poniedziałek, 7 kwietnia 2025

Gram-repetytka ostsłowiańska z czasów Edka Gierka and Loni Breżniewa (1977)

Na niniejszym zablogowaniu można znaleźć często występujące odniesienia motywujące do nauki różnych języków obcych, w tym także do tych ostatnio jakby nieco bardziej zwalczanych.

Oto mała próbka ...

... większej całości, która znajduje się aktualnie już w domenie publicznej, więc tym bardziej warto ją polecić, a przede wszystkim z niej korzystać.

Nauczyciele języków obcych pewnie chętnie wykorzystają to coś na zajęciach, a może i przez jakiegoś OCR-a "przegonią", aby jeszcze bardziej komfortowo "wydłubywać" poszczególne w danym momencie potrzebne exercises, a i samoucy także się uradują, ponieważ dopierdyknięto nie tylko słowniczek dla Polaków, ale i pełny klucz z odpowiedziami oraz informacje dotyczące akcentowania.

Zachęcam do zainteresowania się, póki jeszcze za to nie wsadzają, bo Pan Bóg tylko raczy wiedzieć, co poststyropianom-solidaruchom znowu do łbów zakutych "mikrocefalnych" akurat na danym odcinku zarządzonej mądrości etapu strzelić raczy, gdyż "wajchę" są w stanie przełożyć w dowolną pozycję, w zależności od tego, ile im zapłacą.


(Marcin Perliński)



sobota, 5 kwietnia 2025

Erich Hasse → "Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge" (1929) → Teil 15 von 16 → "Rückblick und Ausblick"

 Abschn. 14 « » Abschn. 16

 

15. Abschnitt.

Rückblick und Ausblick

Aus dem Jahre 1250 ist uns die erste, geschichtlich sichere Kunde von der deutschen Stadt Reichenbach zuteilgeworden, und sieben Jahrhunderte ihrer Geschichte sind auf diesen Blättern an unsrem geistigen Auge vorübergezogen, ein Spiegelbild deutschen Werdens und Wesens, ein Stück deutscher Vergangenheit. Die Zeit eilt rastlos weiter. Schon trennt uns heute mehr als ein volles Jahrzehnt von dem gewaltigen Erlebnis des Weltkrieges. In 22 Jahren wird man die 700-Jahrfeier Reichenbachs begangen haben, wenn es nicht gar emsiger, neuer Forschung in der Zwischenzeit gelungen ist, das wirkliche Gründungsjahr der Stadt oder wenigstens ein früheres, geschichtliches Datum festzustellen.

Uns, den heute Lebenden und Schaffenden, ist nur eine kurze Spanne des Wirkens gegeben. Die Heimatstadt, der Ort, wo wir unsere Kindheit verbrachten, wo wir später unseres Lebens Inhalt und Erfüllung fanden, wird uns, wie so viele Generationen vorher, überdauern. Neue Geschlechter werden den Platz der vergangenen einnehmen. Neue Aufgaben und Ziele erwarten sie. Für die jetzige und für die kommende Generation ist diese Geschichte der Stadt Reichenbach geschrieben worden, ein vergängliches und unvollkommenes Menschenwerk. Doch wie man am Ende jeden Werkes eine Weile innehält, es noch einmal betrachtet und sodann den Blick in die dunkel ausgebreitete Zukunft lenkt, so soll auch diese Chronik mit einem Rückblick und Ausblick beschlossen sein. Öfter, als es sonst in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kam, müssen dabei zahlenmäßige Angaben den Fluss der Erzählung unterbrechen, Markzeichen am Ende eines langen Weges, den der Leser dieser Stadtgeschichte mit dem Verfasser wanderte.

Groß waren, wie schon an anderer Stelle dargelegt worden ist, die Lücken, die der Weltkrieg und seine Folgen in die Bevölkerung gerissen hatten. Kurz vor dem Kriege zählte Reichenbach nahezu 17 000 Einwohner. Diese Zahl erreichte 1919 ihren Tiefststand mit 15 435 Seelen. Heute ist mit 16 855 Einwohnern der Vorkriegsstand nahezu wieder gewonnen. Hiervon gehören 10 707 Bewohner dem evangelischen und 5100 dem katholischen Bekenntnis an. Außerdem wurden 8350 Angehörige der bekenntnisfreien Richtung, 67 sonstige Christen, 53 Katholisch-Apostolische, 50 Juden und 28 Adventisten gezählt.

Die gegenwärtige politische Zerklüftung des deutschen Volkes spiegelt sich auch in der wahlfähigen Bürgerschaft Reichenbachs getreulich wieder. Bei der letzten Reichstagswahl am 20. Mai 1928 verteilten sich die abgegebenen Stimmen auf die größeren Parteien wie folgt:

 

Sozialdemokratische Partei: 3701

Deutschnationale Volkspartei: 2066

Zentrum: 1573

Deutsche Volkspartei: 706

Kommunistische Partei: 405

Wirtschaftspartei des Mittelstandes: 368

Deutschsoziale Partei: 362

Deutsche Demokratische Partei: 176

 

Rechnet man zu den Parteien der Linken die Sozialdemokraten und Kommunisten, alle übrigen Parteien dagegen zu der allgemeinen, bürgerlichen Richtung der Vorkriegszeit, so ergibt sich, dass den 4106 Stimmen der Linken 5251 Stimmen der Bürgerlichen gegenüberstehen; doch hat sich dieses Bild im Verlaufe der gemeindlichen Wahlen und bei wichtigen Entschließungen der städtischen Körperschaften mehrfach nach der einen oder anderen Seite hin verschoben, so dass gegenwärtig von einer beständigen Mehrheit innerhalb des Stadtparlaments nicht gesprochen werden kann. Wie schon vor Jahrzehnten ist aber auch jetzt die Bevölkerung in überwiegender Zahl liberalen und demokratischen Anschauungen zugeneigt.

Wie jedes andere Gemeinwesen gleicher Art und Größe hat auch die Stadt Reichenbach heute größere kommunale Aufgaben zu erfüllen, als dies in den Zeiten vor dem Kriege der Fall war. Deshalb kann es nicht verwundern, dass die Ausgaben, besonders solche für soziale Zwecke, sich bedeutend vermehrt haben. Da die Stadt nur über unbeträchtlichen eigenen Grundbesitz und ebenso über keine nennenswerten Einnahmequellen ähnlichen Ursprungs verfügt, ist die Tatsache erklärlich, dass die öffentlichen Lasten eine erhebliche Steigerung erfahren haben. Es werden gegenwärtig an steuerlichen Zuschlägen erhoben: 240 Prozent zur Grundvermögensteuer, 740 Prozent zur Steuer vom Gewerbeertrag und 2000 Prozent zur Steuer vom Gewerbekapital. Hierzu treten noch die Zuschläge zur Betriebs- und Zweigstellensteuer mit 148 Prozent vom Gewerbeertrag und 400 Prozent vom Gewerbekapital. Der Gesamthaushaltsplan der Stadt für das Rechnungsjahr 1928/29 schließt in Einnahme und Ausgabe mit 2 900 000 Reichsmark ab. Davon müssen 857 000 Mark durch Steuerzuschläge gedeckt werden. Im Durchschnitt entfallen auf den Kopf der Bevölkerung 51,15 Mark Gemeindesteuern im Jahr. Die Stadt besitzt ein Vermögen von 5 585 000 Mark, denen Schulden in Höhe von 2 583 000 Mark gegenüberstehen, sodass ein Reinvermögen von 3 020 009 Mark verbleibt.

Von den gemeindlichen Ausgaben sind folgende die wichtigsten und größten: Die Unterhaltung des städtischen Schulwesens kostet die stattliche Summe von 353 000 Mark, wovon 230 000 Mark auf die Volksschulen, 86 060 Mark auf das Oberlyzeum und 27 000 Mark auf die Berufs- und Fachschulen, entfallen. Der Verwaltungsapparat der Stadt hat sich gegen die Vorkriegszeit erheblich vermehrt. Die Ausgaben für die Besoldung der städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter einschließlich der Ruhegehälter betragen gegenwärtig 454 000 Mark. Die sächlichen Kosten der Verwaltung belaufen sich auf etwa 40 000 Mark. Für die Unterhaltung der Straßen werden 54 000 Mark benötigt, für ihre Bereinigung 19 000 Mark und für die Beleuchtung 27 000 Mark. Der Betrieb der Kläranlage und Kanalisation verursacht Ausgaben von rund 25 000 Mark.

Erheblich sind auch die Aufwendungen für das gut ausgebildete Polizeiwesen. Sie betragen 122 000 Mark. Für das Feuerlöschwesen werden 12 000 Mark aufgewendet. Zur Unterhaltung und Unterstützung von Einrichtungen zur Pflege von Kunst und Wissenschaft kann die Stadt wegen der ungünstigen Wirtschaftslage gegenwärtig nur etwa 7 300 Mark beitragen, die sich in der Hauptsache auf die Volksbücherei, die Lesehalle und das Heimatmuseum, sowie auf Beihilfen für das Musik- und Theaterwesen verteilen. Verhältnismäßig hoch sind die Ausgaben für Wohlfahrtszwecke. Sie erfordern eine Summe von 182 000 Mark, wovon der größte Teil auf soziale Unterstützungen und Anstalten entfällt. Die Schuldentilgung beansprucht rund 110 000 Mark und weist eine erhebliche Steigerung auf, weil die Stadt das bemerkenswerte Bestreben zeigt, sich von den mehrfach aufgenommenen Anleihen so schnell als möglich frei zu machen. Schließlich müssen noch an Kreissteuern 175 000 Mark von der Stadt geleistet werden.

Gegenüber diesen Ausgaben sind die eigenen Einnahmequellen Reichenbachs verhältnismäßig beschränkt. Sie bestehen in erster Reihe aus den Überschüssen der Sparkasse, der Betriebswerke und aus der Nutznießung der Grundstücke. Hierzu treten die gesetzlichen Anteile der Stadt aus der Reichseinkommensteuer und Körperschaftssteuer. Die hier geschilderten Verhältnisse zwingen die Stadtverwaltung gegenwärtig zu größter Sparsamkeit und zur Beschränkung auf die allernotwendigsten Ausgaben. Im Vergleich zu mancher anderen Provinzstadt kann Reichenbach trotz seines auf Wohlhabenheit hindeutenden Namens nicht als reich bezeichnet werden, denn seine finanzielle Lage ist angespannt und, wie dies allgemein im deutschen Vaterlande zur Zeiterscheinung geworden ist, die wirtschaftliche Not und die Unsicherheit der Lebensbedingungen lasten schwer auf jedermann. Auf dem Gewerbefleiß ihrer Bürger, auf der Betriebsamkeit und auf dem Warenabsatz ihrer Industrie beruht in erster Reihe auch die finanzielle Zukunft der ganzen Stadt.

Von dieser Zukunft wird es abhängen, ob alle Bedürfnisse und Probleme, die in einem so großen Gemeinwesen, wie es eine Stadt von nahezu 17 000 Einwohnern darstellt, aus der Entwicklung der Zeit sich zu Aufgaben und Zielen formen, einst ihre Verwirklichung finden können. Ohne diese Frage erschöpfend zu behandeln, seien einige der wichtigsten und für das Volkswohl bedeutendsten Probleme am Schlusse dieser Chronik kurz gestreift.

Da ist mit an erster Stelle die Schaffung einer kürzeren Bahnverbindung nach Breslau und zum Neuroder Kohlengebiet zu nennen. Der Plan einer Bahnlinie von Neurode durch das Eulengebirge über Reichenbach nach Heidersdorf mit dem Anschluss an die schon bestehende Strecke Gnadenfrei—Breslau ist schon Jahrzehnte alt. Seine Verwirklichung ist trotz heißer Bemühungen bisher an der Höhe der Kosten gescheitert. Möge die Zeit nicht mehr allzu fern sein, in der die Stadt diese langersehnte Verkehrsverbindung erhält! Nicht minder dringlich sind in den letzten Jahren eine Verbesserung der Abwasserklärung und die Regulierung der Peile geworden. Die Klagen über die Verschmutzung des Wassers durch die Fabrikabwässer sind leider durchaus berechtigt. Wirksame Hilfe wird nur eine Regulierung des Flusses bringen, die gleichzeitig einen ausreichenden Hochwasserschutz gewährt. Erfreulicherweise sind Vorarbeiten zur Eindeichung eines Teiles der Peile im Stadtgebiet bereits im Gange. Auch mit der Aufstellung eines Regulierungsplanes ist inzwischen begonnen worden. In der langgestreckten Niederstadt sind die Wegeverhältnisse gegen früher zwar wesentlich verbessert worden, sie lassen aber auf den Nebenstraßen und den Quergassen noch manchen Wunsch offen. Umso erfreulicher ist das Bild im Straßennetz des zur Niederstadt gehörigen neuen Wohnviertels in der Schweidnitzer Vorstadt. Um ein Vielfaches hat sich heute der Verkehr in der Stadt gesteigert. Reihenweise hasten die Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke täglich auf dem Ringe, unablässig strömen Menschen und Verkehrsmittel durch die längst zu schmal gewordenen Hauptstraßen der Innenstadt. Nicht lange mehr kann es dauern, da wird der lebhafte Durchgangsverkehr zur Schaffung ausreichender Umgehungsstraßen zwingen, welche die innere Stadt von diesem Verkehr entlasten. Viel ist von der Stadt bereits für die Förderung der Leibesübungen getan worden. Zur Zeit versagt das Gebot der Sparsamkeit den Ausbau des Spiel- und Sportplatzes in eine größere Stadionanlage, wie sie die benachbarte Landgemeinde Peterswaldau schon besitzt. Es bleibt die Hoffnung, dass auch für diese Aufgabe bald die Zeit und die Mittel da sein werden, um eine würdige und ausreichende Übungs- und Erziehungsstätte für die heranwachsende Jugend zu schaffen, die einer weitschauenden Fürsorge auf diesem, die Volksgesundheit fördernden Gebiet mehr als je zuvor bedarf. Und zum Schlusse dieser Zukunftswünsche sei schließlich noch ein Problem erwähnt, das in der Öffentlichkeit bisher nur selten erörtert worden ist; denn die Not unserer Tage, das sei gern zugegeben, ist gegenwärtig nicht dazu angetan, auf eine baldige Verwirklichung hoffen zu dürfen. Dennoch sei es ausgesprochen: Der Bau einer zweckvollen, allen Bürgern Reichenbachs dienenden Stadthalle gehört zu den hier berührten Zukunftsaufgaben. Wie sich einst deutsche Siedler zum Bau der ersten Stadthalle, unseres heutigen, altehrwürdigen Rathauses, entschlossen, so wird sich unser Stadtparlament dereinst, wenn die Zeiten sich gebessert haben, für die Errichtung eines gemeindlichen Versammlungshauses entschließen müssen. Unser Jahrhundert steht im Zeichen der Gemeinschaftsarbeit und des Gemeinschaftslebens, allem gegenwärtigen inneren Hader zum Trotz. Über den Einzelnen hinaus wachsen die Ideen, Wünsche und Bestrebungen der Gesamtheit. Nicht bloß rauschende Feste führen die Massen zusammen. Auch der innere Drang und das Ringen nach Erkenntnis und Wissen und nach den Segnungen edler Kunst bilden heute größere Gemeinschaften als je zuvor. Ihnen allen, den Wissensdurstigen, den Kunstfreunden und schließlich auch den Festesfrohen ein würdiges, ideales Heim zu geben, wird Aufgabe des öffentlichen Gemeinwesens sein. Schon haben andere, gleich große Orte diesen Weg mit gutem Erfolge beschritten. Möge auch Reichenbach in nicht allzu ferner Zeit eine solche Halle sein eigen nennen!

Wir sind am Ende unserer langen Wanderung. Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert ist die Geschichte der Stadt Reichenbach an uns vorübergezogen. Von deutschen Siedlern erbaut als Sinnbild deutschen Geistes und Wesens, deutschen Fleißes und Gemeinsinns, grüßen uns noch heute die schmalen Giebel der alten Innenstadt, die verwitterten Stadtmauern und der hochragende Bau der Kirche zu Sankt Georg. Die Stürme der Hussitenscharen und die Verwüstungen des dreißigjährigen Glaubenskampfes, Seuchen und Kriegssterben brachten die Stadt mehrmals an den Rand des Verderbens. Sie sah die siegreichen Fahnen des großen Preußenkönigs, erlebte den gewaltigen Befreiungskampf gegen den Korsen, gab ihre Söhne in den Kriegen um die Einheit Deutschlands dahin und opferte von Neuem im großen Schicksalsringen unseres Volkes gegen die ganze Welt. Sie sah ihren Wohlstand wachsen in der Blütezeit der Handweberei und erlebte ihren Verfall, aber auch ein erneutes Aufblühen im Zeitalter der Maschinen und Fabriken. Längst wuchsen ihre weit gedehnten Vorstädte über die hohen Wälle hinaus. Anmutig ist auch heute noch das Bild der Stadt, wenn der Wanderer von den nahen Bergen in die Ebene hinabsteigt und sich ihren Mauern nähert.

Ihn grüßt sie, die alte deutsche Stadt Reichenbach, mit ihren himmelan strebenden Türmen, mit dem Grün ihrer Gärten und Bäume, mit dem freundlichen Rot ihrer Dächer und mit ihren reichen, geschichtlichen Erinnerungen, indessen in den Werkanlagen und Geschäftshäusern viele Tausend fleißige Hände unablässig mitschaffen am Aufstieg unserer schönen Heimat und unseres hart geprüften Vaterlandes.

 

Die Hohe Eule grüßt dich,
Uns Vater Zobten winkt,
indes in deinen Mauern
Der Arbeit Lied erklingt.

Jahrhundert um Jahrhundert
Sahst du vorüberzieh'n,
Ob Kriegssturm dich umbrauste,
Ob Friedenssonne schien.

Fest standen deine Türme
In Freud' und Ungemach,
Gott segne deine Zukunft:
Glückauf, mein Reichenbach!

 

Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2025)

 

 Abschn. 14 « » Abschn. 16

Jeszcze jeden prosty klaskomat (741 oraz 4017)

O klaskomatach na niniejszym zablogowaniu już nieraz bywało, a dziś jeszcze jeden przykład:



(Marcin Perliński)

Zajcewa "Zapiski snajpera", czyli porządne poczytaczko lub posłuchatko dla chcących poszerzyć znajomość języka rosyjskiego

Wasilij Zajcew to jeden z najlepszych snajperów, jakich nasza planeta dotychczas widziała. 

Książka godna polecenia. Fascynujące wspomnienia, wartka i żywa narracja, a tematyka taka, że raczej nie powinno być nudne.


Jest to materiał dostępny w ramach Public Domain, czyli całkowicie darmowy, gdyż Rosja póki co stosuje bardzo liberalne przepisy dotyczące dostępności dziedzictwa kulturowego ludzkości.


poczytaczko (różne formaty)

posłuchatko (jutubnie)


Zachęcam do pożytecznej nauki języka.


(Marcin Perliński)


mirrorek 







piątek, 4 kwietnia 2025

Erich Hasse → "Chronik der Stadt Reichenbach im Eulengebirge" (1929) → Teil 14 von 16 → "Von der letzten Staatsumwälzung bis zur heutigen Zeit"

 

Abschn. 13 « » Abschn. 15

14. Abschnitt

Von der letzten Staatsumwälzung bis zur heutigen Zeit

Freiheit, Frieden und Brot!

Unter diesem Zeichen stand die Geburtsstunde der neuen Zeit, die mit dem 11. November ihren Einzug hielt. Die Waffen ruhten. Heimwärts zogen die endlosen Heereskolonnen. Wer an diesen Tagen in Reichenbach durch die Straßen ging, gewahrte überall Menschenansammlungen, die mehr oder minder erregt den Umsturz der Dinge besprachen. Die Zeitungen übermittelten von Stunde zu Stunde neue Nachrichten. In Berlin war eine Volksregierung ausgerufen worden. Sie ermahnte zu Ruhe, Ordnung und Pflichterfüllung und forderte zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten auf. Bereits am 13. November war in der Stadt ein solcher Soldatenrat gebildet. Auf dem Rathaus und dem Kreishaus wurden rote Fahnen aufgezogen. Trotz der verständlichen Unruhe vollzog sich die Staatsumwälzung ohne Blutvergießen und Störungen. Nicht anders geschah es bei der Bildung des Arbeiterrates, der sich in richtiger Erkenntnis der Dinge bald Volksrat nannte und in den auch zahlreiche Vertreter der Bürgerkreise berufen wurden. Das verständnisvolle Zusammenwirken weiter Volksteile bei dieser Umstellung der Staatsform hat Reichenbach vor schädigenden Unruhen bewahrt. Auch die Bauernschaft begann sich in ähnlicher Weise zu organisieren. Trotz mancher Schwierigkeiten arbeiteten die Behörden, vor allem die Verkehrseinrichtungen, in gewohnter Art weiter.

Kritischer gestalteten sich die Zeiten, als im Dezember zu den Wahlen für die neue Nationalversammlung aufgerufen wurde. In erregten Versammlungen schoben sich alte Parteigegensätze wieder in den Vordergrund. Auch der Kampf um kulturelle Fragen entbrannte. Am 15. Dezember wurde in einer von über 1000 Personen besuchten evangelischen Volksversammlung gegen die Trennung von Kirche und Staat Stellung genommen. Das untätige Verhalten des Magistrats bei der Bildung des Volksrates erfuhr in der Stadtverordnetenversammlung eine scharfe Kritik. So neigte sich das schicksalsschwere Jahr 1918 seinem Ende zu. Vorher aber, am Weihnachtsabend, war einer aus der Zahl der älteren Reichenbacher in die Ewigkeit eingegangen, dessen Name mit der Geschichte der Stadt eng verknüpft ist: Alphons Paul, der heimatliche Schriftsteller. Ihm verdanken wir eine bis zum Jahre 1888 fortgeführte Stadtchronik, die auch für die vorliegende Arbeit wertvolle Unterlagen lieferte. Er ist der Schöpfer der bekannten Lokalfigur des „Herrn Hitschfeld“, die noch heute von Zeit zu Zeit bei den traditionellen Herrenabenden der Freiwilligen Feuerwehr ihre Auferstehung feiert. Zum Gedächtnis an Alphons Paul möge der sinnige Nachruf hier einen Platz finden, den ihm seine zahlreihen Freunde in der heimischen Presse widmeten:

„Der immer froh gelaunte, der stets zufriedene Poet ist gestorben und wird keine stimmungsvollen Berichte und kein heiteres Verslein mehr schreiben. Aber wo er jemals im frohen Kreise geweilt, da wird er unvergessen bleiben.“

Das erste Friedensjahr nach dem verlorenen Kriege stand anfangs noch ganz im Zeichen der veränderten Verhältnisse. Zum Jahresbeginn war ein großer Teil der Krieger wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, die ihnen einen stillen, aber umso herzlicheren Empfang bereitete. Da die Lage im ganzen Lande noch recht unsicher war, bildete sich in der Stadt im Januar 1919 eine Bürgerwehr. Mit großer Heftigkeit wurde der Wahlkampf der Parteien für die bevorstehende Nationalversammlung in Weimar fortgesetzt. Außerordentlich stark war die Beteiligung bei der Wahl am 19. Januar, der ersten in der neuen Republik. Neunzig Prozent der Wähler gaben ihre Stimmen ab. Mehr als die Hälfte davon entfiel auf die Liste der Sozialdemokratischen Partei, verschwindend gering blieb die Zahl der Anhänger der alten Rechtsparteien. Dieses Bild änderte sich jedoch schon bei den bald darauf erfolgten Wahlen für den neuen Freistaat Preußen. Sie brachten eine merkbare Verschiebung zugunsten der Bürgerlichen. So sehr bei diesen politischen Wahlen die Parteigegensätze in Erscheinung getreten waren, so wenig war dies bei der Bildung des neuen Stadtparlaments im März der Fall. Alle Parteien fanden sich in einer Einheitsliste zusammen, sodass die Wahl unterbleiben konnte. Trotz des Friedenszustandes war der Mangel an Lebensmitteln unverändert geblieben, und zu dieser inneren Not gesellte sich nun auch noch die äußere, als die unmenschlich harten Friedensbedingungen bekannt wurden. Schon die Maifeier der Arbeiterbevölkerung stand im Zeichen der Völkerverständigung und der Forderung auf Herausgabe der Kriegsgefangenen, und am 15. Mai fand unter allseitiger Beteiligung auf dem Ringe eine Protestkundgebung gegen einen solchen Schmachfrieden statt. Aber Deutschland war ohnmächtig. Noch manche Unbill sollte ihm in den nächsten Jahren widerfahren.

Die unsicheren Verhältnisse brachten es mit sich, dass allerlei dunkle Elemente aus dieser Notlage des Volkes Gewinn zu ziehen versuchten. Die Lebensmittel wurden aufgekauft, und unter dem Preiswucher litt jetzt die ärmere Bevölkerung noch ärger als in der Kriegszeit. Alle Bemühungen der Behörden, hiergegen Abhilfe zu schaffen, blieben erfolglos. So kam es, dass in Reichenbach am 15. Mai 1919 Tumulte ausbrachen; die noch heute als „schwarzer Freitag“ in aller Erinnerung stehen. In unverantwortlicher Weise aufgewiegelt, versammelte sich an diesem Tage eine große Volksmenge auf dem Ringe. Verhandlungen des Landrats mit den Wortführern der Demonstration führten zu keiner Beruhigung. Die aufgeregte Menge setzte schließlich beim Bürgermeister Steuer die Vornahme von Haussuchungen nach verborgenen Lebensmitteln durch. Wiewohl hierzu Polizeibeamte beigegeben wurden, ging es dabei ohne Gewaltmaßnahmen nicht ab. Das Ergebnis dieses rechtswidrigen Schrittes stand zwar in keinem Verhältnis zu den gehegten Verdächtigungen, es brachte aber in die Einwohnerschaft der Stadt einen inneren Zwiespalt, dessen Folgen lange nachwirkten. Erst allmählich kehrten nach diesem Ereignis ruhigere Zeiten in die Stadt zurück. Umso freudiger begrüßten es die katholischen Gemeindemitglieder, als am 8. Juni ein Friedenshirte in Reichenbach Einzug hielt. Fürstbischof Dr. Bertram wurde an diesem Tage in der Stadt festlich begrüßt.

Die Erntezeit führte zu einem starken Anwachsen der Felddiebstähle, wogegen man sich wegen der Unzulänglichkeit der Polizeikräfte durch Einsetzung städtischer Feldhüter zu schützen suchte. Schon machte die Entwertung des Geldes rasche Fortschritte; noch ahnte freilich niemand, welchen Zahlentaumel die folgenden Jahre bescheren sollten. Musikdirektor Wiedemann, dessen Name mit der Pflege der Kirchenmusik in der Stadt seit 37 Jahren aufs Engste verknüpft war, schied am 28. September aus seinem Amte. Er fand in Kantor Herbert Mattheus einen würdigen und begabten Nachfolger, der das Werk seines Vorgängers schaffensfreudig und mit sichtlichem Erfolge fortführte. Das bewies schon die am Totensonntage von ihm veranstaltete Ausführung des Requiems von Mozart. Das große Gotteshaus war überfüllt, viele Besucher fanden keinen Einlass mehr. Im Zeichen der Lebensmittel- und Kohlennot endete das erste Friedensjahr. Im November war Reichenbach zehn Tage lang vom Personenverkehr fast ganz abgeschnitten, da die Züge unablässig Kohlen heranschaffen mussten. Die Volkszählung ergab 15 435 Einwohner, unter denen die weibliche Bevölkerung die männliche um mehr als 1900 Köpfe überwog, ein erschreckendes Spiegelbild der Verluste des Weltkrieges.

Der Neujahrstag 1920 war zugleich der Jubiläumstag der größten Zeitung der Stadt. An ihm feierte das „Reichenbacher Tageblatt" sein 75-jähriges Bestehen, wovon eine bildgeschmückte Festausgabe Zeugnis ablegte. Bald kamen wieder unruhigere Tage. Am 15. März griff der in Berlin ausgebrochene Kapp-Putsch auch auf Reichenbach über. Die republikanische Bevölkerung antwortete darauf mit dem Generalstreik, sodass die Umsturzbewegung hier schon nach vier Tagen zusammenbrach, ohne dass es zu Ruhestörungen kam. Angesichts der entschlossenen Haltung des verfassungstreu gesinnten Teiles der Einwohnerschaft machten die Truppen des „Diktators“ Kapp erst keinen Versuch, Reichenbach zu besiegen. Wenige Tage nach dem Putsch weilte der Regierungspräsident Dr. Jaenicke erstmalig in der Stadt. Im öffentlichen Leben waren aber die Nachwirkungen des Putsches noch lange zu verspüren, und die Maifeier dieses Jahres gestaltete sich zu einer von Tausenden besuchten Kundgebung gegen die gewissenlose Störung des kaum erst gefestigten inneren Friedens.

Auch bei den Reichstagswahlen am 6. Juni traten diese Ereignisse in Erscheinung. Sie brachten in der Stadt eine Abwanderung der Wähler von den Parteien der Mitte nach rechts und links. Sogar die Sozialdemokratische Partei verlor viele Stimmen. Die bisher stark vertretenen Demokraten büßten mehr als die Hälfte ihrer Anhänger ein. Politische Beeinflussung war in der folgenden Zeit die Ursache zu zahlreichen Kirchenaustritten. Seitdem nahm die Zahl der konfessionslosen Einwohner der Stadt zu und erreichte eine früher nicht gekannte Höhe. Der Mangel an Wohnungen zwang im Herbst die städtischen Behörden zum Bau von Baracken, um wenigstens die Obdachlosen unterzubringen. Das einzig Erfreuliche blieb, dass sich am Ende des Jahres die Einwohnerzahl wesentlich gehoben hatte. Sie war um mehr als 700 Köpfe wieder auf nahezu 16 000 gestiegen.

Diese Tatsache zwang gebieterisch zu umfassenden Maßnahmen im Wohnungsbau. Für Privatleute war ein solcher infolge der Zeitverhältnisse schlechterdings unmöglich geworden. Deshalb nahm die Stadt den Bau von Wohnhäusern selbst in die Hand. Zu Beginn des Jahres 1921 wurde hierfür ein Bauplan aufgestellt, namhafte Mittel wurden bewilligt. Auf dem von der Stadt am Bahnhof erworbenen Gelände sollten zwei Häuser zu je zwölf Wohnungen und weitere sieben Bauten zu je vier Wohnungen in der Schweidnitzer Vorstadt errichtet werden. Die Stadtverwaltung hat dieses Bauprogramm trotz mannigfacher Hindernisse im Laufe der nächsten Jahre glücklich zu Ende geführt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die freundliche Grünanlage vor dem Bahnhof geschaffen. Dem Gedenken der Toten des Weltkrieges galt eine von der evangelischen Gemeinde am 9. Januar abgehaltene Feier. Das Erdgeschoss des Kirchturmes war als Gedächtnishalle eingerichtet worden. Die Wände des Raumes tragen die Namen von 435 Angehörigen des Kirchspiels, die in den Kriegen von 1813 bis 1918 ihr Leben für das Vaterland hingaben. Aber über Gräber hinweg richtete sich der Blick der Lebenden auch auf Deutschlands Zukunft, auf seine Jugend. Ihrer Gesundung und Ertüchtigung waren die Reichsjugendwettkämpfe gewidmet, die in der Zeit vom 17. bis zum 19. Juni erstmalig in Reichenbach vor sich gingen. Hier trafen sich die jungen Turner, Sportler und Schwimmer und maßen in friedlichem Wettstreit ihre Kräfte. Das gute Gelingen der Veranstaltung war zum großen Teil ein Verdienst des Studienrats Senkpiel, der seine Kraft unermüdlich für die Pflege der Leibesübungen einsetzte und die Vereine der Stadt in einem Ortsausschuss zu gemeinsamer Arbeit zusammenführte. Diesen vereinten Bemühungen gelang es schließlich auch, die Stadt zum Bau eines zeitgemäßen Sportplatzes zu bewegen, dessen Einweihung am 4. September vollzogen wurde. Die Kosten der Anlage wurden teils aus Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge bestritten, teils wurden sie durch freiwillige Spenden und durch Sammlungen der Turn- und Sportvereine aufgebracht. Aus dem Sommer 1921 ist noch das Sängerfest des Eulengaues zu erwähnen, das 30 Vereine mit mehr als 1500 Teilnehmern in einem Festzug durch die Stadt vereinigte.

Nach den oberschlesischen Aufständen und den Drangsalierungen der Deutschen im abgetretenen Posen, waren in Reichenbach zahlreiche Flüchtlinge eingetroffen, die man in Notquartieren unterbrachte, so gut dies der allgemeine Wohnungsmangel zuließ. Zum Teil fanden diese Vertriebenen hier eine zweite Heimat. Am 25. Oktober trat zum ersten Mal der von Kantor Mattheus gegründete Madrigalchor mit einem Konzert vor die Öffentlichkeit. Der gute Besuch der Veranstaltung bewies das rege Interesse der Einwohnerschaft für die von dem Verein besonders gepflegten Heimatlieder. Inzwischen war am unteren Ende der Poststraße ein neues Gebäude entstanden, dessen eigenartige, ganz der neuzeitlichen Bauart angepassten Formen noch heute den Blick des Fremden auf sich lenken. Der Bau diente der Aufnahme eines Lichtspieltheaters und erhielt den gut gewählten Namen „Schauburg“. Die Einweihung des Lichtspielhauses, das die Firma Robert Klatt erbaute, erfolgte zu Beginn des November. Um die gleiche Zeit war die Kartoffelversorgung der Stadt stark gefährdet, doch gelang es dem unermüdlich sorgenden Landrat im Verein mit der hilfsbereiten Landwirtschaft des Kreises, den dringendsten Bedarf der Bevölkerung zu beschaffen. Nun nahm auch der Verband der Eulengebirgsvereine auf einer vor Jahresschluss in Reichenbach abgehaltenen Tagung die Arbeiten zur Erschließung des heimatlichen Gebirges für den Fremdenverkehr wieder tatkräftig auf. Es wurde eine einheitliche Kennzeichnung der Touristenwege festgelegt und mit den Vorarbeiten zur Einrichtung von Kraftwagenlinien nach den besuchtesten Punkten der Berge begonnen, doch verging bei den unsicheren Geldverhältnissen noch einige Zeit, bis diese wichtige Verkehrsfrage gelöst war. Kurz vor dem Weihnachtsfest traf die Industriebevölkerung der Stadt ein harter Schlag. Nach vergeblichen Lohnverhandlungen, die seit geraumer Zeit eine ständige Begleiterscheinung der schier uferlosen Markentwertung geworden waren, kündigten am 21. Dezember die Textilfabrikanten ihrer Arbeiterschaft. Das Los der Ausgesperrten, die wegen der Inflation aus den Gewerkschaftskassen nur unzureichend unterstützt werden konnten, war bedauernswert. Erst am 1. Februar des folgenden Jahres endete die Massenaussperrung, die größte seit den letzten Jahrzehnten.

Das Jahr 1922, das unter so ungünstigen Anzeichen begonnen hatte, sollte im Weiteren der Stadt noch manches Ereignis von Bedeutung bringen. Am 26. Januar verschied der katholische Stadtpfarrer und geistliche Rat Huck nach 24-jährigem Wirken in seiner Kirchengemeinde. Allgemein war die Trauer über den Heimgang dieses hochgeachteten Mannes, dessen Lebenswert erfüllt war vom Geiste gegenseitiger Duldsamkeit und christlicher Hilfsbereitschaft. Sein Nachfolger wurde der Stadtpfarrer Teubner. Im Frühjahr begann an vielen Stellen der Stadt eine rege Neubautätigkeit. Die Firma Rosenberger errichtete eine Werksiedlung, ebenso wurden neue Kleinwohnungen in der Frankensteiner Vorstadt geschaffen. Nach dem Kriege hatten die Obliegenheiten der Stadtverwaltung in solchem Umfange zugenommen, dass die Anstellung eines besoldeten Stadtrates zur Entlastung des Bürgermeisters notwendig geworden war. Die am 4. April vollzogene Wahl fiel diesmal nicht auf einen Verwaltungsfachmann, sondern auf den Redakteur Schönwälder aus Hirschberg, der später zweiter Bürgermeister wurde und das in ihn gesetzte Vertrauen in jeder Weise rechtfertigte. Der vor elf Jahren gegründete Detaillistenverein wurde infolge der veränderten Wirtschaftsverhältnisse am 29. April aufgelöst und als Gewerbeverein auf eine erweiterte Grundlage gestellt. Als solcher spielt er noch heute im gemeindepolitischen Leben Reichenbachs eine bedeutende Rolle.

Große Aufregung verbreitete sich am 8. Mai über die Stadt. Es war das Gerücht aufgetaucht, dass ein Schlosser namens König wegen Verwicklung in die oberschlesischen Wirren ins Gefängnis eingeliefert worden sei, um danach an die Besatzungsbehörden ausgeliefert zu werden. Im Nu sammelte sich eine nach vielen Hunderten zählende Volksmenge vor dem Amtsgericht, drang in dasselbe ein und befreite den Verhafteten. Später stellte es sich heraus, dass König auch wegen anderer Straftaten gesucht wurde; immerhin blieb dieses an sich ungesetzliche Vorgehen ein Zeichen für die Erbitterung, die auch in Reichenbach weiteste Kreise nach den polnischen Gräueltaten in Oberschleien ergriffen hatte. Nicht minder bemerkenswert bleibt der folgende Tag, der 9. Mai 1922. Die Amtszeit des Bürgermeisters Steuer war abgelaufen. Zwar wünschte ein großer Teil der Bürgerschaft sein weiteres Verbleiben auf diesem Posten, aber trotzdessen wurde nach vorangegangenem, heftigem Wahlkampfe am genannten Tage der Stadtrat Dr. Arndt aus Calbe mit knapper Mehrheit als neues Stadtoberhaupt gewählt. Zwischen ihm und einem Teil der Bürgerschaft, wie des Stadtparlaments entstanden in den folgenden Jahren seiner Amtstätigkeit unerquickliche Meinungsverschiedenheiten, die zu einem Disziplinarverfahren gegen das Stadtoberhaupt führten. Das Urteil der Gerichtsbehörde lautete in erster Instanz auf Entfernung aus dem Amte. Der Einspruch des Bürgermeisters hiergegen ist zur Zeit noch nicht entschieden.

Die Wogen der Erregung über den am Reichsminister Rathenau verübten Mord gingen auch in Reichenbach hoch. Am 27. Juni bildete sich ein Demonstrationszug, der auf dem Marktplatz Aufstellung nahm und die Teilnahme des Landrats und der Vertreter der Stadtverwaltung an der republikanischen Kundgebung auf dem Ringe verlangte. Man kam dieser Aufforderung nach, und die Veranstaltung verlief ohne Zwischenfälle. Dagegen rief in der Nacht zum 2. Juli die Verhaftung eines Betrunkenen einen Menschenauflauf hervor, dessen Urheber unreife Burschen und arbeitsscheue Elemente waren. Man versuchte die Polizeiwache zu stürmen, aber der Polizeikommissar Rückwarth trat mit seiner geringen Polizeimacht der aufgewiegelten Menge mit solcher Umsicht und Tatkraft entgegen, dass die Aufrührer schließlich das Feld räumen mussten. Die Hauptübeltäter erhielten später erhebliche Freiheitsstrafen. Der Tumult gab den Anlass zu einer Vermehrung der städtischen Polizei, die sich dank ihrer straffen Disziplin auch bei späteren Gelegenheiten ihrer Aufgabe, für Ruhe, Sicherheit und Ordnung in der Stadt zu sorgen, stets in vollem Umfange gewachsen zeigte.

Anhaltende Dürre brachte eine schlechte Ernte und gleichzeitig die Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel: Kartoffeln, Brot und Milch. In Scharen zog die hungernde Bevölkerung vor die Stadt und plünderte die Felder. Nach den aufregenden Tagen des Sommers fand am 28. August endlich wieder eine friedliche Veranstaltung statt. Die evangelische Gemeinde holte in feierlicher Weise die neuen Glocken für ihr Gotteshaus ein. Nach schönen Herbsttagen trat am 4. Oktober unerwartet Hochwasser ein, und auch diesmal war der Schaden an den längs der Peile gelegenen Häusern, Gärten und Kräutereien wieder erheblich. Die ständig zunehmende Entwertung des Geldes warf alle wirtschaftlichen Berechnungen, im Großen wie im Kleinen, über den Haufen. Unter den fortgesetzten Steigerungen der Preise litten naturgemäß die Verbraucherkreise am meisten. Als im November die Gaspreise wiederum erheblich erhöht wurden, bemächtigte sich eine allgemeine Erregung der Einwohnerschaft, die zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Leitung der Betriebswerke im Stadtparlament führte. Es bleibt freilich zu berücksichtigen, dass sich gerade zu dieser Zeit eine weittragende Veränderung im städtischen Gaswerk vollzog. Anstelle der alten Gasanstalt entstanden auf dem Gelände an der Peterswaldauer Straße die mächtigen, neuzeitlichen Werkanlagen der heutigen „Gaszentrale unter der Eule“, deren Bau die Hauptursache für die Verteuerung des unentbehrlichen Brennstoffes bildete. Bald ließ die Hochflut der Inflation auch diese Tagesfrage vergessen. Als eine besonders kennzeichnende Zeiterscheinung der Geldentwertung seien an dieser Stelle schließlich noch die Begleitumstände erwähnt, unter denen sich der Übergang des altehrwürdigen Hotels „Zum schwarzen Adler“ am Ringe in den Besitz des Reiches vollzog. In diesem Gebäude hat heute das Finanzamt seinen Sitz. Am 15. September 1922 hatte der Besitzer das stattliche Haus zu einem Verkaufspreise von zweiundeinhalb Millionen „Papiermark“, wie schon damals der Volksmund das entwertete Geld bezeichnete, dem Reiche angeboten und sich, nichts Schlimmes ahnend, zwei Monate lang an dieses Preisangebot gebunden erklärt. Am letzten Tage der Erklärungsfrist erteilte die Reichsbehörde auch prompt ihre Zusage. Inzwischen war die „Papiermark" um ein Vielfaches ihres Wertes gefallen und der Verkäufer ein ruinierter Mann. Sein Versuch, das Vermögen auf gerichtlichem Wege zu retten, schlug fehl. Die ihm auferlegten Gerichtskosten betrugen bereits das Siebenfache des Verkaufspreises! Über dieses Inflationsgeschäft des Reiches herrschte damals in der Bürgerschaft eine begreifliche Entrüstung, und es war nur ein unbefriedigender Billigkeitsakt, als das Reich den Kaufpreis freiwillig auf 120 Millionen „Papiermark“ erhöhte und dem Vorbesitzer außerdem eine kleine Entschädigung durch Überlassung eines Ladens bot, denn gemessen am Dollarstande betrug der Friedenswert dieser 120 Millionen nur etwa 7300 Mark, während das Gebäude wohl den zwanzigfachen Wert und mehr haben mochte. Freilich stand dieser Fall nicht vereinzelt da. Auch viele andere Grundstücksverkäufe vollzogen sich unter ähnlichen Verhältnissen, aber niemand wird leugnen können, dass solche Begleiterscheinungen auf Treu und Glauben, die Grundlagen ersprießlichen Gemeinschaftslebens, erschütternd wirken mussten. Noch lange sollte der tolle Zahlenwirbel anhalten, der die Rechenkünste des einfachen Mannes bis ins Ziffernreich der Billionen spielen und die Spargroschen von Jahrzehnten in ein trostloses Nichts zerrinnen ließ.

Im Zeichen des rasenden Tempos dieser Inflationszeit stand das Jahr 1923. Dem Wunsche der Freiwilligen Feuerwehr, am 11. Februar das erste halbe Jahrhundert ihres Bestehens in einem größeren Rahmen zu feiern, setzte die Geldnot engste Schranken. Dennoch fanden sich wieder viele zu der bescheiden gehaltenen Feier in der „Sonne“ zusammen und vergaßen in ein paar heiteren Stunden die ungewisse Zukunft. Mit dem Einzuge des Frühjahrs entschwand die Sorge um die Kohlenbeschaffung. Ein Wirbelsturm am 8. Mai ging unmittelbar an der Stadt vorbei und richtete im Niederkreis große Verheerungen an. Am 14. Mai war dann der Tag gekommen, an dem Reichenbach sein neues Gaswerk feierlich einweihen konnte. Aus diesem Anlass weilte der Regierungspräsident Dr. Jaenicke in der Stadt.

Schon lange bestand der Wunsch, den Toten auf dem Kriegerfriedhof und zugleich den Gefallenen des Weltkrieges ein würdiges Ehrenzeichen zu setzen. Trotz mancher Hemmnisse konnte am 30. Juni 1923 das wuchtige Steinmal enthüllt werden, das den an der Breslauer Straße gelegenen Heldenfriedhof in monumentaler Form beherrscht. Das Ehrenmal trägt die Namen von 75 Deutschen und 17 österreichischen Bundesgenossen, die in Reichenbachs Erde die letzte Ruhestätte fanden. Am 13. Juli bedrohte ein Hauseinsturz in der Breslauer Straße das Leben der Bewohner und den hier lebhaft flutenden Verkehr. In gefahrvoller Arbeit wurde durch Abstützen des Gewölbes ein größeres Unglück vermieden und das Gebäude erhalten. Preissteigerungen und Lebensmittelnot vermehrten die Unruhe der ärmeren Bevölkerung, und dieser Stimmung bemächtigte sich die Kommunistische Partei. Sie veranstaltete am 29. Juli eine Demonstration, doch schritt die städtische Polizei, unterstützt durch die Landjägerei, hiergegen ein, riegelte die Zugänge zum Marktplatz ab und verhinderte auf diese Weise jeden Tumult. Der 1. August sei als der Tag festgehalten, an dem der Dollar den Wert einer Million in „Papiermark“ erreichte. Allerlei Aufkäufer, für die der Volksmund den bezeichnenden Namen „Schieber“ geprägt hatte, zogen die Erzeugnisse der Landwirtschaft aus dem Kreise. Das Papiergeld reichte nicht hin, um Zahlungen zu leisten. Schon suchten die Stadt und ihre Industrieunternehmen dem Übel durch Notgeld zu steuern, das gewiss an Wert nicht schlechter war als dasjenige der druckeifrigen Reichsbank, denn schon die nächsten Wochen machten beides zur Makulatur.

Lebensmittelunruhen am 15. August führten auch in Reichenbach zu einem allgemeinen Streik, der aber bald beendet wurde. Gefahrdrohender gestaltete sich ein Krawall der Erwerbslosen am 24. September. Die auf dem Ringe zusammengeströmte Menschenmenge ließ eine Plünderung der Geschäfte befürchten. Wieder erwies sich jedoch die städtische Polizeimacht als zuverlässige Hüterin der öffentlichen Ordnung. Als gütliche Aufforderungen zum Auseinandergehen nichts halfen, ging der Polizeiinspektor Rückwarth an der Spitze seiner beherzten Schar mit blanker Waffe gegen die Ruhestörer vor. Es gab mehrere Verletzte, auch einige Polizeibeamte waren darunter. Endlich wichen die Massen zurück und konnten vom Ringe abgedrängt werden. Die größte Gefahr war damit beseitigt, und noch am gleichen Tage wurde die Ruhe wieder hergestellt. Um der ärgsten Not zu steuern, führte man im Oktober allgemeine Volksspeisungen ein. Neben den ständigen wirtschaftlichen Kämpfen hatte auch auf weltanschaulichem Gebiet der Widerstreit nicht geruht. Die nach dem Kriege entstandene weltliche Schule hatte in dem gewerkschaftlich organisierten Teil der Bevölkerung zahlreiche Anhänger gefunden, die nach längeren Verhandlungen mit der Regierung die Einrichtung einer solchen Schule auch in Reichenbach durchsetzten. Sie eröffnete am 19. Oktober den Unterricht, zunächst in einigen Räumen der Evangelischen Volksschule II. Von dort siedelte sie später in die Evangelische Volksschule I über.

Die heutige Reichenbacher Oberstadt
Ansicht von Südwesten


Schon machte sich jedermann im Stillen auf die Geldrechnung in Trillionen gefasst, als in der Mitte des November endlich die Festigung des Geldwertes gelang. Die ersten Rentenmarkscheine tauchten auf, noch ehrfürchtig bestaunt als ein Wunder, das nicht für Menschenhand erstanden schien. Dann wurde es allmählich ruhiger auf dem Geldmarkt. Das neue Geld eroberte sich langsam das Vertrauen des Volkes. Die unselige Inflationszeit war zu Grabe getragen. Noch läuteten die Glocken zwar keine fröhliche Weihnacht ein, doch ein Hoffnungsschimmer stieg am Ende des Jahres 1923 in allen Herzen auf, und jeder gute Bürger wünschte es in der Silvesternacht dem lieben Nächsten aus vollem Herzen: ein wertbeständiges, neues Jahr 1924!

Es fing am Neujahrstage mit gewaltigen Schneeverwehungen an. Dann kam die Faschingszeit. Nach so vielen, schweren Jahren nahmen die Vergnügungen wieder ihren ungetrübten Verlauf. In diesem Zeichen stand auch das fünfzigjährige Jubiläum des Männergesangvereins „Arion“ am 16. Januar. Freude war gleichfalls der katholischen Kirchengemeinde beschieden. Am 20. April weihte sie die neuen Glocken der Stadtpfarrkirche ein. Im gleichen Monat weilte der Reichstagspräsident Löbe in Reichenbachs Mauern, um für die bevorstehenden Reichstagswahlen neue Anhänger für die Sozialdemokratische Partei zu werben. Die sichere Währung erwies sich auch der Pflege der Kunst förderlich. Der Saal der „Sonne“ war überfüllt, als am 29. April der Gesangverein für gemischten Chor unter dem Dirigentenstab des Kantors Mattheus und unter der Mitwirkung der Waldenburger Bergkapelle und namhafter Solisten Beethovens berühmte 9. Symphonie zu Gehör brachte. Die Inflationsjahre fanden ihren Niederschlag in den Reichstags- und Kommunalwahlen am 4. Mai. In der Stadt erhielt die Deutschnationale Volkspartei einen ansehnlichen Stimmenzuwachs, die übrigen bürgerlichen Parteien, mit Ausnahme des Zentrums, sowie die Sozialdemokratie hatten Wählerverluste zu verzeichnen.

Bisher war Reichenbach die einzige Stadt des Kreises gewesen. Am 1. Mai wurde auch das benachbarte Langenbielau, ein städtisches Gemeinwesen, wie es seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprach. Im Mai vollzog sich ferner die Vereinigung der alten Bürgerschützenkompagnie mit der Schützengilde, sodass heute nur noch diese besteht. Die Fahne der Bürgerschützen, dieselbe, auf die früher jeder junge Bürger den Eid leisten musste, wurde von der Gilde übernommen. Nach langjährigem, verdienstvollem Wirken schied zu dieser Zeit der Pastor prim. Obst von seiner Gemeinde. Er wurde Superintendent in Trebnitz. Von ihm war der Gedanke der Schaffung des Lutherdenkmals ausgegangen, den er trotz aller Schwierigkeiten in die Tat umsetzte. Pastor Obst war auch ein hervorragender Kanzelredner. Als neuer erster Geistlicher trat der Pastor Streckenbach aus Schweidnitz am 1. Juni in Reichenbach sein Amt an. Neben der Förderung der evangelischen Wohlfahrtseinrichtungen ließ er sich besonders den Ausbau des kirchlichen Gemeindelebens angelegen sein.

Rege besucht war die Gemäldeausstellung des Münchener Künstlerbundes „Ring“ im Kaufmännischen Vereinshaus während der Septembertage. Am 2. September feierte der Kaufmännische Verein selbst sein 75-jähriges Bestehen. Als Begründer der jetzt städtischen Handels- und Berufsschule hat sich der Verein um die Fortbildung der Kaufmannsjugend hohe Verdienste erworben. Ehe das Jahr 1924 zu Ende ging, mussten die Reichenbacher noch ein zweites Mal zur Wahlurne schreiten. Am 7. Dezember fanden infolge Parlamentsauflösung Neuwahlen für den Reichstag und Landtag statt. Sie erbrachten in der Stadt ein Wiedererstarken der Sozialdemokratie, während die Mittelparteien und die in Reichenbach in beachtlicher Stärke vertreten gewesenen Kommunisten erheblich an Anhängern verloren.

Die Theaterverhältnisse lagen seit einiger Zeit sehr im Argen. Seit 1920 hatte die Schauspielertruppe der Direktion Moosbauer in Reichenbach regelmäßig Veranstaltungen gegeben. Nach anfänglich guten Leistungen waren die Darbietungen aber im Laufe der Jahre immer mehr gesunken, wozu auch die Inflation und ihre Auswirkungen auf den Geschmack der großen Menge beigetragen haben mochten. So war das Interesse der alten Theatergemeinde an dem Unternehmen langsam geschwunden. Im Jahre 1922 löste sich dieses Unternehmen auf, und Moosbauer folgte einem Rufe an das Theater in Ratibor. Die hierdurch entstandene Lücke im kulturellen Leben der Stadt wurde zu Beginn des Jahres 1925 in bester Weise durch den Volksbühnenverein und das für ihn wirkende Schlesische Landestheater ausgefüllt, dem die Stadtverwaltung mit einem laufenden Zuschuss die Wege ebnete. Heute möchten wir das Schlesische Landestheater, dessen künstlerisch hochstehende Darbietungen in jeder Spielzeit eine erfreulich zahlreiche Besucherzahl aufweisen, in unserem heimatlichen Kunstleben nicht mehr missen.

Mehrere hundert Jahre war das alte Schießhaus vor dem Breslauer Tore die Heimstätte der Schützengilde gewesen. Lustig hatten dort Jahr um Jahr beim Pfingst- und Königsschießen die Büchsen geknallt. Zu Beginn des Februar vollzog sich auch hier ein Wechsel. Die Gilde kaufte die ehemalige Villa Weiß hinter dem städtischen Sportplatz und schuf sich dort ein prächtiges Eigenheim. Man begann bald mit der Anlage neuer Schießstände, doch gelangten diese Arbeiten später zum Stillstand. Sie sind erst in jüngster Zeit wieder aufgenommen worden. Im alten Schießhause aber errichtete die Stadt eine Heimstätte für die heranwachsende Jugend; das städtische Jugendheim, das in engster Verbindung mit dem angrenzenden Spielplatz steht. Reges Leben brachte die Tagung des Verbandes der Kreisfeuerwehren am 8. Februar in die Stadt. Nun erfüllte sich auch ein seit Längerem gehegter Wunsch der Feuerwehren. Kreis und Stadt schafften gemeinsam eine Automobilspritze an, die sich inzwischen oftmals als wirksame und rasche Helferin bewährte. Im Februar fand ferner die Wahl des neuen Stadtbaurats statt, die zu lebhaften Auseinandersetzungen in der Stadtverordnetenversammlung führte. Mit knapper Mehrheit wurde der Stadtbaurat Erbs aus Patschkau gewählt, der nur wenige Jahre in Reichenbach tätig, in dieser Zeit aber überaus rührig gewesen ist. In seiner Amtszeit entstanden neben zahlreichen Wohnsiedlungen das imposante Stadtbad sowie die Landwirtschafts- und Berufsschule. Die letzte Arbeit des Stadtbaurats Erbs war der neue städtische Siedlungsplan, der mit einem weitschauenden Wohnungsbauprogramm in Verbindung steht.

Großfeuer brach in der Nacht zum 1. März in dem Speicher des Kaufmanns Hans Oppermann in einem Hinterhause des Ringes aus. Nach schwierigen Löscharbeiten gelang es der Feuerwehr, die bedrohten Nachbargebäude zu schützen. Wie überall in Deutschland wurde auch in Reichenbach die Neuwahl des Reichspräsidenten am 26. April zu einem bewegten Tage. Bis tief in die Nacht harrte alles mit Spannung vor den Schaufenstern der Zeitungen aus, bis es feststand, dass der greise Heerführer aus dem Weltkriege durch die Entscheidung des Volkes auf den höchsten Posten der deutschen Republik berufen worden war. In der Stadt wurden für Hindenburg 4175, für Marx 5052 und für den Kommunisten Thälmann 176 Stimmen abgegeben. Im Vergleich zu der politischen Schichtung der Bevölkerung ergibt sich hieraus die interessante Tatsache, dass ein wesentlicher Teil der Wähler aus den Linksparteien seine Stimme dem Befreier Ostpreußens gegeben hatte. Gleichzeitig sei an dieser Stelle das Ergebnis der letzten allgemeinen Volkszählung vom 16. Juni 1925 festgehalten. Reichenbach zählte 16 305 Einwohner, womit der Vorkriegsstand der Zählung von 1910 noch nicht ganz erreicht wurde. Von der Bevölkerung waren 7405 männlichen und 8900 weiblichen Geschlechts. Wenige Tage später, am 20. Juni, verlor die Stadt einen bedeutenden Bürger, den Kommerzienrat Hugo Hilbert, der als Mitinhaber der weithin bekannten, gleichnamigen Mühlenwerke sich deren Ausbau zu einem vorbildlichen Betriebe zum Lebenswerk gemacht hatte. Daneben entwickelte er eine segensreiche Tätigkeit für das Allgemeinwohl und schuf zahlreiche Wohlfahrtseinrichtungen. Fabrikbesitzer Hilbert war auch ein eifriger Förderer des Innungswesens und der Freiwilligen Feuerwehr. In die Zeit seines Wirkens fällt ferner die Begründung einer eigenen, gut ausgerüsteten Fabrikfeuerwehr.

Zu einem großen Volksfest gestaltete sich das 75-jährige Jubiläum des Reichenbacher Kriegervereins am 12. Juli. Nach einer Feldandacht bewegte sich ein nach Tausenden zählender Festzug, der von mehreren Gruppenbildern durchbrochen war, durch die Straßen der Stadt. Im Rahmen des Festes fanden Flugveranstaltungen statt, die den Reichenbachern erstmalig Gelegenheit zu Rundflügen über ihrer Heimatstadt gaben. Etwa um die gleiche Zeit führten die unermüdlichen Bestrebungen der Gebirgsvereine und der Gemeindeverwaltungen um die bessere Erschließung des Eulengebirges endlich zum Erfolg. Die ersten Kraftpostlinien nahmen den Verkehr nach den Kammbauden und darüber hinaus bis ins Neuroder und Waldenburger Bergland auf. Mit Recht kann sich seit dieser Zeit Reichenbach als das Tor der heimatlichen Berge bezeichnen. Hier strömen alle Touristen zusammen, um mit der Eulenbahn oder den ständig verkehrenden Kraftpostwagen ohne Beschwernis ins Herz der Gebirgslandschaft zu gelangen.

Als der Herbst nahte, war ein Teil des städtischen Siedlungsvorhabens auf dem Gelände zwischen der Schweidnitzer Straße und der Peile verwirklicht. Ein neues Stadtviertel war dort im Werden begriffen. Schon wiesen abgesteckte Straßenzüge die Wege für die weitere Bebauung. Die Hauptzugangsstraße zu diesem Viertel, der ehemalige Beckerweg, wurde von den Stadtverordneten in dankbarer Erinnerung an die mit der älteren Geschichte der Stadt eng verbundene Familie Sadebeck nach deren Namen benannt. Der 26. Oktober bleibt bemerkenswert durch einen Fortschritt auf dem Gebiete des städtischen Pressewesens. An diesem Tage ging das „Reichenbacher Tageblatt“ als erste unter den heimischen Zeitungen zum täglichen Erscheinen über, nachdem der Verlag zuvor das stattliche Gebäude Ring Nr. 19, das historische Haus aus den Befreiungskriegen, erworben und es nach modernsten Grundsätzen seinen Betrieb eingerichtet hatte.

Zahlreich auftretende Typhuserkrankungen im Spätsommer hatten zu einer weitgreifenden Beunruhigung geführt, doch besserte sich mit Eintritt der kälteren Jahreszeit der Gesundheitszustand wieder. Das im Übrigen für die Entwicklung der Stadt recht ersprießlich gewesene Jahr 1925 schloss mit der Feier des 25-jährigen Bestehens der Eulengebirgsbahn am 12. Dezember den Reigen der bemerkenswerten Geschehnisse ab. Bei dieser Gelegenheit erfolgte die Einstellung eines elektrischen Triebwagens auf der Gebirgsstrecke der Bahn.

Das neue Jahr 1926 bescherte den Wintersportlern im Januar viel Schnee, und so tummelten sich die Mitglieder der beiden Reichenbacher Skivereine „Hohe Eule“ und „Skizunft“ in ihren freien Stunden zumeist oben auf den schneebedeckten Hängen an der Eulenbaude und am Kaschbacher Plänel. Die Arbeitslosigkeit unter der Industriebevölkerung hatte in der Winterzeit wieder zugenommen, weil die Werke durch die Umwälzungen auf dem Geld- und Handelsmarkt der ganzen Welt zu Ersparnismaßnahmen gezwungen worden waren, die sich in erster Reihe in einem Abbau überzähliger Arbeitskräfte auswirkten. Die Stadt machte deshalb den Versuch, mit den Erwerbslosen sogenannte Notstandsarbeiten auszuführen. Man begann mit der Herrichtung des vorderen Teiles des Sportplatzes, der nach den Plänen des Stadtbaurats Erbs in eine Stadionanlage umgewandelt werden sollte. Die Arbeiten wurden aber infolge Geldmangels bald wieder eingestellt. Dagegen wurde die neue Sadebeckstraße ausgebaut. Im Februar erfüllte sich ein schon immer gehegter Verkehrswunsch. Die erste Kraftpostlinie von Reichenbach in den Niederkreis, und zwar über Langseifersdorf bis zum Zobten, wurde eröffnet. Am 22. März starb der Fabrikbesitzer Georg Reisinger im Alter von 84 Jahren. Seine Verdienste um das Allgemeinwohl hatten schon zu seinen Lebzeiten durch die Verleihung der Würde eines Stadtältesten ihre Anerkennung gefunden.

Als am 1. Mai die evangelische Kirchengemeinde den Besuch des Generalsuperintendenten D. Zänker anlässlich der Kirchenvisitation empfing, verband sie damit die Einweihung ihres neuen, schönen Kinderheims in der Oberstadt. Die segensreiche Anstalt ist aus Mitteln der Gemeinde und aus Stiftungen und Sammlungen ihrer Mitglieder entstanden und legt beredtes Zeugnis von dem Umfang christlicher Liebestätigkeit in der Neuzeit ab. Ungünstige Absatzverhältnisse führten im Juni zu neuen Entlassungen in der heimischen Webwarenindustrie. Mehrere hundert Arbeiter wurden dadurch in der Stadt erwerbslos. Hochwasser am 16. Juni richtete besonders in der Landwirtschaft großen Schaden an. Zu Beginn des August eröffnete die Reichspost eine neue Kraftwagenlinie, die Reichenbach mit der benachbarten Bergstadt Nimptsch verband.

Das neue Stadt- und Hallenschwimmbad
erbaut 1927


Der Gesundheitszustand der Industriebevölkerung war seit jeher unbefriedigend. Die Arbeit in den großen Maschinensälen, mochten diese auch mit noch so modernen Entlüftungsanlagen versehen sein, hatte sich von Geschlecht zu Geschlecht auf die Gesundheit, besonders auf die Lungen, nachteilig ausgewirkt. Der Wohnungsmangel und die Unterernährung in den Jahren der Lebensmittelnot taten ein Übriges dazu, sodass die Tuberkulose trotz des anerkannt gesunden Klimas der Stadt verhältnismäßig häufig aufgetreten war. Eine von der Stadt und dem Kreise eingerichtete Fürsorgestelle für Tuberkulosekranke wirkte unter der Leitung des Arztes Dr. Kordhanke schon seit längerer Zeit dem Übel entgegen. Im September 1926 trat als neue Wohlfahrtseinrichtung die städtische Liegehalle für lungenkranke Kinder hinzu. Anreger und eifriger Förderer dieses Werkes war der Bürgermeister Schönwälder gewesen. Auch die Krankenkassen hatten sich an dem Zustandekommen der Anstalt tatkräftig beteiligt. Die Liegehalle befindet sich abseits vom Verkehr auf dem Gelände hinter der Rosenbergerschen Spinnerei. Am 11. und 12. September stattete der Kardinal Fürst Bischof Dr. Bertram der katholischen Gemeinde einen Besuch ab und wurde bei dieser Gelegenheit auch von den Behörden der Stadt feierlich begrüßt. Ein Ereignis für Reichenbach wurde ferner der erste hier veranstaltete Flugtag am 31. Oktober. Eine nach Tausenden zählende Menge verfolgte die Kunstflüge der Luftpiloten und machte von der Gelegenheit zu Passagierflügen regen Gebrauch. Leider ereignete sich bei einem Geschicklichkeitsflug ein Absturz, der den Flugzeugführer das Leben kostete.

Das städtische Gaswerk hatte nach seinem neuzeitlichen Ausbau einen großen Aufschwung genommen. Allmählich wuchs sein Versorgungsgebiet über die Grenzen der Stadt hinaus. Durch Fernleitungen wurden die Orte Langenbielau, Peterswaldau, Peilau und Gnadenfrei mit Gas beliefert. Am 1. November erfolgte die Umwandlung des städtischen Werkes in eine Gesellschaft, deren Mitglieder die beteiligten Gemeinden wurden. Zwar gab damit die Stadt ihre früheren Verwaltungsrechte auf, doch verblieb ihr durch die Mitwirkung im Aufsichtsrat ein ausreichender Einfluss auf die gemeinnützige Gestaltung des Unternehmens. Für die wirtschaftliche Entwicklung der Gaszentrale war diese Veränderung nur von Vorteil, weil sie dadurch von dem für kaufmännische Unternehmen oft hemmenden, bürokratischen Apparat unabhängig wurde. In der Niederstadt war im Laufe des Herbstes von der Arbeiterwohlfahrt ein eigenes Jugendheim errichtet worden, das am 14. November eingeweiht wurde. Eine Woche später fegte ein Wirbelsturm über Reichenbach dahin, der ganze Dächer abdeckte und viel Schaden anrichtete. In dem hier geschilderten Jahre hatte die Stadt die Verbesserung mehrerer Straßen ausgeführt. Die Feldstraße und der vordere Teil der Peterswaldauer Straße wurden mit einer Decke aus Teerasphalt versehen. Die städtische Kläranlage, über deren Geruchsbelästigungen damals in der Niederstadt sehr geklagt wurde, erhielt im folgenden Jahre einen dritten Tropfkörper und erfuhr außerdem durch Vergrößerung der Absatzbecken eine wesentliche Verbesserung. Bei der Fülle der Fabrikabwässer, welche der Peile aus fast sämtlichen Industriewerken des Kreises zugeführt werden, blieben freilich hinsichtlich der Beschaffenheit des Wassers und seiner Ausdünstungen noch manche Wünsche offen.

Mit einer für alle Steuerzahler der Stadt freudig begrüßten Nachricht hielt das Jahr 1927 seinen Einzug. Ein Steuervierteljahr konnte erlassen werden, weil das Aufkommen aus den Gemeindesteuern infolge der reichlich bemessenen Zuschläge den Geldbedarf überstieg. Seither war es das Bestreben der Stadtväter, die Belastung ihrer Mitbürger durch Senkung der Steuerzuschläge erträglich zu gestalten. Diese Sparsamkeitsmaßnahmen zwangen auch zur Aufgabe des Planes, den vorhandenen Sportplatz in eine Stadionanlage zu verwandeln. Wirtschaftskämpfe, die in der Textilindustrie ausgebrochen waren, wurden im März durch Lohnerhöhungen beendet, ohne dass es zu den bereits befürchteten Arbeitseinstellungen kam.

Inzwischen war an der Neuen Bahnhofstraße ein Bau seiner Vollendung entgegengegangen, der einen seit Jahrzehnten gehegten Wunsch der Einwohnerschaft verwirklichte. Nach den Plänen des Stadtbaurats Erbs war dort das Stadtbad entstanden, dessen neuzeitliche Bauformen heute den Bild jedes Fremden beim Besuch Reichenbachs unwillkürlich auf sich ziehen. Mit Recht kann die Stadt auf dieses Werk stolz sein, das gegenwärtig die neueste Anstalt dieser Art im Osten Deutschlands ist. Die feierliche Einweihung erfolgte im Beisein des Regierungspräsidenten Dr. Jaenicke am 14. März 1927. Gleichzeitig wurde der Grundstein zu dem Anbau des Hallenschwimmbades gelegt, das kaum ein Jahr später den Namen der Stadt erneut weithin bekannt machen sollte; denn abgesehen von der Provinzhauptstadt besitzt Reichenbach im Regierungsbezirk das einzige, allen Ansprüchen gerecht werdende, Hallenbad.

Der 15. Mai ist der Einweihungstag des städtischen Heimatmuseums im Jugendheim. Das Museum verfügt über reichhaltige Anschauungsmittel aus der frühgeschichtlichen Zeit und aus der Geschichte der Stadt selbst. Um sein Zustandekommen haben sich der Konrektor Wilhelm und der Lehrer Lengsfeld besonders verdient gemacht. Bereits im Vorjahre war im neuen Stadtviertel an der Sadebeckstraße eine Reihe von Einfamilienhäusern entstanden, die von der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten aufgeführt worden waren. Im Sommer 1927 wurden weitere zwölf dieser Eigenheime erbaut. Seit altersher hatte die Stadt unter den fast alljährlich auftretenden Ausuferungen der Peile zu leiden. Das Hochwasser vom 16. und 17. Juli aber wird noch lange in besonders deutlicher Erinnerung bleiben. Infolge anhaltender Regengüsse trat die Peile aus ihren Ufern und überschwemmte besonders die Gansau, die Klinkenhausstraße und weite Strecken der Niederstadt. Ohnmächtig musste man dem Treiben der entfesselten Naturgewalt zusehen. Der Hochwasserstand des Jahres 1883 wurde noch überschritten. Besonders hart wurde die Landwirtschaft in der Peileniederung betroffen. Staat und Provinz halfen den Geschädigten, und wenn diese Hilfe auch in vielen Fällen unzureichend blieb, so scheint es doch, als wenn die große Überschwemmung die maßgebenden Stellen der Landesverwaltung von der Notwendigkeit überzeugt hat, für den Hochwasserschutz der Stadt und der übrigen Anlieger etwas Durchgreifendes tun zu müssen.

Nach zweijähriger Pause wurde am 11. September ein Kreisjugendtag abgehalten, der am Vorabend mit einem Fackelreigen eröffnet wurde. Die Beteiligung an den Wettkämpfen war sehr stark und legte beredtes Zeugnis ab von dem Streben der einheimischen Jugend nach körperlicher Ertüchtigung. Im Herbst erhielt endlich auch die katholische Stadtpfarrkirche ihr volles Geläut wieder. Am 30. Oktober erfolgte die feierliche Einholung und Weihe der neuen Glocken. Das Hauptereignis des Novembers bildete die große Gesundheitsausstellung „Mutter und Kind", um deren Zustandekommen sich der Kreisarzt Dr. Engel im Verein mit den Krankenkassen besonders verdient gemacht hat. Mehr als 7000 Besucher der Ausstellung und der damit verbundenen Vortragsabende wurden während der zehn Darbietungstage gezählt, ein Beweis für die Anteilnahme der Bevölkerung und für den Umfang der geleisteten Aufklärungsarbeit. Das Bahnbauprojekt Neurode—Reichenbach—Heidersdorf war in den verflossenen Jahren von den wirtschaftlich interessierten Kreisen mit neuem Eifer verfolgt worden. Vorschläge zu einer Durchtunnelung des Eulengebirges auf der Strecke von Steinkunzendorf nach Hausdorf tauchten auf. Am Jahresschluss war jedoch auch dieser Plan daran gescheitert, dass die Reichsbahn den Bau wegen der hohen Kosten ablehnte, die eine Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zweifelhaft machten. Verhandlungen im Reichstag blieben erfolglos. Das Scheitern dieser Bahnlinie ist für Reichenbach und die heimische Industrie sehr zu bedauern. Zweifellos hätte eine solche Verkehrsverbindung mit dem unmittelbar jenseits des Gebirges gelegenen Neuroder Kohlenbecken den wirtschaftlichen Aufstieg Reichenbachs gefördert und gleichzeitig eine Verkürzung des Schienenweges nach Breslau mit sich gebracht.

Das Jahr 1928, mit dem diese Chronik endet, war reich an Ereignissen, vornehmlich an solchen, deren Auswirkungen sich wohl erst in der näheren oder ferneren Zukunft Reichenbachs zeigen werden.

Zu einer in gleichem Ausmaß seltenen Huldigung gestaltete sich der 50. Geburtstag des Landrats Grafen von Degenfeld-Schonburg am 5. Februar. Bereits am Vorabend bewegte sich ein stattlicher Fackelzug, der von den Feuerwehren des Kreises dargebracht wurde, durch die Straßen bis zum Wohnhaus des Jubilars, der seit 1913 in guten und schlimmen Tagen die Geschicke des Kreises mit sicherer Hand und klarem Blick für alle wirtschaftlichen und sozialen Zeitbedürfnisse leitete. Mannigfache und enge Beziehungen verbinden den Landrat seit vielen Jahren mit der Kreisstadt und ihrer Bürgerschaft. Es war deshalb den Verdiensten des Gefeierten angemessen, dass ihm an diesem Tage neben anderen Ehrungen auch die Repräsentanten der Stadt durch Widmung einer sinnigen Festgabe ihre Wertschätzung bekundeten. Eine Woche später rüstete Reichenbach sich schon wieder zu einer Feier von Bedeutung. Am 12. Februar wurde das dem Stadtbad angegliederte Hallenschwimmbad seiner Bestimmung übergeben. Mit Recht kann die Stadt auf diese Anstalt, die modernste in Ostdeutschland, stolz sein. Das bewiesen schon die anlässlich der Einweihung veranstalteten Schwimmwettkämpfe, die aus ganz Schlesien Teilnehmer in der Eulengebirgshauptstadt zusammenführten; sie alle waren des Lobes voll über die mustergültige Anlage. Seither ist das prächtige Hallenbad nicht nur von den zahlreichen Wasserfreunden der Stadt, sondern auch aus weiter Umgegend oft und gern besucht worden und sah bereits mehrfach größere Wassersportfeste in seinen Mauern.

Unter der Wohnungsnot der Nachkriegszeit hat Reichenbach als Industriestadt besonders zu leiden. Trotz reger privater und vor allem städtischer Bautätigkeit blieb ein Mangel an Kleinwohnungen bestehen, auch die Unterbringung der zahlreicher gewordenen Behörden und anderer Verwaltungsstellen ließ manchen Wunsch offen. Bevor der Stadtbaurat Erbs aus seiner hiesigen Tätigkeit schied, hinterließ er deshalb im Frühjahr 1928 der Stadt in einer Denkschrift einen nach neuesten städtebaulichen Gesichtspunkten aufgestellten Bauzonen- und Siedlungsplan, ein Werk, das für die Zukunft ein Wegbereiter sein soll und das neben vielem anderen auch einen Wunsch berücksichtigt, der in den letzten Jahrzehnten wegen der Ungunst der Wirtschaftsverhältnisse unerfüllt bleiben musste: das Bedürfnis nach Schaffung neuer Grünflächen. Denn längst genügt die an sich vorbildliche Promenade auf den alten Stadtwällen nicht mehr allen Ansprüchen. Neue Spazierwege in nächster Umgebung des bebauten Stadtbezirks sind notwendig, um das heute gesteigerte Verlangen nach einer bequem erreichbaren Erholungsstätte zu befriedigen.

Mehrfaches Unheil brachte das Ende des Frühjahrs über Reichenbach. Nach zwei Bränden am Anfang des April fegte am 17. des gleichen Monats ein gewaltiger Schneesturm über die Stadt dahin und verursachte bald danach Hochwasser, das aber glimpflich ablief. Dafür bedrohten zu Beginn des Mai die in der Textilindustrie von Neuem ausgebrochenen Lohnkämpfe das Wirtschaftsleben. Sie wurden jedoch durch einen Schiedsspruch beigelegt. Bereits in den Vorjahren hatte die Stadt unter Hochwasserschäden zu leiden. Auch in diesem Jahre blieb sie davon nicht verschont. Am 27. Mai, dem ersten Pfingstfeiertage, führten starke Regengüsse ein rasches Steigen der Peile herbei. Die Klinkenhaus- und Neudorfer Straße wurden überschwemmt. An mehreren Stellen musste die Feuerwehr zu Hilfe eilen, so auch im Hotel „Kaiserhof“, dessen unterste Räume überflutet waren und leer gepumpt werden mussten. Größere Überschwemmungen suchten ferner die Gansau und die Niederstadt heim, in der ein Bewohner ertrank. Zum Glück verlief sich diesmal das Wasser verhältnismäßig schnell, doch setzte bald danach starker Frost ein, welcher der Baumblüte und den Gärtnereien großen Schaden zufügte. In der Folge besuchten der Landeshauptmann und mehrere Abgeordnete das Hochwassergebiet, und nach den letzten drei Katastrophenjahren gewinnt der Plan des Hochwasserschutzes durch Schaffung von Staubecken gegenwärtig bereits festere Gestalt.

Nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten hatten es die städtischen Körperschaften, unterstützt durch weite Kreise der Bevölkerung, zu Beginn des Jahres durchgesetzt, dass der Ausbau des Lyzeums in ein Oberlyzeum endlich zur Tat wurde. Die neue Vollanstalt, deren Besuch jetzt den Töchtern Reichenbachs die Berechtigung zum Hochschulstudium verschafft, wurde am 1. April 1928 eröffnet und ist nach erfolgter Vermehrung des Lehrkörpers und der Schulausstattung, die auch eine bauliche Erweiterung nötig machte, zur Zeit im Aufbau begriffen. Um die Entwicklung der Anstalt zu ihrer heutigen Form hat sich ihr früherer Leiter, Studiendirektor Nahrstedt, ein Verdienst erworben. Zwei Einweihungsfeiern konnte die evangelische Kirchengemeinde im Sommer begehen. Am 24. Juni übergab sie die neue Begräbniskapelle auf dem Friedhofe in der Oberstadt und am 1. Juli ein Kinder- und Jugendheim in der Niederstadt ihrer Bestimmung. Hochherzige Spenden hatten den Bau dieser beiden Anstalten ermöglicht.

Viele Tausende auswärtiger Besucher strömten in den ersten Augusttagen auf dem Gelände längs der Dreißighubener Chaussee in der Schweidnitzer Vorstadt zusammen, auf dem der weltbekannte „Zirkus Sarrasani“ seine mächtigen Zelte aufgeschlagen hatte. Das rege Leben, das sich in diesen Tagen in der Stadt abwickelte, brachte auch der heimischen Geschäftswelt einen verstärkten Warenabsatz. Nach dem Fortgang des Stadtbaurats Erbs hatte der Stadtingenieur Grammel die in Angriff genommenen Bauten, besonders den Bau der großen Landwirtschafts- und Berufsschule, mit Tatkraft und Umsicht weitergeführt. Zum Nachfolger des Stadtbaurats war dann am 12. Juli der Diplomingenieur Krackow gewählt worden. Ein reiches Arbeitsfeld, in vielem von seinem Vorgänger vorbereitet und begonnen, wartet seiner in Reichenbach; denn von der baulichen Entwicklung der Stadt wird unzweifelhaft auch ein gutes Teil ihrer wirtschaftlichen Zukunft abhängen. Sommer und Herbst standen deshalb im Zeichen erhöhter städtischer Bautätigkeit. Auf dem neugeschaffenen „Freiherr-vom-Stein-Platz" an der Fraegerstraße (Frägerstraße) wuchs neben der bereits genannten Fachschule ein neuer Wohnhausblock empor. Die Bertholdsdorfer Straße, auf der sich der Verkehr nach Breslau abwickelt, erhielt auf der Strecke vom Ausgang der Innenstadt bis zur Gaststätte „Schützenhof“ anstatt der Chaussierung ein dauerhaftes, sauberes Kleinpflaster und einen Fußgängersteig. Daneben hatte der Arbeiter-Wohnungsbau-Verein in der Niederstadt zwei neue Häuser mit Kleinwohnungen fertiggestellt — auch einige Privatleute schufen sich Eigenheime, so besonders im neuen Wohnviertel an der Sadebeckstraße.

Seit dem Bau der Eulengebirgsbahn war Reichenbach noch stärker als früher zum Ausgangspunkt des Touristenverkehrs in die nahen Berge geworden. Mit gutem Recht kann sich die Stadt als das Tor des Eulengebirges bezeichnen. Um dieser Lage und Bestimmung in weitester Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen, wurde die alte postalische Bezeichnung „Reichenbach in Schlesien“ am 15. September mit behördlicher Genehmigung in „Reichenbach (Eulengebirge)" umgeändert. Damit ist zugleich den häufig vorgekommenen, unliebsamen Verwechslungen mit anderen gleichnamigen Orten Deutschlands für die Zukunft vorgebeugt worden.

Das 50-jährige Jubiläum des Realgymnasiums „König-Wilhelms-Schule“  war in die Kriegszeit gefallen und deshalb nur in aller Stille begangen worden. Umso festlicher feierten die zahlreichen, ehemaligen und jetzigen Schüler der Anstalt am 23. September das 60-jährige Bestehen der Schule, die einst von der Stadt ins Leben gerufen und später vom Staat übernommen wurde. Eine dauernde Erinnerung an dieses Jubiläum wird die ansehnliche Spende der Stadt und des Kreises bleiben, die im Verein mit früheren Schülern der Anstalt eine Stiftung von 12 000 Mark zur Unterstützung bedürftiger Schüler schufen. Am Anfang des Oktober war Reichenbach Tagungsort des Kongresses des Schlesischen Schachbundes und sah bei den veranstalteten Turnieren die großen Meister dieses Brettspiels aus der Heimatprovinz und aus dem benachbarten Deutschböhmen bei sich zu Gaste. Im Oktober wurde die Stadt der Sitz einer neuen Behörde. Das für die Kreise Reichenbach und Frankenstein errichtete Arbeitsamt nahm zu dieser Zeit seine Tätigkeit auf. Es wird im kommenden Jahre seine Amtsräume in der umgebauten, ehemaligen Hefefabrik an der Peterswaldauer Straße beziehen. Zur gleichen Zeit hat die Stadtverwaltung mit den Vorarbeiten für die Einrichtung eines eigenen Stadtarchivs begonnen, um dessen Zustandekommen sich neben dem Bürgermeister Schönwälder und dem Bürodirektor Müller besonders der heimatkundliche Erforscher der Ortsgeschichten des Kreises, Lehrer Hans Walther in Schobergrund, verdient gemacht hat. Für seine Mitarbeit beim Zusammentragen der Quellen für die vorliegende Arbeit sei ihm auch an dieser Stelle der Dank ausgesprochen. Mehr denn je tut in unserer raschlebigen Zeit Heimatkunde und -pflege, doppelt, aber in einer geschichtlich so reichen und bedeutsamen Stadt, wie es das alte deutsche Reichenbach ist.

Eine Pflegestätte tüchtiger Bürgertugenden war durch so manches Jahrhundert die Schützengilde gewesen, und deshalb ist es allseitig freudig begrüßt worden, dass sich die Gilde noch vor dem Abklingen dieses letzten Chronikjahres dazu entschlossen hat, die bereits vor längerer Zeit begonnenen Schießstände im kommenden Jahre vollständig auszubauen. Bald werden also nun in dem schönen, neuen Heim der Schützen die Büchsen wieder lustig knallen, und damit wird wieder einer der alten Bräuche fortleben, in denen oft ein höherer Sinn liegt, als es äußerlich scheinen möchte: die Pflege des Gemeinsinns und der Zugehörigkeit zu einer engeren Schicksalsgemeinschaft, ein Volksgut, das wir in unserer heutigen, allzu stürmisch drängenden, Zeit vielfach schmerzlich missen.

Als letztes bedeutsames Ereignis, das jetzt auch schon der jüngsten Vergangenheit Reichenbachs angehört, sei der am 10. November 1928 erfolgten Einweihung der Landwirtschafts- und Berufsschule auf dem neuen „Freiherr-vom-Stein-Platz“ gedacht. Dort haben nunmehr diese für Stadt und Kreis gleich wichtigen Fach- und Fortbildungsschulen eine eigene, ideale Heimstätte gefunden, in der zur Zeit etwa 120 junge Landwirte und über 800 Berufsschüler ihre Ausbildung erhalten. In der Berufsschule, die gleichzeitig Fachschule ist, wurde die bisherige gewerbliche und kaufmännische Fortbildungsschule mit der städtischen Handelsschule und einer höheren Handelsschule in zweckvollster Weise vereinigt. Ein selbständig tätiger Lehrkörper von Fachschulleuten gibt dort der heranwachsenden Jugend das Rüstzeug für den späteren Lebensberuf. Die von Kreis und Stadt gemeinsam erbaute Lehranstalt reiht sich so den anderen, zahlreichen Bildungsstätten Reichenbachs würdig an, den alten, guten Ruf der Stadt auf diesem Gebiete neu verkündend. Mit der Fertigstellung der an die Schule angegliederten Turn- und Festhalle ist die Stadt um einen ansehnlichen Versammlungsraum reicher geworden. Prächtige Malereien des heimischen Kunstmalers Kurt Arendt gereichen der Anstalt und der Halle zur besonderen Zierde.

„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft!" Möge dieses Losungswort für Reichenbach, den betriebsamen Mittelpunkt des Eulengaues, immer Geltung finden, und möge diese Zukunft eine glückhafte und segensreiche sein!

Die neue Landwirtschafts- und Berufsschule
am „Freiherr vom Stein-Platz“, erbaut 1928

 

 
Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński (2025)
 
 

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