichen werden. Deshalb wurde auf diesem Hügel noch ein besonderes Schanzwerk, gewissermaßen ein Fort, angelegt. In kaum zwei Monaten war unter dem Schweiße der Bürger und Schanzgräber diese starke Befestigung entstanden, die bald ihre Feuerprobe mit Erfolg bestehen sollte. Sadebeck bemerkt in Erinnerung an die gewaltige Leistung mit gutem Rechte: „Kaum noch gedenken die Spaziergänger, die heute auf den Schanzen in beschaulicher Ruhe einherpromenieren und die schöne Aussicht auf die Gegend mit Wohlbehagen genießen, der unzähligen Seufzer und Tränen, unter denen unsere Vorfahren diesen Verteidigungswall zum Schutze ihrer Heimatstadt schufen.“

Stadtplan aus der der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Nach einer Zeichnung von August Sadebeck.

Die mühselige Arbeit war nicht umsonst gewesen. Bereits am 7. Mai rückte der kaiserliche Befehlshaber Graf von Schaffgotsch mit 4000 Mann und 4 Stücken schweren Geschützes vor die Stadt und schloss sie ein. Obwohl die sächsische Hauptmacht inzwischen nach Schweidnitz abgezogen war, vertraute die unter einem Kapitän zurückgebliebene Besatzung doch auf die Stärke der Befestigungswerke und rüstete diese mit Geschützen aus. Der Kommandant sah sich aber gezwungen, alle Vorstädte, die Mühlen, das Hospital und auch die Barbarakirche niederbrennen zu lassen, um dem Feinde die Annäherung zu erschweren. Viele Bürger verloren dadurch Hof und Herde.

Die Kaiserlichen hatten mit der Belagerung kein Glück. Als sie die Geschütze aufgefahren hatten und auf die Stadt richten wollten, überschütteten die Sachsen von den schützenden Wällen und Bastionen den Gegner mit einem Hagel von Kanonen- und Musketenkugeln. Sämtliche vier Büchsenmeister und ebensoviel feindliche Offiziere fielen, und Graf Schaffgotsch zog sich nach diesem üblen Empfang eiligst nach Nimptsch zurück, wo sich die kaiserliche Armee unter Wallenstein sammelte. Infolge der von dort drohenden Gefahr verließen die Sachsen am 13. Juni die Stadt und marschierten nach Schweidnitz ab. Reichenbach war nun wieder trotz seiner starken Befestigungen schutzlos wie zuvor. Ein großer Teil der Bevölkerung schloss sich aus Furcht vor einer Wiederholung der eben erlebten Gräuel den abziehenden Truppen an. Kurze Zeit später besetzten die Kaiserlichen mit 6 Kompagnien die Stadt, die ein trostloses Bild bot. Verwahrlost und verlassen standen die Häuser da, auf Schritt und Tritt begegnete man rauchgeschwärzten Ruinen und verfallenem Gemäuer, den Zeugen der letzten Kämpfe. Unrat füllte die einst so sauberen Straßen und Gassen und verbreitete über die Stadt einen unerträglichen Geruch. Selten erblickte man ein lebendes Wesen außerhalb der Häuser, denn ein schreckliches Gespenst hielt in das verwüstete Reichenbach seinen Einzug: die schwarze Pest. Wochenlang wütete sie unter den Zurückgebliebenen. Bis zum Ende des Sommers starben mehr als 1300 Einwohner. Der grimmige Tod ließ den Religionsstreit vergessen. Als der katholische Begräbnisplatz für die Bestattungen nicht ausreichte, bettete man die Leichen wahllos in den ungeweihten Boden des protestantischen Friedhofs. Die kaiserliche Soldateska, in mancher heißen Schlacht erprobt, flüchtete vor der furchtbaren Seuche entsetzt aus der Stadt und schlug auf freiem Felde an dem Meuselteich notdürftige Holzhütten auf. Die Armee Wallensteins, die von Nimptsch her zur Belagerung der Festung Schweidnitz heranrückte, mied die verseuchte Stadt, die von den unglücklichen Einwohnern wegen der Ansteckungsgefahr nicht verlassen werden durfte. Die kümmerliche Ernte auf den Stadtfeldern wurde von den Soldaten eingebracht und zu Geld gemacht. Angesichts des ständig drohenden Todes hatte keiner der Überlebenden ein Interesse an irdischen Gütern. Unter den Siechen und Sterbenden waltete der zurückgekehrte Oberpfarrer Hiller getreulich seines Amtes, brachte diesen Linderung und Trost und stand jenem mit Gottes Wort in seiner Todesstunde bei.

Der Winter kam, und die reinigende Schneeluft dämmte die Seuche allmählich ein. Im Frühjahr 1634 trat die Pest nur noch vereinzelt auf. Aber der Leidensweg Reichenbachs war noch nicht beendet. Am 31. Mai fielen kaiserliche Kroatenscharen auf der Flucht von Liegnitz her plündernd und mordend in die Stadt ein. Sieben Tage lang hausten die entmenschten Horden auf das Schrecklichste. Da Wertsachen in den verwüsteten Wohnstätten nirgends mehr zu finden waren, raubten sie die Kirche aus. Opfekästen, Kelche, Kessel, Altartücher, kurz alles, was noch Geldeswert besaß, wurden ihre Beute. Der katholische Ratsherr Christoph Schwarz starb während der Plünderung vor Schrecken, nachdem ihm in der Pestzeit bereits drei andere Amtskollegen in die Ewigkeit vorausgegangen waren. Bürgermeister der Stadt war in dieser traurigen Zeit der frühere Ratsherr Konstantin Topschel, der nach den schlechten Erfahrungen im November 1632 die Stadt jedesmal verlassen hatte, sobald sich protestantische Truppen näherten. Die Kriegskosten in den Jahren 1633 und 1834 hielten sich in mäßigen Grenzen. Es war aber aus der völlig verarmten Stadt auch nichts mehr herauszupressen und ein Zeitgenosse schreibt bei Schilderung ihres damaligen Zustandes, dass sie in Wahrheit den Namen „Armenbach“ verdiene.

Am 4. November 1635 traf der kaiserliche Amtskanzler aus Jauer in Reichenbach ein. Er überbrachte die Aufforderung, die wieder von den Protestanten benutzte Stadtpfarrkirche sofort zu schließen und die Geistlichen abzuschaffen. Seit jenem Tage befindet sich Reichenbachs ältestes Wahrzeichen in ununterbrochenem Besitz der katholischen Pfarrgemeinden. Oberpfarrer Hiller und Pastor Titschardt, die in so vielen Jahren leiblicher und geistiger Not treu zu ihrer Gemeinde gehalten hatten, mussten sie verlassen und diesmal für immer.

Trotz alledem aber bot die neue Verordnung den in der Stadt noch verbliebenen Protestanten jetzt wesentlich mildere Bedingungen, als ihnen zu den Zeiten der Zwangsbekehrung durch die „Seligmacher“ zugestanden worden war. Drei Jahre lang sollte es jedem freigestellt sein, welchem Bekenntnis er dienen wollte; erst danach trat die Verpflichtung ein, entweder katholisch zu werden oder die Stadt zu verlassen. Man hatte in der kaiserlichen Verwaltung inzwischen dazugelernt, dass Unduldsamkeit in Glaubenssachen ein unkluges Verfahren sei und dass Druck lediglich Gegendruck erzeuge. Nur wenige Bürger konnten sich, selbst unter diesen annehmbaren Bedingungen, zum Wechsel ihres Bekenntnisses entschließen. Die Mehrzahl der protestantischen Einwohner aber zog die Unbequemlichkeit des Besuches der auswärtigen Kirchen auf den Dörfern dem Übertritt vor.

Deutsche Kolonisten hatten einst in jahrhundertelanger Kulturarbeit Reichenbach zu einem blühenden Gemeinwesen gemacht. Nach mehr als 400 Jahren verließen jetzt Nachkommen dieser Kolonisten ihre Heimat, um unter dem Zwange der Zeit das Siedlungswerk ihrer Vorväter in ein fremdes Land zu tragen. Längst hatten verständige Landes- und Grundherren in Polen erkannt, dass es nicht die schlechtesten Männer sein könnten, die trotz Not und Tod so treu zu ihrem Glauben gestanden hatten. Der Aufforderung des Johann von Laborowsky aus Zduny folgend, wanderten 9 Handwerkerfamilien unter Führung des Bäckers Daniel Preuß aus ihrer Heimat Reichenbach nach Polen aus. Wie ihre Ahnen durch Vorrechte begünstigt, errichteten sie an der Grenzmark neben der vorhandenen polnischen Ansiedlung ein neues Gemeinwesen Deutsch-Zduny. Andere, die wegen ihres Glaubens vertrieben wurden, zogen ihnen nach. In unermüdlicher Arbeit schufen sie sich dort eine neue Heimat und bauten sich inmitten dieses Stückchens deutschen Kulturlandes ein Gotteshaus, in dem sie nun unbehindert ihren Glauben bekennen durften. Bäcker Preuß, der mutige Führer der kleinen Schar, wurde auch ihr erster Ortsschulze. Und wie einst in der alten Heimat der Oberpfarrer Hiller bei den Seinen bis zum bitteren Scheiden ausgehalten hatte, so diente jetzt der neuen Gemeinde Hillers Sohn, Martin Christian als Seelsorger.

In Reichenbach kehrte das Leben allmählich wieder in geordnete Bahnen zurück. Als erster katholischer Geistlicher an der Stadtpfarrkirche wurde am 19. Dezember 1635 Georg Robert Mattiada ins Amt feierlich eingeführt. Er bekleidete es bis 1640 mit Duldsamkeit und Verständnis für den religiösen Widerstreit seiner Zeit. Langsam stieg in den folgenden Jahren wieder die Einwohnerzahl. Neue Bürger zogen zu, und man ging daran, die verfallenen Häuser instandzusetzen. Auch in dieser Zeit blieben Kriegslasten nicht aus. Sie betragen von 1635 bis 1637 etwa 4700 Taler.

Neben der Fülle des Unglücks, das in den Jahren 1633 und 1634 über die Stadt hereingebrochen war, ist wenigstens ein Umstand zu erwähnen, der sich in der Folgezeit segensreich auswirken sollte. Die Offiziere der schwedischen Armee trugen Kleidung aus Kanevas, einem Stoffe, dessen Verfertigung bisher in Reichenbach unbekannt war. Unter den schwedischen Soldaten befanden sich solche, die in dieser Arbeit bewundert waren. Von ihnen ließen sich die Züchner der Stadt unterweisen und verfertigten bald selbst in größeren Mengen den begehrten Artikel. Die Kanevasweberei bildete seither einen wichtigen Erwerbszweig der Stadt und förderte ihren späteren wirtschaftlichen Wiederaufstieg wesentlich.

Vorerst sah es allerdings mit den Einkünften der Bürgerschaft schlimm genug aus. In einem Schreiben vom 7. April 1636 klagt der Ratsherr Emanuel Kinner, der zum Einnehmer der kaiserlichen Zollgefälle bestimmt worden war, dem Zollkassenverwalter in Breslau, dass es mit den Erträgen der Stadt nicht zum Besten stehe. Die Schuld hieran gab er den Freiwebern in Langenbielau und Peterswaldau. Als Folge dieses Berichts erging am 28. Oktober vom kaiserlichen Amt die Aufforderung an die Gutsherrschaften, ihre Weber zum Eintritt in die Stadtzunft anzuhalten. Man hatte sich also schon mit der Tatsache abgefunden, dass die einst den Zünften privilegierte Verfertigung von Webwaren für den Handel auch auf dem Lande in großem Umfange ausgeübt wurde. Die Zünfte hatten ihre Vormachtstellung bereits verloren, und die Landesverwaltung trachtete nur noch danach, die Freiweberei gleichfalls zum Gegenstand steuerlicher Einkünfte zu machen, im Übrigen aber der Entwicklung der Dinge nichts mehr in den Weg zu stellen.

Eine im Jahre 1637 vorgenommene Zählung ergab, dass nur ein Zehntel der Einwohner dem katholischen Glauben angehörte. Trotzdessen wurde auf Veranlassung des Kaisers durch den Landeshauptmann, Reichsgrafen von Annaberg, am 1. April eine Umbildung des Stadtrates vorgenommen. Sämtliche protestantischen Ratsherren wurden durch zuverlässige Katholiken ersetzt. Am 7. April wurden die Ratsmitglieder vereidigt, und es wurde ihnen zur Pflicht gemacht, auf die sorgfältigste Durchführung der kaiserlichen Bestimmungen zu achten. An die protestantische Bevölkerung erging die Aufforderung, ihre Kinder nur noch in der wieder errichteten katholischen Schule erziehen zu lassen. Hiergegen erhoben die Evangelischen Einspruch und wiesen auf das ihnen im Jahre 1635 gemachte Zugeständnis hin, drei Jahre von jedem Bekenntniszwang befreit zu bleiben. Über diese Vorstellungen ging der Landeshauptmann jedoch hinweg und erließ am 2. Mai sein erneutes Verbot, die protestantischen Kirchen auf den Dörfern zu besuchen. Es wurde gleichzeitig befohlen, an den katholischen Feiertagen mitzufeiern und den Gottesdiensten in der Stadtpfarrkirche beizuwohnen.

Der alte Streit mit der Peterswaldauer Herrschaft wegen des Bierausschankes und der Freiweberei nahm seinen Fortgang. Der Rat erhob am 7. Dezember 1637 neue Vorstellungen beim kaiserlichen Amt in Jauer, aber erst am 13. September 1638 wurde von dem Landeshauptmann ein vorläufiges Erkenntnis erwirkt, wonach der Herrschaft die Ausübung der Schankgerechtigkeit bis auf Weiteres untersagt wurde. Die Peterswaldauer wurden angewiesen, ihr Bier aus Reichenbach zu beziehen, wie dies früher geschehen war.

Im Jahre 1637 traf der Rat der Stadt ein Abkommen mit der Züchnerzunft, das für später von Bedeutung wurde. Die Zunft hatte bekanntlich auf Grund der Stiftung der Witwe Schleißer im Jahre 1526 die Verpflichtung übernommen, an jedem Wochentag in der Pfarrkirche das Salve Regina zu singen, wofür die Züchner die Zinsen des Kapitals erhielten. Das Stiftungsvermögen war in den Stürmen des Krieges verlorengegangen. Nunmehr wurde vereinbart, dass die Zunft die Kosten des Singens weiterhin aus eigenen Mitteln trug. Dafür sollte ihr Meisterhaus von allen Steuern, Zinsen und sonstigen Abgaben befreit bleiben. Diese Abmachung war später, so beispielsweise in den Jahren 1720 und 1722, Gegenstand von Streitigkeiten, da die Innung das Haus auch von den Staatslasten befreit haben wollte. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Frage umstritten. Im Jahre 1867 wurde endlich nach einem langwierigen Prozess entschieden, dass die Befreiung nach wie vor hinsichtlich der Stadtsteuern Geltung habe; dagegen wurde die Innung mit ihrem Anspruch auf Befreiung von den Staatslasten abgewiesen.

Die am 21. Dezember 1638 stattgefunden Ratswahlen ergaben keine wesentliche Änderung, da als Ratsherren nur katholische Einwohner bestätigt wurden. Hieran änderte sich auch nichts, als im Jahre 1639 die in Schlesien eingefallenen Schweden wiederholt vor der Stadt erschienen und ihr an Kriegskosten 500 Taler abforderten. Insgesamt betragen die von der Stadt in den Jahren 1621 bis 1639 aufgebrachten Kriegskosten die gewaltige Summe von 190 000 Talern. Im folgenden Jahre machte der schwedische General Stahlhandsch einen ernsthaften Versuch, Reichenbach zu erstürmen, da in der Stadt drei schwedische Offiziere und etwa 160 Reiter von den Kaiserlichen gefangen gehalten wurden. Eine schwedische Abteilung in Stärke von 1000 Mann versuchte am 18. Januar, sich der Stadt durch Handstreich zu bemächtigen. Dies konnte umso leichter glücken, als der größere Teil der kaiserlichen Besatzung gerade auf einem Streifzuge außerhalb des Ortes weilte. Aber die Bürgerschaft, die eingedenk der erlebten schweren Jahre in den Schweden keine Freunde erblickte, unterstützte die schwache Besatzung tatkräftig bei der Verteidigung der Wälle. Der Trommelschläger der Bürgergarde bestieg den Rathausturm, schlug ununterbrochen auf das Kalbfell und rief dadurch die Streifzügler zurück. Die Schweden glaubten sich von einer starken Truppenmacht bedroht und zogen sich unter Zurücklassung mehrerer Gefangener eilig zurück. Zur Erinnerung an diese Tat des wackeren Tambors ließ die Stadt später an der Seite des Turmes, an welcher der Trommler gestanden hatte, im Mauerwerk dessen steinerne Abbildung anbringen, daneben seine Trommel und darüber einen runden Stein, der vermutlich mit einer Inschrift versehen war. Das Ganze soll buntfarbig bemalt gewesen sein. Sadebeck beklagt sich in seiner Stadtgeschichte darüber, dass „ein Ratsmitglied, welches Altertümer nicht zu schätzen verstand, bei einer späteren Renovation das Ganze mit Kalk überkleistern ließ, so dass jetzt nur noch die halberhabene Arbeit erkennbar sei.“

Für einige Zeit hatte die Stadt nun Ruhe. So werden aus dem Jahre 1641 keine bemerkenswerten kriegerischen Ereignisse überliefert. In diesem Jahre wurde Georg Christoph Pohl zum Geistlichen an der Stadtpfarrkirche anstelle des Pfarrers Mattiada ernannt. Als später die Schweden die Stadt wiederholt besetzten, versah er trotzdessen, wie sein Vorgänger, das Amt in treuer Pflichterfüllung weiter.

Die durch den Krieg verarmte Weberzunft hatte, wie bereits erwähnt wurde, durch wiederholte Vorstellungen im Jahre 1636 erreicht, dass die Freiweber auf den Dörfern vom kaiserlichen Amt zum Beitritt in die Innung aufgefordert wurden. Diesem Geheiß war jedoch so gut wie gar nicht nachgekommen worden, weil die Gutsherrschaften in den damit verbundenen Steuern und Zunftbeiträgen eine Schmälerung ihrer Einkünfte erblickten. Zur Durchsetzung der kaiserlichen Anordnung erfolgten nun in den Jahren 1641 und 1642 mehrfach Haussuchungen bei denjenigen Dorfwebern, die sich dem Zunftzwang nicht unterworfen hatten. Die vorgefundenen Waren wurden eingezogen und für verfallen erklärt. Diese strenge Maßregel half aber auch nur vorübergehend, und vor einer Beschlagnahme der Webstühle schreckte man zurück, weil man den Widerstand der Grundherren und der Landbevölkerung, die einer solchen Einkommensschmälerung widerstrebten, befürchtete.

Im Jahre 1642 drohte der Stadt von den Schweden bald neue und diesmal ernstere Gefahr. Der schwedische Oberbefehlshaber Torstenson fiel in Schlesien ein, nahm die Festung Glogau und zog gegen Schweidnitz, wo er die Kaiserlichen schlug. Bald darauf erschien er auch vor Reichenbach, das ihm bei der Aussichtslosigkeit bewaffneten Widerstandes die Tore öffnete. Torstenson gab keinen Pardon. Vom 24. März, wurde die Einwohnerschaft ohne Rücksicht auf die Religionszugehörigkeit drei Tage lang ausgeplündert. Die schwedische Soldateska hauste in übelster Weise. Bei der Besetzung und Absuchung des Rathauses ging ein großer Teil der dort aufbewahrten Urkunden verloren. Die katholischen Ratsmitglieder hatten sich mit dem Bürgermeister Topschel nach Glatz geflüchtet und überließen die Bürgerschaft ihrem Schicksal. Die Protestanten konnten nun wieder einige Zeit ihren Gottesdienst öffentlich ausüben, aber auch der katholische Pfarrer blieb in seinem Amte und hielt regelmäßig Andachten ab. Die wechselseitigen Nöte und Sorgen der letzten Jahre hatten den Religionseifer beider Bekenntnisse besänftigt und gelehrt, dass gegenseitige Duldsamkeit und Hilfsbereitschaft die schönsten Bürgertugenden sind.

Im darauffolgenden Jahre wechselte das Kriegsglück wieder zugunsten der Kaiserlichen. Torstenson zog nach Sachsen ab, ohne dass die schlesischen Protestanten sein Scheiden bedauerten, denn sie hatten unter den Schweden nicht weniger gelitten als ihre katholischen Mitbürger. Am 27. Oktober erschien der kaiserliche General von Gallas mit einer größeren Truppenmacht vor Reichenbachs Mauern und blieb hier bis zum 5. November. Es herrschte sehr kaltes Wetter, und da in nächster Umgebung der Stadt Brennholz in ausreichender Menge nicht aufzutreiben war, brachen die Soldaten einfach die von den Sachsen im Jahre 1634 niedergebrannten Häuser der Vorstädte ab und verwendeten die Balken und Sparren zum Heizen ihrer Quartiere. Die Verpflegung einer so großen Truppenmacht verursachte in der verarmten Stadt bald Mängel an Lebensmitteln, und es trat unter der ärmeren Bevölkerung vorübergehend eine Hungersnot ein, da die Soldaten rücksichtslos alles für sich in Anspruch nahmen.

Nach dem Abzug der kaiserlichen Hauptmacht blieben das Reiterregiment von Marslicki und Rekruten des Fußvolks als Besatzung in der Stadt. Das benachbarte Schweidnitz war noch in der Hand der Schweden. Wiederholt versuchten die Kaiserlichen, die Festung im Sturm zu nehmen, aber erst am 14. Mai 1644 konnte ihre Übergabe erzwungen werden. An der Belagerung hatte sich auch die Reichenbacher Garnison beteiligt.

In den nächsten Jahren kämpften die Gegner mit wechselndem Erfolge. Noch zweimal stellten sich die Schweden als ungern gesehene Gäste ein. Der General von Königsmarck rückte im Jahre 1645 mit 18 000 Mann in den Kreis, und die Stadt musste erneut die Drangsale einer Plünderung über sich ergehen lassen. Ein Jahr später war es ein schwedisches Heer unter dem General von Wittenberg, das in und um Reichenbach lag und diesseits und jenseits des Eulengebirges gegen die kaiserlichen Truppen erfolgreich kämpfte. Diesmal verfuhr die nordländische Soldateska glimpflicher mit der Einwohnerschaft und bot ihr auf längere Zeit Schutz gegen feindliche Brandschatzungen.

Bereits seit Torstensons Rücktritt im Jahre 1645 war der große Krieg von den Parteien ohne jede Folgerichtigkeit geführt worden. Die unermesslichen Schäden, die ganz Deutschland und nicht zuletzt auch Schlesien erlitten hatten, ließen im ganzen Lande gebieterisch das Verlangen nach Waffenruhe und Frieden wach werden. Aber erst, als die vereinigten Heere der Schweden und Franzosen unter Wrangel, Königsmarck und Turenne die Hauptstadt Prag selbst bedrohten, entschloss sich der Kaiser Ferdinand II., die lange hingezogenen Verhandlungen in Münster und Osnabrück zum Abschluss zu bringen. Der Westfälische Frieden gab endlich im Jahre 1648 dem Deutschen Reich und Volk nach einem Kriege, wie ihn die Weltgeschichte in diesem Ausmaß noch nicht erlebt hatte, die Segnungen äußerer Ruhe, nach denen sich alles sehnte.

Schreckliches hatte Reichenbach in diesen Zeiten erleben müssen. Zwei große Feuersbrünste hatten zahlreiche Wohnstätten in Asche gelegt. Viermal wurde die Stadt völlig ausgeplündert und des letzten Restes von Wohlstand beraubt. Drei Pestjahre hatten ihre Bevölkerung auf kaum ein Fünftel ihres früheren Bestandes vermindert, zwei Hungersnöte taten ihr Übriges hierzu. Nach 14 Brandschatzungen waren die Kassen der Stadtverwaltung und der Bürger leer bis auf den letzten Heller.

Die ständigen Drangsale, dazu der in der Stadt häufig ausgeübte Religionsdruck, hatten viele der protestantischen Einwohner zur Auswanderung getrieben. Teils zogen sie in die Ferne, teils nahmen sie in den benachbarten Orten, in Langenbielau, Peterswaldau, Peilau, Steinseifersdorf und Ernsdorf ihre neuen Wohnsitze. Dort vereinigten sich die ehedem städtischen Weber mit den Freiwebern des Landes, und mit dem im Kriege einsetzenden Verfall zünftigen Handwerks begann in jenen Orten allmählich eine neue Blütezeit der heimischen Textilindustrie. Nie wieder hat Reichenbach jene Vormachtstellung in diesem Fabrikationszweige erreichen können, die es vor dem Dreißigjährigen Kriege besaß. Langenbielau lief der einst so stolzen und weithin bekannten Weberstadt den Rang ab.

Wohl ragten noch wie früher die Türme der Stadtpfarrkirche und des Rathauses weithin ins Land, aber zu ihren Füßen starrten kraftlos die Ruinen ausgebrannter und verödeter Häuser zum Firmament. Die ehedem kornschweren Stadtäcker waren zerstampft und lagen brach. Unkraut wucherte auf den Feldern und in den Gärten. Und doch wölbte sich in klaren Nächten über diesem Bilde des Grauens und der Verwüstung der Himmel mit seinem strahlenden Sternenglanz, friedsam zog der Mond seine Straße und warf die gespenstigen Schatten zerborstener fensterloser Giebel auf Straßen und Plätze, die am Tage nur spärlicher Verkehr der wenigen Überlebenden bevölkerte. Fern im Osten kündete sich nach solchen nächtlichen Stunden dem Turmwächter, der auf dieses Bild heruntersah, die Morgenröte eines neuen Tages an. Die Sternenpracht der Nacht tausendfach überstrahlend, tauchte die Sonne über den Bergen auf, und ihr Wärme spendendes Licht verhieß den armseligen und bedrängten Menschen dort unten die Wiedergeburt alles Lebens und das Kommen einer neuen, besseren Zeit.

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2025)
 
 
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