wtorek, 31 grudnia 2024

Erich Hasse → "Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge" (1929) → Teil 2 von 16 → "Die Gründung der Stadt und ihre Entwicklung unter den schlesischen Piastenherzögen"

 

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2. Abschnitt

Die Gründung der Stadt und ihre Entwicklung unter den schlesischen Piastenherzögen

Aus der Regierungszeit der schlesischen Piastenherzöge rühren die frühesten Urkunden her, die über Reichenbach erhalten sind. Unter diesem eingestammten Fürstengeschlecht, das schon im 11. Jahrhundert in verwandtschaftliche Beziehungen zu deutschen Herrscherhäusern trat, setzte ein reger Zustrom deutscher Siedler ein. Neben den alten, slawischen Ortschaften entstanden zahlreiche deutsche Niederlassungen. Mancherlei Vorteile, die den Deutschen in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht zugestanden wurden, begünstigten die Entwicklung dieser Ansiedlungen, die vielfach die slawischen Dörfer zu völliger Bedeutungslosigkeit herabsinken ließen oder sie gänzlich verdrängten.

In älteren Geschichtswerken über die Stadt Reichenbach ist das Jahr 1159 als Erbauungsjahr der Pfarrkirche zu Sankt George und gleichzeitig als früherer geschichtlicher Zeitpunkt für die bei dieser Kirche entstandene Stadt benannt. Nach einer anderen Überlieferung soll Herzog Boleslaus I. oder Altus, das ist der Lange, Reichenbach im Jahre 1169 gegründet haben. Er soll auch zu dem Rathaus den Grundstein gelegt haben, das Herzog Heinrich I. oder der Bärtige, im Jahre 1203 vollenden ließ. Die gleichen Quellen wissen auch von einem Brande der Stadt im Jahre 1225 und von ihrer Plünderung und Einäscherung durch die Tataren oder Mongolen im Jahre 1241 zu berichten.

Einer kritischen Prüfung halten diese Angaben nicht stand, und wenn sie an dieser Stelle eine Erwähnung finden, dann geschieht es nur, um im Nachstehenden den noch vielfach verbreiteten Irrtum zu beseitigen, dass diese Jahreszahlen Glaubwürdigkeit im Sinne wissenschaftlicher Ergründung unserer Heimat und Stadtgeschichte verdienen; denn trotz nachhaltiger Durchforschung der im Breslauer Stadtarchiv und an anderen Stellen niedergelegten Geschichtsquellen haben sich keinerlei Urkunden ermitteln lassen, durch welche sich die Richtigkeit der erwähnten Jahreszahlen irgendwie nachweisen ließ. Neue Wege mussten beschritten werden, um in das Dunkel, das über den Ursprung der Stadt Reichenbach gebreitet ist, einiges Licht zu bringen. Deshalb sind auch die hier folgenden Ausführungen nur als ein neuer Versuch anzusehen, die Entstehung der Stadt Reichenbach auf der Grundlage der bisherigen Forschungsergebnisse darzustellen.

Noch bevor sich nach den Zeiten der Völkerwanderung und der ersten germanischen Staatenbildungen in Mitteleuropa deutsche Siedler in Schlesien niederließen, führten durch dieses Land bereits einige der großen Handelsstraßen, auf denen sich die ersten Wirtschaftsbeziehungen mit dem höher entwickelten Westen anbahnten. Wenn auch römische Heereszüge schlesisches Land nicht berührt haben, so kann doch aus verschiedenen Bodenfunden der Schluss gezogen werden, dass schon in den Zeiten der römischen Weltherrschaft Handelszüge nach den östlichen Ländern unternommen wurden. So entstanden die Anfänge der ersten, großen Verkehrsstraßen, von denen eine aus dem heutigen Mitteldeutschland längs der Sudeten bis nach Galizien führte. Soweit unsere engere Heimat dafür in Betracht kommt, deckte sich diese alte Handelsstraße ungefähr mit dem Verlaufe der gegenwärtig von Liegnitz über Jauer und Schweidnitz nach Reichenbach, und darüber hinaus nach Frankenstein und Neisse führenden Durchgangsstraße. Es ist weder anzunehmen, noch nachweisbar, dass die Slawen sich längs dieser alten Straßen ansiedelten. Derartige Siedlungen waren in damaliger Zeit von anderen Notwendigkeiten in erster Reihe von der örtlichen Bodenbeschaffenheit, vom Vorhandensein von Wasser, von Anbauflächen u. a. abhängig. Auf den unmittelbaren Anschluss an eine große Verkehrsverbindung waren diese Niederlassungen noch nicht angewiesen. Der Verlauf der Handelsstraße wurde hingegen durch die landschaftlichen Verhältnisse, besonders durch das Vorhandensein hinlänglich ebenen Geländes, wie es die Flusstäler boten, beeinflusst.

Zu einer Verkehrsstraße gehörten Rastplätze. Schon die Römer, die aus den Zeiten ihrer kolonialen Kriegszüge Meister in der Anlage von Lagerstätten waren, sollen solche Rastorte angelegt haben, in der Regel auf einer mäßigen Anhöhe in bequem erreichbarer Nähe von Wasser und in Entfernungen voneinander, die etwa der Strecke eines damaligen Tagemarsches entsprechen. Noch heute lehrt ein Blick auf die Landkarte, dass die Städte längs der erwähnten Straße am Fuße der Sudeten von Liegnitz bis Neisse und darüber hinaus in fast gleichmäßigen Entfernungen zueinander liegen. Diese Entfernung beträgt je nach den zu überwindenden Geländeschwierigkeiten etwa 15 bis 20 Kilometer. Auf unsere engste Umgebung bezogen, finden wir diese Wahrnehmung für die Strecke von Schweidnitz über Reichenbach nach Frankenstein einwandfrei bestätigt. Fast genau die gleiche Entfernung trennt Reichenbach von den beiden Nachbarstädten, und, was außerdem noch bemerkenswert ist, auf der Mitte dieser Teilstrecke finden sich Zwischenrastplätze in Richtung auf Schweidnitz der Ruhberg, dessen Name schon seine Bestimmung erklärt, und auf dem Wege nach Frankenstein der Kleutschberg. Für die mittelalterliche Besiedlung wurde nicht nur die Straße, es wurden auch die an ihr gelegenen Rastplätze von Bedeutung.

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts setzte der erste, größere Zustrom deutscher Siedler nach Schlesien ein. Zugleich mit ihnen kamen Mönche ins Land, die das schon im 10. und 11. Jahrhundert begonnene Bekehrungswerk fortsetzten und ihm durch den Bau von Gotteshäusern und anderen kirchlichen Niederlassungen bald eine feste Grundlage gaben. Auch sie benutzten die vorhandene Verkehrsstraße und siedelten sich zumeist in der Nähe der slawischen Niederlassungen an. Dies war auch im Gebiet der Peile der Fall, deren Name unzweifelhaft slawischen Ursprungs ist. Schon damals werden deutsche Kolonisten auf der Bachstrecke zwischen den Einmündungen des Klinkenbaches und des Peterswaldauer Wassers festen Fuß gefasst haben. Hier entstand die erste deutsche Siedlung, aus der sich später die Gemeinde Ernsdorf mit den zugehörigen Gütern Klinkenhaus, Ernsdorf-Lehngut und Lehngut Altstadt bildete. Diese Bildung selbständiger, deutscher Gemeinwesen dürfte jedoch erst am Ende des 12. oder gegen Anfang des 13. Jahrhunderts zum Abschluss gekommen sein, als unter den Piastenherzögen Boleslaus I., dem Langen, und Heinrich I., dem Bärtigem, besonders aber unter Heinrich II., dem Frommen, eine neue, stärkere Einwanderung Deutscher erfolgt, die nicht mehr bloß bäuerliche Siedler, sondern auch schon Handwerker und Kaufleute hierher führte.

Auf Rodeland mit großen Waldhufen entstanden alle diese ersten Ansiedlungen; denn mächtig war noch in dieser Zeit die Ausdehnung des Waldes, der als Bann- oder Grenzwald den Kamm und die Hänge des Eulengebirges bis hinab in die Täler Gebirgsbäche bedeckte und der sich auch vom Zobten her bis in die Peileniederung erstreckte. Gut deutsch ist der Name des Klinkenbaches, der nichts Anderes bedeutet als klingender oder murmelnder Bach. ,,Klingen” nennt man auch heute in Mitteldeutschland langsam fließende Wassergräben. „An der Klinke“ nannte sich die Ansiedlung, die im Gegensatz zu den Lehmhütten der Slawen schon in ältester Zeit aus Stein erbaut und mit einer Mauer umwehrt war. Die gleiche Anlage finden wir bei dem Lehngut Altstadt, das neben dem heutigen Bahnhof Reichenbach-Niederstadt liegt. Wenn wir deshalb nach den Anfängen der späteren Stadt Reichenbach suchen, dürfen wir mit gutem Recht als ihre Wiege das seit 1890 eingemeindete Ernsdorf, die heutige Niederstadt bezeichnen.

Landwirtschaftliche Siedlung zwingt freilich nicht zu einer Zusammendrängung der wohnlichen Niederlassungen in die Bauformen mittelschlesischer Städte mit ihren planvoll angelegten Straßen und raumsparenden Häusergruppen. Ein Blick auf den Stadtplan lehrt, dass die Anlage der späteren, mauerumwehrten Stadt Reichenbach durch mancherlei andere Notwendigkeiten bestimmt war. Der große Germanist Karl Weinhold, ein Sohn Reichenbachs, führt die Begründung seiner Heimatstadt auf den Umstand zurück, dass die häufigen Überschwemmungen der Peile die dort wohnenden Siedler zur Verlegung ihrer Wohnsitze auf einen höheren, geschützten Ort, zwangen. Sicherlich ist dieser noch heute bestehende Übelstand mitbestimmend gewesen. Aber auch andere Beweggründe sprechen für die Tatsache, dass Reichenbach auf der Anhöhe gegenüber der Einmündung des Klinkenbaches als neues Gemeinwesen, abseits von den Siedlungen längs der Peile, angelegt worden ist.

Es wurde bereits erwähnt, dass neben den bäuerlichen Siedlern auch Handwerker und in ihrem Gefolge Kaufleute einwanderten. Ihre Niederlassung war an einen Ort gebunden, an dem ein bequemer Austausch und Absatz ihrer Erzeugnisse möglich war. Es liegt darum die Annahme nahe, dass ihre Wahl auf den seit altersher in weiter Umgebung bekannten Rastort an der alten Verkehrsstraße fiel. Schon früher wird dieser Rastort zugleich auch Handelsplatz für die Umgegend gewesen sein. Wenn durchziehende Kaufleute mit ihren Fuhrwerken hier ihr Lager aufschlagen, dann wird sich mit der benachbarten Bevölkerung bald auch ein Austausch der Waren angeknüpft haben. Wie es noch heute das Bestreben jedes Kaufmannes ist, sein Geschäft an einer Stelle zu eröffnen, an der erfahrungsgemäß die Kauflustigen aus jahrelanger Gewohnheit zusammenströmen, so werden auch jene Kolonisten aus den Kreisen des Handwerks und der Kaufmannschaft gerade diesen alten Rastort und Handelsplatz zum Mittelpunkt des neu zu schaffenden Gemeinwesens gewählt haben. Auf diese Weise dürfte mit Wahrscheinlichkeit die Anlage der heutigen Reichenbacher Oberstadt auf jener Anhöhe am Ufer der Peile, gegenüber der Einmündung des Klinkenbaches erfolgt sein.

Das Rathaus in seiner frühesten Form. Ende des 13. Jahrhunderts.

Nach seiner ganzen Bauform und Raumeinteilung zeigt Reichenbach das typische Bild der nach einem allgemein gültigen Grundriss planmäßig errichteten Kolonialstadt. Die Kolonisten, denen diese Stadt ihre Entstehung verdankt, stammten wahrscheinlich in der Mehrzahl aus der gleichnamigen Stadt im Meißnischen Vogtlande in Sachsen. So ist die Kolonialstadt am Fuße des Eulengebirges gewissermaßen eine Tochterstadt jener älteren deutschen Gründung geworden, deren Namen sie entlehnte. Wie in der vogtländischen Stadt, so nahmen auch in der Neugründung an der Peile die Tuchmacher und Leinweber frühzeitig die erste Stelle in dem sich rasch entwickelnden Wirtschaftsleben ein.

Mittelpunkt der neuen Ansiedlung war und blieb der Marktplatz, dessen landesübliche Bezeichnung „Ring“ aus dem polnischen Wort „rynek“ entstanden ist, das gleichfalls Marktplatz bedeutet. Ein großes Rechteck ist der Reichenbacher Ring, noch heute wegen seiner stattlichen Ausdehnung ein Schmuckstück der Stadt. Seine Längsachse wurde durch den Verlauf der Durchgangsstraße Schweidnitz—Frankenstein bestimmt. Die Längsseiten sind dem Eulengebirge und dem Zobten zugewendet, die Schmalseiten den vorgenannten Nachbarstädten. Aber anders als in diesen beiden Orten sind die zu dem Marktplatz führenden Hauptstraßen angelegt. Dort gabelt sich nach dem Grundsatz der Verkehrsteilung an den Stadttoren der Weg in zwei nebeneinander verlaufende Straßen, die an den Ecken des Ringes in ihn einmünden. In Reichenbach hingegen werden die vier Ringseiten in der Mitte durch die nach den Toren führenden Hauptstraßen geteilt. Die Verkehrsrichtung gibt den Straßen ihren Namen. Im Zuge der alten Durchgangsstraße liegen die Schweidnitzer- und die Frankensteiner Straße. Von Nordosten her mündet die gleichfalls sehr alte Handelsstraße von Breslau über Heidersdorf, Lauterbach und die Eichberge in den Ring und damit in die Hauptdurchgangsstraße ein. Ihr gegenüber führt die Tränkstraße (Trenkstraße) vom Marktplatz zu einer Furt in der Peile. Eine Fortsetzung über das Stadtgebiet hinaus besaß diese Straße ursprünglich nicht, denn das Gebirge und der Bannwald schlossen jeden Fernverkehr in dieser Richtung aus. Ihr Zweck ist im Wesentlichen ein örtlicher: auf ihr wird das Vieh zur Tränke in der Peile getrieben. Von den Ecken des Ringes, in der Verlängerung seiner Schmalseiten und parallel mit der Breslauer- und Tränkstraße (Trenkstraße) laufen vier Nebenwege: die Kirchgasse, die Klostergasse, die Karlsgasse und die Brauergasse; letztere wird eine Zeitlang auch Fleischergasse genannt. Auch durch diese Gassen gelangt man zu den vier Toren, wenn man in die rings um die Stadt längs der Stadtmauern führende Straße einbiegt. So ergeben sich sechs größere Stadtviertel, die später durch neue Quergassen aufgeteilt werden. Symmetrisch ist die Lage der Viertel, auf denen sich die kirchlichen Gebäude befinden. Von der Südecke des Ringes führt der Weg durch die Kirchgasse zur alten Pfarrkirche und dieser Ecke gegenüber gelangt man durch die Klostergasse zu der Niederlassung der Augustinermönche, in der sich ein besonderes Kirchlein erhebt.

Wie bereits früher dargelegt wurde, ist es zweifelhaft, ob die Pfarrkirche bei der Gründung der Stadt bereits bestand. Nach der Überlieferung soll sie von dem Orden der Tempelherren erbaut worden sein und zu den Kirchen gehören, die zur Lebzeit des sagenumwobenen Grafen Peter, des Dänen, in der Mitte des 13. Jahrhunderts in der Umgebung des Zobtens entstanden sind. Das Vorhandensein einer derartigen Holzkirche auf der Anhöhe der Peile, unweit des alten Rastplatzes, wäre immerhin denkbar. Als Steinbau ist die Kirche sicherlich erst gleichzeitig mit der städtischen Neusiedlung entstanden. Aber schon aus diesem Grunde kann man sie als ältestes Wahrzeichen Reichenbachs ansprechen, und so ist es wohl auch zu erklären, dass die Stadt Reichenbach den Schutzheiligen der Kirche, den Lindwurmtöter Sankt Georg, als Wappenfigur führt.

Das Kernstück des Marktplatzes und gleichzeitig der ganzen Stadt bildete das Rathaus. Sicherlich ist es eines der ersten Gebäude gewesen, die bei der Anlage des Ortes entstanden. Es war ursprünglich nichts Anderes als ein gemeinschaftliches Handelshaus, der Geschäfts- und Verkehrsmittelpunkt der Stadt. Erst später wurde es Sitz der Verwaltungs- und Gerichtsbehörden, als der immer vielgestaltiger sich entwickelnde Handel und Verkehr diese Einrichtungen nötig machte. Das spitzgieblige, gotische Langhaus passte sich in seinem Grundriss der Gestalt des Ringes an. Der Einmündung der Schweidnitzer Straße gegenüber lag die von zwei wehrhaften Türmen seitlich begrenzte Giebelwand, in welcher sich der Haupteingang befand. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde das städtische Gebäude durch den Rathausturm abgeschlossen. Er dürfte etwas später als das Rathaus selbst erbaut worden sein. Gedrungen und wuchtig erhob sich der viereckige Turm über die Häusergiebel, ein Sinnbild der Wehrhaftigkeit, ein letztes Bollwerk, wenn der Feind schon Einlass in die Stadt gefunden hatte; denn feste Mauern entstanden um die Häuserviertel erst um die Wende des 13. Jahrhunderts und später.

Um das Rathaus gruppierten sich auf dem Mittelring die Stände oder Bänke der Handwerker und Kaufleute. Jedem Beruf war ein Platz nach Größe und Zahl der Stände genau zugewiesen. Bald erhoben sich über diesen anfangs offenen Verkaufsplätzen die zunächst nur einstöckigen Bürgerhäuser der bodenfest gewordenen Siedler. In gleicher Weise entstanden längs der äußeren Ringseite Werk- und Wohnhäuser, Läden und bald wohl auch Gaststätten. Entlang den Zufahrtsstraßen bildeten sich geschlossene Häuserreihen. Wenn man die damalige Bautechnik in Betracht zieht, so darf man behaupten, dass die amerikanischen Städte im 19. und 20. Jahrhundert nicht schneller aus dem Erdboden gewachsen sind als die mittelalterlichen Gründungen der deutschen Siedler im Osten des Reiches.

Nur ein ungefähres und auf das Wesentliche beschränkte Bild der Entstehung Reichenbachs konnte an dieser Stelle vermittelt werden, lückenhaft schon deshalb, weil über den genauen Zeitpunkt, zu dem sich die Gründung der Stadt vollzog, Urkunden fehlen. Nach dem Ergebnis der jüngsten Forschungen kann lediglich angenommen werden, dass Reichenbach in seiner hier geschilderten Anlage als Kolonialstadt frühestens im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts erbaut wurde. Ob vor dieser Zeit die an der Peile gelegene Siedlung bereits ein slawischer oder deutscher Marktort, mithin eine stadtähnliche Niederlassung war, ließ sich bisher nicht feststellen. Erwähnt sei jedoch in diesem Zusammenhange die schon von dem Germanisten Karl Weinhold kritisch gewürdigte Tatsache, dass seit altersher derjenige Teil der Gemeinde Ernsdorf, in dem sich das heute Herrn Baum gehörige Lehngut Altstadt befindet, die Bezeichnung „aldenstad“ führte. In verschiedenen Urkunden, so auch in der aus dem Jahre 1376, ist diese Altstadt, zu der neben dem Gut auch eine Schmiede und Mühle gehörten, unter Hinweis auf ihre Lage am heutigen Bahnhof Niederstadt wiederholt erwähnt. Möglicherweise haben die Kolonisten zunächst dort die Anlage einer Stadt versucht. Ungünstige Erfahrungen bei Überschwemmungen, besonders jedoch die wesentlich besseren Verkehrsverbindungen, haben dann wohl zur Gründung der neuen Stadt auf der Anhöhe an der Peile geführt. Der Name Altstadt aber hat sich bis in unsere Tage erhalten. Eine ähnliche Entwicklung der Verhältnisse ist im Übrigen auch bei der Begründung der Nachbarstadt Schweidnitz festzustellen, worüber Heinrich Schubert in seinem reichhaltigen Werk „Bilder aus der Geschichte der Stadt Schweidnitz“ Folgendes ausführt: „Bevor aber die deutsche Stadt Schweidnitz entstand, war sicher schon eine slawische Ansiedlung gleichen Namens vorhanden. Da die Slawen ihre Wohnsitze mit Vorliebe an Flussläufen anzulegen pflegten, so kann diese Siedlung nur in dem Raum zwischen dem Niedertore und der Weistritz, heute Niederstadt genannt, zu suchen sein. Als aber auf Betreiben der schlesischen Herzöge im 12. und 13. Jahrhundert deutsche Kolonisten namentlich aus Mittel- und Westdeutschland in großen Zügen in Schlesien einwanderten, um dieses polnische Land zu germanisieren, wurde auch unsere Gegend von ihnen berührt, und sie gründeten im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts westlich von jener slawischen Niederlassung auf der von Osten nach Westen ansteigenden Höhe eine deutsche Stadt Schweidnitz. Neben diesem deutschen Gemeinwesen konnte sich nun jene Slawensiedlung nicht mehr länger behaupten, sie sank zur Vorstadt herab und wurde erst 1336 durch den Herzog Bolko II. in die deutsche Stadt aufgenommen, wobei sie den Namen Neustadt, das ist neu hinzugekommener Stadtteil, erhielt, während sie in Wahrheit die Altstadt war. Bei anderen schlesischen Städten, wie Jauer, Grottkau, Wohlau u. a. blieb aber die ursprüngliche, slawische Niederlassung neben der späteren, deutschen, weiter bestehen und hat sich unter den Namen Alt-Jauer, Alt-Grottkau usw. bis auf den heutigen Tag erhalten“.

Die Mongolenschlacht bei Liegnitz am 14. April 1241 stellt in der schlesischen Geschichte einen Wendepunkt dar. Trotz des für den Herzog Heinrich II. unglücklichen Ausganges des Kampfes wurde damit doch dem weiteren Vordringen der asiatischen Horden Einhalt geboten. Schon im Mai desselben Jahres war Schlesien von den gefürchteten Eindringlingen frei. Ihr Rückzugsweg, den sie durch das Gebiet zwischen Oder und Sudeten nahmen, war durch brennende Städte und Dörfer gekennzeichnet. Die Hauptstadt Breslau lag, mit Ausnahme des Stadtteils auf der Dominsel, in Schutt und Asche. Das Kulturwerk vieler Jahrzehnte schien vernichtet. Herzog Heinrich III. war nach dem Tatareneinfall bemüht, die verwüsteten Ortschaften wieder aufzubauen und zu bevölkern. Er zog zu diesem Zwecke erneut deutsche Siedler ins Land. Wenn es also unbewiesen bleiben muss, ob Reichenbach bereits vor 1241 ein städtisches Gebilde war, so ist doch mit Sicherheit anzunehmen, dass die Gründung der Kolonialstadt dieses Namens spätestens in die Zeit des Wiederaufbaues nach der Mongolenschlacht fällt.

Die erste urkundliche Erwähnung findet Reichenbach in einer Niederschrift aus dem Jahre 1250, welche die Begebung der Stadt Brieg mit deutschem Rechte behandelt. In dieser Urkunde wird ein Schultheiß oder Schulze namens Heinrich aus Reichenbach benannt. Die Bezeichnung „Schultheiß“ lässt vermuten, dass Reichenbach damals noch kein städtisches Gemeinwesen war. Auch aus zwei weiteren Urkunden aus den Jahren 1258 und 1262, in denen die Reichenbacher und Peterswaldauer Kirchenverhältnisse geregelt werden, ist noch nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, dass Reichenbach damals bereits Stadtrechte besaß. Die Urkunde von 1258 befasst sich mit der Abtrennung der Kirche in Peterswaldau, die von dem Grafen Otto von Willin bei seiner Burg errichtet worden war, von dem Pfarreibezirk der Kirche zu Sankt Georg. Diese erhält als Entschädigung für die durch die Abtrennung wegfallenden Einkünfte ein Stück Land im Niederdorfe, die spätere sogenannte Kommende. Heinrich ist der Name des hierbei benannten Reichenbacher Pfarrers. In der anderen Urkunde vom 23. Juni 1262 stattet der Herzog Heinrich III. als Kirchenpatron unter Beistimmung seines Mitregenten und Bruders Wladislaus, des Bischofs von Breslau, die Reichenbacher Pfarrkirche mit 7.5 Hufen Acker in Ernsdorf und einem Garten „an dem Wege nach Löwenstein“, einer untergegangenen Stadt im Nachbarkreise Frankenstein aus. Er verlieh der Pfarrei ferner die Rechtsprechung in seinem Namen bei Straftaten auf kirchlichem Grund und Boden und trat ihr schließlich noch die ihm selbst zustehenden Zinseinkünfte und sonstige Nutzungen ab. Aus dem gleichen Jahre wird ein Richter namens Arnold aus Reichenbach urkundlich erwähnt.

Ebenso ist in einer Niederschrift vom Jahre 1266 von einem Erbvogt Wilhelm aus Reichenbach die Rede, der die Stadt Bernstadt zu diesem Zeitpunkt gründete. Erst in einer Urkunde vom 12. Mai 1268 ist zum ersten Male von Reichenbach als einem Orte mit Stadtrecht ausdrücklich die Rede. In dieser Urkunde bestätigt der schon erwähnte Bischof Wladislaus von Breslau, der damals für den noch unmündigen Herzog Heinrich IV. die Regentschaft führte, dem Klarenstifte in Breslau die Schenkungen seiner Mutter, der heiligen Hedwig, die Gründerin des Stifts war. Unter den Schenkungen ist auch der Stadtzins von Reichenbach mit 15 Mark aufgeführt.

Wohl im Zusammenhang mit diesen Nachrichten vertritt der um die schlesische Geschichtsforschung verdiente Professor Schönaich zu Breslau die Ansicht, dass Reichenbach als städtische Neubildung schon vor 1258 ein selbständiges Gemeinwesen war. Dafür spricht auch das Vorhandensein eines herzoglichen Vogtes in der Stadt. Reichenbach war damals bereits eine Landvogtei, die später erblich wurde. Solche Vogteien befinden sich in der Tat fast ausschließlich in den Städten oder in unmittelbarer Nähe von solchen. Sitz des Vogtes war die herzogliche Burg am Schweidnitzer Tore. Sie war Schutz- und Zwingburg zugleich. Das mit einem Wehrturm versehene Tor schloss sie gegen die Stadt und eine starke Mauer ringsum nach außen ab. An ihrem Platze steht heute die evangelische Kirche, deren schlanker Turm an derselben Stelle hochragt, an der einst der Wehrturm der Burg sein düsteres Gemäuer über die zum Marktplatze führende Schweidnitzer Straße erhob. In Zeiten äußerer Not bot dieser feste Platz den Stadtbewohnern sicheren Schutz, dafür mussten aber die Bürger in ruhigen Zeiten dem Landesfürsten ihren Tribut in Gestalt des Stadtzinses entrichten. Ein solcher Zins lag im Besonderen auf den bereits erwähnten Verkaufsständen auf dem Ringe, deren Zahl und Abgaben der Herzog jeweils festsetzte. Aufgabe des Vogtes war es, diesen Zins einzuziehen und an seinen Lehnsherrn abzuführen. Anfangs stand den Vögten als Entgelt für ihre Tätigkeit kein bestimmter Anteil von den Einkünften des Herzogs zu. Später wurde dieses Verfahren vereinfacht. Der jeweilige Vogt übernahm mit seiner Belehnung sämtliche herzoglichen Einkünfte und musste dafür dem Lehnsherrn eine bestimmte Abgabe, gewissermaßen eine Pacht, zahlen. Daneben genoss der Vogt schon besondere Herrscherrechte und Freiheiten. Er übte im Namen des Herzogs in der ersten Zeit die alleinige Rechtssprechung aus. Im Laufe der weiteren städtischen Entwicklung erlangten die Bürger aber auch auf diesem wichtigen Gebiete der Selbstbestimmung immer größere Zugeständnisse, worüber mehrere Urkunden aus der späteren Zeit Aufschluss geben.

Mit der fortschreitenden Einwanderung deutscher Kolonisten vollzog sich ein Umschwung, der vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet von Bedeutung wurde. Der Deutsche betätigte sich nicht bloß als bäuerlicher Siedler, er war durch die höher entwickelte Kultur seiner westlichen Heimat den eingesessenen Slawen vor allem auch in den Fertigkeiten des Handwerks weit voraus. Hieraus ergab sich mit Notwendigkeit ein reger Austausch der Erzeugnisse. Deutsche Kaufleute zogen ins Land und vermittelten diesem bald einen bis dahin in diesem Umfang nicht geübten Handel. Es begann eine Zeit veränderten und segensreichen wirtschaftlichen Lebens.

Man muss es den schlesischen Piastenherzögen zuerkennen, dass sie genügend Weitblick besaßen, diese neue Entwicklung weitgehend zu begünstigen, denn schließlich erwuchsen ihnen selbst hieraus vielerlei Vorteile. Bisher bestanden ihre Einkünfte aus den meist recht geringen geldlichen und Sachleistungen ihrer Lehnsmänner und Untertanen und waren bei dem damaligen Zustand des Landes einer nennenswerten Steigerung kaum fähig. Mit dem Einzug der deutschen Siedler wurde es anders. Handwerk und Handel brachten rasch eine Stärkung des allgemeinen Wohlstandes und damit eine Verbesserung der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Es kann daher nicht wundern, wenn die Westenherzöge die Ausbreitung deutschen Wirtschaftslebens, in der Landwirtschaft wie im Handel und Gewerbe, nach Kräften förderten. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht auch die Verleihung gewisser Vorrechte an diejenigen Kreise der Bevölkerung, von denen die Landesfürsten eine Stärkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit und damit eine Erhöhung ihrer eigenen Einkünfte erwarten durften. Auf der anderen Seite war die Einführung solcher Vorrechte nötig, um die zugezogenen Deutschen im Lande zu halten.

Wohl das wichtigste dieser Rechte war das Stadtrecht. Es verlieh den damit bedachten Landeseinwohnern die für damalige Verhältnisse weitgehendste Selbständigkeit, zunächst in wirtschaftlicher, sodann auch in rechtlicher Hinsicht. Aus dem Niederlassungsrecht, das zur Gründung der Stadt führte, erwuchs den dort wohnenden Bürgern bald das Niederlagerecht auch die Stapelgerechtigkeit genannt. Waren durften nicht nur hergestellt, sondern auch zum Kauf angeboten und in den Handel gebracht werden. Die wirtschaftliche Entwicklung führte weiter zur Zollgerechtigkeit und zu der Verleihung des Meilenrechts, das besonders für die Ausbreitung und außerordentliche Blüte der Handwerkerzünfte von ausschlaggebender Bedeutung wurde. Hand in Hand hiermit entwickelte sich die Gerichtsbarkeit und die selbständige Verwaltung der Städte. Es ist üblich geworden, das Bestehen der deutschen Städte im eigentlichen Sinne erst von dem Zeitpunkt ihrer Aussetzung zu deutschem Rechte an zu rechnen. Es ist nicht zu verwundern, dass sich die deutschen Siedler bei ihrer Niederlassung in Schlesien zur Bedingung machten, der Rechtspflege nach deutschem oder, wie es oft hieß, magdeburgischem Rechte, unterworfen zu sein. Für die Stadt Reichenbach ist der Zeitpunkt dieser Aussetzung zu deutschem Recht nicht feststellbar. Er dürfte aber mit der Begründung der Kolonialstadt in engem zeitlichem Zusammenhang stehen.

Da deutsche Bauern und Handwerker die Gründer des neuen, städtischen Gemeinwesens waren, so ist dieses auch in seinen Anfängen zugleich Ackerbürger- und Handwerkerstadt gewesen. Vor dem Breslauer Tore lagen die in Landstreifen aufgeteilten Hufen der bäuerlichen Siedler, für die sich die Bezeichnung Stadt-Asssel noch bis ins vorige Jahrhundert erhalten hat. Dort standen auch die Stadtscheunen, von denen einige noch heute unter dieser Bezeichnung erhalten sind.

Die herzogliche Burg am Schweidnitzer Tor. Sitz der Landvögte. Bauform aus dem 14. Jahrhundert.
An der Peile lag die gemeinsame städtische Viehweide, die heutige Gansau. Noch heute sind die Spuren dieser alten Gemeinheitseinteilung zu erkennen. Später traten die landwirtschaftlichen Interessen hinter denen des Gewerbefleißes zurück, es vollzog sich allmählich die Umwandlung Reichenbachs in eine ausgesprochene Industrie- und Handelsstadt.

In dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts mehren sich die Zeugnisse über die städtische Geschichte. Aus dem Jahre 1272 wird die Errichtung einer Bibliothek bei der Stadtpfarrkirche bekundet. Unter dieser Bibliothek wird eine Sammlung der damals noch von den Mönchen handschriftlich hergestellten Bibelauszüge sowie der kirchlichen Gesänge zu verstehen sein, wie wir sie allenthalben in jener Zeit finden. Im Jahre 1282 wird schließlich noch eine Vereinbarung zwischen dem damaligen Landvogt und dem Leutepriester Heinrich an der Kirche zu St. Georg erwähnt, wobei von besonderen kirchlichen Vorrechten die Rede ist, die der Vogt der Kirche zugestanden haben soll. Es dürfte sich hierbei um den Landvogt Konrad von Reichenbach handeln, der auch in einer Urkunde aus dem Jahre 1390, sowie in zwei weiteren Schriftstücken vom 23. Juni und 30. November 1293 erwähnt wird. Als erste Reichenbacher Ratsherren werden aus dem Jahre 1284 benannt: Fritczko de Lubavia (Liebau), Peter Snellebold, Rudolph an der Ecke, Heinrich Golde und Otto Willandisdorf, durchweg deutsche Namen. Deutsch sind auch die aus dem gleichen Jahre erhaltenen Namen der städtischen Gerichtsschöffen, zu denen gehörten: Albert Mezler, Bäcker Philipp, Konrad vom Graben, Heinrich Ysfeldis (Eisfeld), Berthold Hillczil, Arnold und Nicolaus de Lubavia.

Im Jahre 1290 stoßen wir auf eine neue, sichere Bekundung über die Stadt Reichenbach. Auf einer Pergamenturkunde aus diesem Jahre wurde das Bruchstück eines braunen Wachssiegels vorgefunden, das einen Drachen, die Füße einer menschlichen Gestalt und die Spitze einer Lanze erkennen lässt. Genaue Messungen und Vergleichungen mit dem nachältesten Stadtsiegel von Reichenbach aus dem Jahre 1303 ergaben die Übereinstimmung beider Siegel. Sie waren von mittlerer Größe und zeigten im Innenfelde den Schutzpatron der Kirche, St. Georg, in einer Rüstung, mit einer Lanze, den Drachen tötend. Bemerkenswert ist, dass in diesen Siegeln die im Reichenbacher Stadtwappen übliche, mit Zinnen gekrönte Mauer noch fehlt. Die Umschrift lautete: „S. BURGENSIUM DE RICHINBACH”.

Mit der Ausbreitung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Dörfern der Umgebung und zu den Nachbarstädten wuchs noch der Verkehr in den Straßen der Stadt, besonders aber auf dem Marktplatze. Rasch vermehrte sich die Zahl der Verkaufsstände um das Rathaus auf dem Mittelring. Da waren die Fleischbänke, ferner die Verkaufsplätze der Bäcker und der übrigen Lebensmittelhändler, denen sich die Warenlager der Leinenweber und Tuchhändler sowie der übrigen handwerklichen Berufe anreihten. Eine Urkunde aus dem Jahre 1291 erwähnt beispielsweise die Übertragung des Amtsschutzes über eine Fleischbank an den damaligen Landvogt Conrad in Reichenbach. Aus dem Schriftstück geht hervor, dass dieser Verkaufsstand für den Abt Friedrich des Klosters Heinrichau zugelassen war und Zinsfreiheit genoss.

Bis zum Jahre 1290 stand Reichenbach unter der Herrschaft der Breslauer Herzöge. Als nun Herzog Heinrich IV. von Breslau starb, kam es zu Erbfolgestreitigkeiten unter den schlesischen Piasten in deren Verlauf Reichenbach an Herzog Bolko I. von Schweidnitz fiel. Unter der fürsorglichen Regierung des Bolkengeschlechs, die abgesehen von einer kürzeren Unterbrechung, ein volles Jahrhundert währte, erhielt die Stadt zahlreiche Vorrechte, die ihre Entwicklung sehr begünstigten.

Die Propsteikirche zu St. Barbara vor dem Frankensteiner Tore, rechts des Weges nach Peilau, soll nach älteren Nachrichten noch eine Stiftung des Herzogs Heinrich von Breslau sein. Als Jahr ihrer Erbauung wird 1298 angegeben. Aus der gleichen Zeit ist in einer Urkunde über die Verteilung herzoglicher Einkünfte an das von Bolko I. gegründetes Stift Mariengnade bei Grüssau auch die Stadt Reichenbach mit 4 Mark Zinses aufgeführt. Sehr alt ist ferner die der Jungfrau Maria gewidmete Kirche vor dem Schweidnitzer Tore. Zimmermann gibt als ihr Entstehungsjahr 1290 an.

Ein Fundationsbrief des Bischofs Johann vom 9. Juli 1300 schreibt die Propsteikirche nebst Spital dem Kreuzstift St. Peter und Paul in Neisse zu. In ihr sollen damals ein Propst und ein Kaplan tätig gewesen sein, deren Pfründe aus einem Vorwerk im jetzigen Hebendorf von 300 Morgen Größe, aus einem Garten in der Nähe des Meuselteiches und der sogenannten Spitalmühle am Roten Wasser bestand.

Das Jahr 1303 bringt neben dem bereits geschilderten Stadtsiegel eine weitere wichtige Kunde. Die aus dem Jahre 1291 erwähnte Fleischbank ist Gegenstand eines Zwistes geworden. Die Bürgerschaft der Stadt bestritt die Abgabenfreiheit dieses Verkaufsstandes, aber der Abt Peter des Heinrichauer Klosters wies ein Pergament vor, auf dem dieses Vorrecht vom Landvogt Conrad der Kirche verbrieft wurde. Die Bürger müssen den bisherigen Rechtszustand anerkennen, und der Landvogt Hermann, ein Sohn des vorgenannten Conrad, nimmt die Fleischbank in den gleichen obrigkeitlichen Schutz wie sein Vater.

Das Zollgeld, das seit Längerem von den Durchreisenden zu entrichten war, hob der Herzog Bernhard, der damals noch für seinen jüngeren Bruder Bolko II. die Regierung im Fürstentum Schweidnitz-Jauer führte, in Reichenbach im Jahre 1310 auf. Diese Verkehrserleichterung war dem inzwischen recht kräftig aufgeblühten Handel sehr förderlich. Aus dem Jahre 1311 liegt ferner eine Urkunde vom 29. September vor, die eine Aufzählung der 25 zum Fürstentum gehörenden Städte enthält. Diese werden in dem Schriftstück als „Civitates“ bezeichnet, das sind Orte mit einer Bürgerschaft. Unter ihnen ist auch Reichenbach genannt, das aber damals noch nicht landtagsfähig war und deshalb auch noch keine eigenen Abgeordneten zur Landstandschaft, dieser ersten Form parlamentarischer Vertretung der Landesbewohner stellen durfte. Dieses Recht muss die Stadt aber später erhalten haben, denn sie gehörte im Jahre 1510 zu dem damals zusammengetretenen Städtebund, der in der Folgezeit noch manchen Streit um die erlangten Rechte gegen die Ansprüche des Adels führen musste. Urkundlich nachweisbar ist, dass Reichenbach im Jahre 1318 bereits eine herzogliche Zollstätte war. Für alle hier niedergelegten und zum Verkauf gelangenden Waren musste eine Abgabe entrichtet werden, für deren Abführung an die Kasse des Landesfürsten der Landvogt zu sorgen hatte. Als Distriktsvorort ist die Stadt seit 1322 benannt.

Dem bereits erwähnten Landvogt Hermann, der schon in einer Urkunde vom 8. September 1314 als solcher bezeichnet ist, wurde im Jahre 1323 die Gerichtsbarkeit erblich verliehen. Er stand bei dem Herzog Bernhard von Schweidnitz in hoher Gunst. Im Kopialbuch des Keuzherrnstifts zu Neisse aus dem 15. Jahrhundert ist schließlich noch die Aufzeichnung zu finden, dass im Jahre 1319 eine gewisse Christina Gürich von einer ihr in Reichenbach gehörigen Fleischbank dem Stift einundeinhalb Mark jährlichen Zinses überwiesen habe, wofür als Zeugen Peter und Fritzko Snellebold (Schnellewalde) benannt sind.

Im Jahre 1326 übernahm der inzwischen großjährig gewordene Herzog Bolko II. nach seines Bruders Bernhard Tode die selbständige Herrschaft im Fürstentum Schweidnitz-Jauer. Bei seinem Regierungsantritt belohnte er diejenigen Lehnsleute, die seinem Hause lange Zeit treu gedient hatten, durch Verleihung besonderer Einkünfte und Rechte. Der Landvogt Hermann von Reichenbach erhielt bei dieser Gelegenheit gegen eine Abfindungssumme von 10 Mark die bisher dem Herzog zugefallenen Gerichtsgebühren, die sogenannten zwei Gerichtspfennige aus dem Bezirk der Stadt und aus den zum Weichbild gehörenden Ortschaften. Die aus der Stadt selbst einkommenden Gebühren verblieben ihm erblich. Dagegen sollen ihm die Gefälle aus der Gerichtsbarkeit über die Landgüter des Adels und die Klostergüter der Mönche und Nonnen nur während seiner Lebenszeit zukommen; danach hatte der Herzog über diese Einkünfte wieder freies Verfügungsrecht. Aus dem gleichen Jahre ist uns ferner bedeutsame Kunde von einem Erwerbszweig der Stadt überliefert, durch den sie später einmal weit über die engeren Grenzen des Landes hinaus bekannt und berühmt werden sollte. Es ist dies die Leinweberei und Tuchmacherei, die von den mitteldeutschen Begründern der Stadt hierher verpflanzt worden war. Dieser Gewerbezweig gelangte rasch zu großer Blüte und lieferte bald über den Hausbedarf hinaus zahlreiche Erzeugnisse für den Handel, und zwar in solchem Umfang, dass der Reichenbacher Markt mit seinem immerhin beschränktem Zuspruch für den Absatz der Webwaren nicht ausreichte. Das benachbarte Schweidnitz, die Hauptstadt des Fürstentums, bot dafür ein günstiges Verkaufsgebiet und die Reichenbacher Leinweber hielten dort in größerer Zahl ihre Waren feil. Darüber kam es in der Schweidnitzer Bürgerschaft vornehmlich zwischen den Kammerherren und den Handwebern, zu einem Streit, den eine Urkunde der Stadt Schweidnitz vom Jahre 1328 behandelt. In ihr wird bestimmt, dass die Reichenbacher Weber zusammen mit denen aus Striegau als einzige ihre Waren vor dem Stadthause feilhalten durften. Alle übrigen auswärtigen Weber mussten sich an anderer Stelle in der Stadt Verkaufsplätze suchen. Dieses Vorrecht deutet darauf hin, dass der Ruf der Reichenbacher Waren schon damals ein recht guter und weithin bekannter sein muss.

Unter der Herrschaft Bolkos II. wurden die Rechte der Stadt wesentlich erweitert. Zwar gelangte der Zoll von Reichenbach am 8. März 1330 durch Verkauf an den Ritter Heinrich von Schweinichen, der dieses Recht für 102 Mark erwarb und von dem Erlös aus der Weiterverpachtung alljährlich 4 Mark an das Kloster Grüssau abzuführen hatte. Im Jahre 1346 aber kaufte der wohlhabende Reichenbacher Bürger Kolin dem Ritter dieses Recht ab; von Kolin ging es drei Jahre später endgültig auf die Stadt über. Im Übrigen bestand zu damaliger Zeit die herzogliche Einnahme in der Hauptsache aus dem Geschoß, einer Art von Grundsteuer, welche die Städte alljährlich zu entrichten hatten. Reichenbach zahlte um die Mitte des 14. Jahrhunderts eine solche Steuer in Höhe von 100 Mark. In einer Urkunde vom 3. November 1330 überließ der Herzog der Bürgerschaft das Bestimmungsrecht über das städtische Grundeigentum und über das vor den Stadtmauern wüst und unbebaut liegende Gelände. Bei der späteren Ausdehnung der Stadt über die Grenzen ihrer Mauern hinaus wurde dieses Privileg von Bedeutung. Im Jahre 1332 wurde ihr ferner das Braurecht verliehen. Innerhalb eines Umkreises von einer Meile durfte niemand das damals schon gern getrunkene Bier brauen, wenn er nicht Bürger der Stadt Reichenbach war und somit an deren Lasten teilnahm. Lediglich die auf dem Lande wohnenden Adligen behielten noch die Ermächtigung, sich für ihren Hausbedarf das Bier selbst herzustellen. Wer aber sonst in der Umgegend einen Trunk des edlen Gerstensaftes zu sich nehmen wollte, der musste ihn in der Stadt in den hierfür vom Rate der Stadt zugelassenen Brauhäusern kaufen.

In der hier geschilderten Zeit wird auch die Entstehung der ersten Stadtmauer von Reichenbach anzunehmen sein. Bei dem ständigen Anwachsen der Stadt war die herzogliche Burg nicht mehr in der Lage, in ihren starken Mauern allen Einwohnern Schutz zu gewähren, wenn Gewalt von außen her drohte. An einem solchen Schutz hatten aber Landesfürst, Landvogt und nicht zuletzt die Bürgerschaft selbst größtes Interesse; denn von der Sicherheit des Ortes hingen Erwerbstätigkeit und Wohlstand seiner Bewohner ab, davon aber wiederum die steuerliche Leistungsfähigkeit, aus der die Einkünfte für den Landesfürsten und für den Vogt flossen. Das Material zum Bau der Stadtmauern war der Gneis-Fels, der auch zum Häuserbau verwendet wurde, wie dies noch heute die alten Bauten am Ring in ihren Fundamenten und Innenmauern zeigen. Zwar war der Platz, auf dem die Stadt entstanden war, eine Anhöhe, aber ohne felsigen Untergrund, aus dem man die erforderlichen Steinblöcke hätte brechen können. Die Mauersteine mussten also in den in der Nähe liegenden Steinbrüchen, in erster Reihe wohl aus den Steinbrüchen zwischen Reichenbach und Dreißighuben, gewonnen und mühevoll herangeschafft werden, eine Aufgabe, die einschließlich der Bauarbeiten sicherlich viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte in Anspruch genommen haben mag, bis sich um die Stadt ein sicherer Befestigungsgürtel schloss, der feindlichen Anstürmen Trotz bieten konnte. Um diesen Mauergürtel wurde dann später ein zweiter gezogen, und um den zweiten Gürtel erhoben sich im Dreißigjährigen Kriege die Erdschanzen der Schweden, auf denen heute die Stadtpromenade entlang führt. Einen Beweis für das Vorhandensein der Stadtmauer in dieser frühen Zeit liefert eine Urkunde vom 11. November 1333 , in der Herzog Bolko II. der Stadt alle Einkünfte und Erträge der wüst liegenden Hofstätten innerhalb und außerhalb der Stadt schenkt, damit sie davon jedes Jahr die an der Mauer entstandenen Schäden nach Möglichkeit ausbessern kann. Schon im Jahre 1336 besaß die Stadt eine eigene Schule, an der damals der Rektor Thylo unterrichtete. Vermutlich war es eine sogenannte Lateinschule, denn eine allgemeine Volksschule kannte das Mittelalter noch nicht.

Ein für die Stadtgeschichte wichtiges Jahr ist 1337. In einer Urkunde von 30. Dezember verlieh der Herzog der Stadt Reichenbach alle zu einem selbständigen Stadtgericht gehörigen Rechte. Von nun an hatte über Vergehen und Verbrechen, die im Bereiche der Stadt vorkamen, nicht mehr der Vogt, sondern ein von der Bürgerschaft gewähltes Gericht zu entscheiden. Diesem waren nur die adligen Stände nicht unterworfen, über deren Streitsachen und Vergehen das herzogliche Gericht selbst Recht zu sprechen hatte. Die Stadt nahm gleichzeitig ihren Schutz gegen äußere Gewalt selbst in die Hand. Der Rat der Stadt regelte den Wachtdienst auf den Mauern und die Behütung der Stadttore. Schließlich erhielt die Stadt noch die Freiheit, die ihr zustehenden Einkünfte für den Rat, die Schöffen und die Innungsmeister selbst einzuziehen; es sollten davon aber die alten Rechte des herzoglichen Vogtes unberührt bleiben. Aus dieser Urkunde erhalten wir die Gewissheit, dass zu jener Zeit die Stadt in ihrer Selbstverwaltung bereits recht weit fortgeschritten war. Der Rat, gebildet aus den Konsuln oder Ratsherren, leitete die Verwaltung innerhalb der Stadtgrenze, die Schöffen übten die Gerichtsbarkeit in den Streitsachen der Bürgerschaft aus, und die Vereinigung der Innungsmeister, die hier erstmalig so benannt werden, regelte die beruflichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Handwerkszweigen.

Von diesem Jahre an führte der Rat der Stadt ein neues Siegel, dessen Abdruck uns erhalten ist. In seinem Mittelfelde führt es den bekannten Ritter St. Georg, aber nicht in einer Rüstung, sondern in einem lang herabfallenden Gewande, wie es die Mönche zu tragen pflegen. Zu den Füßen der Gestalt windet sich der Drache, den des Ritters Speer durchbohrt. Die Rittergestalt ist, vom Beschauer gesehen, nach rechts gewendet. Im Hintergrunde befindet sich eine mit Zinnen bewehrte Mauer als Wahrzeichen der Stadtwürde. Die Umschrift des Siegels, das etwa die Größe eines Talers hat, lautet: „S. CIVIUM DE RICHINBACH“, zu Deutsch: „Siegel der Bürgerschaft von Reichenbach“.

Die Stadtpfarrkirche zu St. Georg erfuhr im Jahre 1358 einen Wechsel ihres weltlichen Schutzherrn. Anstelle des herzoglichen Patrons trat der von Bolko II. damit beliehene Orden der Malteser-Ritter, deren Prior namens Gallus der erste in der Reihe der Kommendatoren war, die in der späteren Stadtgeschichte noch öfters Erwähnung finden. Bis zum Jahre 1810 hat der Orden seine Patronatsrechte ausgeübt.

Zwei bedeutsame Geschehnisse fallen in das Jahr 1350. Der Herzog Bolko II. verlieh der Stadt den Salzmarkt. Salz war damals ein wichtiger Handelsgegenstand und die Einkünfte, die aus der Niederlage und dem Verkauf dieses Erzeugnisses der Stadtkasse zuflossen, spielten eine wesentliche Rolle. Zu gleicher Zeit ging die Landvogtei auf die Stadt über. Die Rechtspflege in den Ortschaften des städtischen Weichbildes wurde seither durch das Reichenbacher Gericht ausgeübt. Das Jahr 1363 brachte einen lang andauernden Winter. Noch am Pfingstsonnabend lag der Schnee eine Elle hoch auf den Straßen. Im darauf folgenden Jahre erwarb der Malteserkommendator Nikolaus Kolin mit herzoglicher Genehmigung von dem Altaristenorden ein größeres Wohngebäude neben dem Gotteshaus, das jetzt Malteserpfarrkirche genannt wird. Dort richtete er den Komturhof ein.

Bolko II. blieb auch in der Folge nicht müßig, die Entwicklung der Stadt zu fördern. Im Jahre 1366 erlangte die Stadt auf Ansuchen eine Erleichterung ihrer landesherrlichen Abgaben, und 1367 verlieh ihr der Herzog das Jagdrecht auf der Feldmark von Ernsdorf. Dieses neue Vorrecht beweist, dass mit dem Aufblühen der mit Mauern umwehrten Stadt die Bedeutung der Siedlung an der Peile, der heutigen Niederstadt, immer mehr verloren gegangen war. Daneben wurden der Stadt noch die Schaftrift in Ernsdorf und teilweise auch das Fischereirecht im Peilebach zugewiesen.

Das Jahr 1368 ist bemerkenswert durch den Tod des bedeutungsvollen Herzogs Bolko II. Seine Ehe mit Agnes, der Tochter Leopolds von Österreich, war kinderlos geblieben. Er hatte deshalb seine Nichte Anna adoptiert, die er im Jahre 1353 mit König Karl IV. von Böhmen vermählte, wobei vereinbart wurde, dass nach dem Ableben der Adoptiveltern die Fürstentümer Schweidnitz und Jauer der böhmischen Krone zufallen sollten. Die Herzogin-Witwe Agnes übernahm nach Bolkos Tode die Regierung und führte sie noch 24 Jahre lang zum Segen des Landes.

In die Zeit ihrer Verwaltung fällt die im Jahre 1369 erfolgte Errichtung einer Zunft der Tuchmacher und Tuchhändler. Eine Urkunde vom 28. Februar 1369 besagt, dass die Herzogin „Mit Rate ihrer getreuen Mannen und auch mit Rate ihrer getreuen Städte“ aus ihrem Haus zu Schweidnitz den Streit zwischen den Reichenbacher Webern und Gewandschneidern um das Recht des Gewandschnittes dahin entschieden habe, dass nur die Kammerherren das Tuch ellenweise an die Schneider verkaufen durften, während Bolko ll. im Jahre 1367 dieses Recht auch den Webern zugestanden hatte. Aus dem gleichen Jahre wird als Burgvogt in Reichenbach ein Wasserrabe von der Czirle genannt, der dem König von Böhmen für die Stadt den Huldigungseid für den Todesfall der Herzogin Agnes leistete. Die Stadt besaß hinter der Gansau ein Vorwerk, das sie 1369, wie eine von der Herzogin am 19. Mai ausgestellte Urkunde beweist, an einen gewissen Konrad Pynekorn verkaufte.

Über die bereits erwähnte Altstadt in Ernsdorf findet sich in einer Urkunde vom Jahre 1376 Näheres aufgeführt. Zu ihr gehörten ein Gutsschloss, eine Schmiede und zwei Wassermühlen. Die Bewohner sollen in früheren Zeiten den Ort wegen der häufigen Hochwassernot verlassen und ihren Wohnsitz größtenteils nach der höher gelegenen Stadt Reichenbach verlegt haben. Die in der Altstadt noch Verbliebenen genossen aber, obwohl eine halbe Wegstunde von der Stadt entfernt wohnend, deren Bürgerrechte. Bemerkenswert ist auch die Erwähnung einer Badestube, die nach einer Urkunde vom 16. März 1376 in der Tränkstraße (Trenkstraße) lag.

Als Malteserkommendator wird um das Jahr 1380 ein gewisser de Prato benannt. Dieser führte mit der Stadt seinen Streit um das Berufungsrecht bei Besetzung der Stellen an der Stadtschule. In dem Streit erhielt schließlich die Stadt in einer Urkunde vom 3. März 1383 das Recht zugesprochen, diese Stellen zu besetzen. Damals sollen an der Schule bereits ein Rektor, ein Kantor, ein Organist und Glöckner sowie ein bei Hochzeiten und ähnlichen Anlässen damals sehr begehrter Kunstpfeifer tätig gewesen sein. In einem Schriftsatz vom Jahre 1384 bestätigt die Herzogin die Verleihung der Landvogtei an die Stadt. Ein anderes Dokument beschäftigt sich mit dem bereits erwähnten Fischreichtum der Peile.

Wichtig für die Stadt war auch die Verleihung eines Schöffensitzes, der ihr von der Herzogin in einer Urkunde vom 12. Juli 1386 zugesprochen wurde. Sie bedeutete für Reichenbach eine wesentliche Erweiterung der selbständigen Gerichtsbarkeit. Im folgenden Jahre wurde vom Rat der Stadt in Ausführung der im Jahre 1369 getroffenen Entscheidung eine Ordnung für die Zunft der Schneider und Weber erlassen.

Am 2. Februar 1392 starb die hochbetagte Herzogin Agnes. Ihr verdankt Reichenbach viele Freiheiten. Unter ihrer Regierung begann sich die Stadt in segensreichen Friedensjahren schwungvoll zu entwickeln. Mit dem Tode dieser letzten Herzogin aus dem Piastengeschlecht fiel das gesamte Fürstentum Schweidnitz-Jauer an die böhmische Krone. Nach den Segnungen des Friedens kamen nun Krieg und Verwüstung, Seuchen und Plünderungen ins Land und kehrten bald den bis dahin erworbenen Wohlstand Reichenbachs auf.

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2025)


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poniedziałek, 30 grudnia 2024

Erich Hasse → "Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge" (1929) → Teil 1 von 16 → "Unsere Heimat in vor- und frühgeschichtlicher Zeit"

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Der Einwohnerschaft, dem Magistrat und der Stadtabgeordnetenversammlung gewidmet.

 

Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge

von Erich Hasse

 

Druck und Verlag des „Reichenbacher Tageblattes“

Inhaber: Carl Maetschke

Reichenbach (Eulengebirge)

1929

 

Die Einbanddecke und die Zeichnungen zu den Illustrationen entwarf Kunstmaler Kurt Arendt in Reichenbach (Eulengebirge). Das Material zu den Lichtbildwiedergaben ist der städtischen Bildsammlung entnommen.

(...)

 

 

1. Abschnitt

Unsere Heimat in vor- und frühgeschichtlicher Zeit

Im Anfang war das Eis. Es bedeckte auch das Land, das heute zwischen Zobtenberg und dem Kamm des Eulengebirges grünt und blüht. Endlich wich die ungeheure Eisfläche im Banne urgewaltigen Naturgeschehens nach Norden zurück. Die Strahlen der Sonne zauberten Leben aus der zernarbten Erde. Es wuchs der Wald, und die Wassermassen brausten in silbernen Bächen zu Tal. Der Wald eroberte das Land Stück um Stück bis hinauf zu den Gipfeln der Berge. Er war die Aufenthaltsstätte der Tierwelt, die mit Elch, Auerochs, Bär und den gefiederten Freunden des Waldes hier bald Einzug hielt. Jahrtausende gingen über diesem allmählichen Werden neuen Lebens dahin.

Dann kam der Mensch. Urgeschichtliche Forschungen haben in den letzten Jahrzehnten das Dunkel ein wenig gelüftet, das über dieser ältesten Zeit liegt, in der erstmalig des Menschen Fuß schlesische Erde betrat. Die wissenschaftliche Auswertung der oft nur durch einen Zufall gewonnenen Funde lässt heute mit einiger Sicherheit die Annahme zu, dass das Land zwischen dem Oderstrom und den Sudeten bereits in der jüngeren Steinzeit, die etwa 5000 Jahre vor Christi Geburt ihren Anfang nahm, besiedelt worden ist. Von Süden her, aus den Donauländern sollen diese ersten Ansiedler gekommen sein, doch kann es nur eine spärliche Besiedlung der mit riesigen Waldflächen und teilweise auch mit Steppen, Seen und Sümpfen bedeckten Heimat gewesen sein. Etwa 2000 Jahre später, so nimmt es die urgeschichtliche Forschung an, kamen an der Oder heraus erneut Einwandererzüge, diesmal von Norden her. Sie waren größer als die bisherigen Einwohner des Landes und wiesen in ihrem Körper- und Schädelbau die den Indogermanen eigentümlichen Merkmale auf. Immer reicher wird nun die linke Oderuferseite besiedelt, auch in der Gegend um den Zobten bis hinab an das Peiletal. Langsam dringen diese germanischen Volksstämme im Laufe der Jahrhunderte weiter vor.

Noch ganz einfach ist die Lebensweise des ersten Menschen. Er hauste in dürftigen Wohngruben kaum unterschieden vom Tier, mit dem er die Nahrung des Waldes teilte, und gegen das er den Kampf ums Dasein aufnahm, seit ihm der Feuerstein als erstes Werkzeug menschlichen Geistes eine überlegene Waffe wurde. An den Ufern der Bäche wich der alles bedeckende Wald um ein weniges zurück, eine Folge der Überschwemmungen, die in den Zeiten größerer Regenfälle eintraten. In den flachen Mulden des den Gebirgszügen vorgelagerten Hügellandes bildeten sich Sümpfe und Seen. Überall dort, wo das Wasser, dieses wichtige Lebenselement, zu finden war, siedelten sich die ersten Menschen an und begannen Ackerbau zu treiben. Daneben bildeten Jagd auf die Tiere des Waldes und Fischfang in den Gewässern den Lebensunterhalt der ersten Bewohner. Bald lernte der Mensch, sich die Tiere dienstbar und nützlich zu machen; er begann Viehzucht zu treiben. Nach dem Kampf mit den Tieren des Waldes nahm er den Kampf mit dem Walde selbst auf. Stück um Stück musste der Wald den innegehaltenen Boden dem Menschen freigeben, der mit der Waffe des Steinbeils und des Feuerbrandes Sieger blieb. Der sterbende Wald düngte das an den Menschen abgetretene Land. Erstes menschliches Kulturleben erwachte.

Vorgeschichtliche Grabfunde, da und dort im Lande zwischen Zobten und Hoher Eule verstreut, sind die ältesten Zeugen jener langen Entwicklungszeit. Wo sich besonders günstige Lebensmöglichkeiten boten, wo gutes und reichliches Wasser vorhanden war und hinlänglich ebenes Land angrenzte, lagen die menschlichen Siedlungen bald enger beieinander. Das erste Gemeinschaftsleben entwickelte sich. Dort, wo wir heute längs des Peilebaches von Oberpeilau über Reichenbach, Neudorf und Faulbrück hinaus Gemeinwesen an Gemeinwesen gereiht finden, wohnten schon frühzeitig unsere Vorfahren, über deren Abstammung und Herkunft wir im Übrigen ebenso wenig Sicheres wissen, wie über den einst alles bedeckenden Wald.

Von Süden her hatte ehedem das organische Leben in Gestalt von Wald, Tier und Mensch seinen Einzug gehalten. Viele tausend Jahre später kamen aus der gleichen Richtung Kaufleute der römischen Weltmacht ins Land. Römische Überlieferung gibt uns die erste geschichtliche Kunde von den Bewohnern unserer engeren Heimat und bezeichnet sie in lateinischer Sprache als Lygier oder Silinger und zugleich als Glieder des großen, germanischen Volksstammes der Vandalen. Mit dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs versiegen für mehrere Jahrhunderte die geschichtlichen Quellen. In den Zeiten der großen, umwälzenden Völkerwanderungen dringen fremde Volksstämme in die Gebiete der Silinger ein. Es sind dies Teile der von Osten und Südosten her einwandernden Slawen. Immer stärker wird ihr Zustrom. Schließlich ergreifen sie völlig von dem Lande zu beiden Seiten der Oder bis an die Hänge der Sudeten Besitz und siedeln sich dort in den Niederlassungen ihrer Vorgänger an. Auch hierüber vergehen Jahrhunderte, während deren sich im Westen des germanischen Landes bereits etwas Neues vollzieht, das bald bestimmenden Einfluss auch auf die jetzt von den Slawen bewohnten Gegenden gewinnen sollte. Es bilden sich die ersten germanischen Staaten. Karl der Große gründet das fränkische Weltreich und rückt dessen östliche Grenzen bis an die Elbe und teilweise darüber hinaus.

Das Jahr 843 n. Chr. bringt im Vertrage von Verdun die für Osteuropa entscheidende Wendung. Das fränkische Reich löst sich in drei Teile auf. Aus Westfranken bildet sich das heutige Frankreich; das spätere Deutsche Reich entsteht aus Ostfranken. Zwischen beiden bleibt zunächst Mittelfranken bestehen, bis es im Verlauf der Entwicklung von den beiden großen Randstaaten aufgesogen wird. Mit der Entstehung und Erstarkung des ostfränkischen Reiches setzt gleichzeitig ein natürlicher Ausdehnungsdrang nach Osten hin ein. Zwangsläufig ergaben sich hieraus Berührungs- und Reibungspunkte mit den zu beiden Seiten der Oder wohnenden Slawen. Diese hatten das Siedlungswerk inzwischen fortgesetzt. Slawische Ortsnamen wie Guhlau, Groß-Ellguth und andere sind in unserer Gegend noch heute ein Beweis dafür. Zu einer größeren Staatenbildung und organischen Zusammenfassung der Volkskräfte war es jedoch nirgends gekommen.

Da traten Geschehnisse ein, die für die weitere Entwicklung des slawisch besiedelten Landes von maßgeblichem Einfluss wurden. Etwa seit dem Jahre 900 n. Chr. verheerten die Einfälle der Hunnen slawisches und germanisches Gebiet. Dieser von Ungarn aus hereinbrechende Volksstamm war seit den Zeiten der Völkerwanderung noch nicht zur Ruhe und Sesshaftigkeit gekommen. Dem Auftauchen der kriegerischen Nomadenscharen standen die an der Ostgrenze des ostfränkischen Reiches wohnhaften Deutschen und die benachbarten Slawen im gleichen Maße machtlos gegenüber. Aber die staatenbildende Kraft der germanischen Volksstämme fand bald Mittel und Wege, den Einfällen der Hunnen zu begegnen. Allenthalben wurden unter Heinrich I. an der Ostgrenze nach dem Muster der westlichen Entwicklung feste Burgen errichtet, die der vorwiegend Ackerbau treibenden Bevölkerung Schutz boten und ein sicheres Bollwerk gegen die räuberischen Überfälle der landfremden Horden waren. Um diese befestigten Plätze an der Ostgrenze Deutschlands drängten sich die vordem weit zerstreuten Niederlassungen zu nahe beieinander liegenden Wohnplätzen zusammen. So entstanden die ersten Städte im Osten des Reiches, zeitlich viel später als die Städte des Westens.

Jahrzehnte vergingen über dieser Entwicklung. Reibungen mit den östlichen Nachbarn, den Slawen, blieben nicht aus. Bedrängt von den Hunnen, hatten die Slawen versucht, sich nach Westen hin auszubreiten und von deutschem Land Besitz zu ergreifen. Wechselnde Kämpfe zwischen den deutschen Siedlern und den slawischen Eindringlingen füllten die nächste Zeit aus. Otto I., Heinrichs Nachfolger, setzte seine ganze Macht im Osten gegen die Slawen ein und schaffte zunächst in Böhmen Ordnung. Dessen Herzog Boleslaus wurde schließlich sein Vasall. Damit war eine wichtige Grundlage für die deutsche Kolonisation im Osten geschaffen. Mit dem deutschen Schwert drang auch das Christentum allmählich ins Land ein. Als im Jahre 963 Otto I., der Große, seine letzte Fürstenversammlung in Quedlinburg hielt, da erschien dort auch der Polenherzog Miesko, der Beherrscher Schlesiens, als sein Tributpflichtiger. Polen und Böhmen, und mit ihnen unsere engere Heimat, standen seit jener Zeit unter deutscher Oberhoheit zunächst freilich nur in der Form einer Tributpflicht.

Die staatenbildende Kraft des Deutschen Reiches griff im Laufe der Zeit auch über die östlichen Grenzen hinaus. Mit der Errichtung des Erzbistums Gnesen erfolgte der erste Schritt hierzu. Aber Hand in Hand damit ging eine Entwicklung, die eigentlich im Gegensatz zu den deutschen Reichsinteressen stand.

Ein neuer Staat entstand aus den bisher nur lose miteinander verknüpften polnischen Herzogtümern, die vordem infolge dauernder Fehden und innerer Erbstreitigkeiten zu keiner Einheit gelangen konnten. Boleslaus II., zu dessen Herzogtum damals schon Polen, Schlesien und Mähren gehörten, stellte Ansprüche auf die Lausitz und schloss gegen den Kaiser Heinrich II. geheime Bündnisse ab. Aber dieser kraftvolle Herrscher ging mit Kriegsgewalt gegen den Ehrgeiz der Polen vor. Im Jahre 1004 wurde der Feldzug eröffnet. Nach der Eroberung Böhmens wurde das polnische Heer durch Schlesien bis an die Oder verfolgt und bei Crossen vernichtend geschlagen. In den sich hieran schließenden Kämpfen auf schlesischem Gebiet berührten erstmalig deutsche Kriegsscharen den Eulengau bei der Belagerung der Veste Nimptsch. Im Jahre 1018 musste Boleslaus II. endlich Frieden schließen. Sein Nachfolger, der Polenherzog Miesko II., blieb zunächst ebenfalls deutschfeindlich.

Katholische Stadtpfarrkirche zu Sankt Georg, älteste Bauform, 13. Jahrhundert
Unter dem Kaiser Konrad vollzog sich in dieser Zeit die Vereinigung Mährens mit Böhmen, das Bretislaw als des Kaisers Vasall mit deutscher Unterstützung eroberte. Von den Völkern aus dem Innern Russlands bedrängt, von inneren Wirren zerfleischt, kam unter Miesko schließlich das polnische Land endgültig unter die deutsche Oberherrschaft. Miesko verzichtete auf den Königstitel. Das polnische Herzogtum nahm von nun an im Wesentlichen seine Staatsformen aus der deutschen Lehn- und Markenverfassung. Unter dem Schutze der starken kaiserlichen Macht erhoben sich im polnischen Lande deutsche Siedlungen und aus ihnen entstanden im Laufe der weiteren Entwicklung die ersten Städte auf schlesischem Boden, die sich in ihrer Verfassung durchaus an das deutsche Recht anlehnten.

Vorbereitet wurde die Besiedlung mit deutschen Kolonisten durch verschiedene Umstände. Bereits im Jahre 979 hatte durch Vermittlung des damaligen Kaisers Otto II. der Polenfürst Miesko eine Tochter des deutschen Markgrafen Theoderich zur Gattin genommen. In der Folge fand dieser Brauch unter den polnischen Herrschern und ihren Lehnsleuten immer mehr Eingang. Diese Verbindungen eröffneten die ersten Gelegenheiten zu einem starken Zuzug deutscher Siedler. Gleichzeitig begann die Ausbreitung des Christentums durch die Mönche der in den Kreuzzügen zahlreich entstandenen kirchlichen Orden. Polen, zu dem Schlesien in dieser Zeit noch gehört, war durch andauerndes inneres Wirren zerrüttet. Als Herzog Wladislaus II. im Jahre 1159 starb, erwies sich keiner der polnischen Teilfürsten als fähig, die Oberherrschaft über den ganzen Staat anzutreten. Mit Unterstützung des deutschen Kaisers Friedrich I. kam schließlich im Jahre 1163 ein Vergleich zustande. Schlesien wurde unter die drei Söhne des Wladislaus geteilt und ein im Wesentlichen unabhängiger Staat, in dem die Herzogfamilie der Piasten zur selbständigen Herrschaft gelangte.


Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2024)

 

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