EINIGES ÜBER SCHLESIEN, DAS EULENGEBIRGE UND UNSERE STADT
Schlesien
Dzierżoniow (bis 1945 Reichenbach) ist eine in ganz Polen bekannte niederschlesische Kreisstadt. Die Geschichte von Reichenbach ist mit Schlesien eng verbunden. Schlesien wird geographisch — naturräumlich vom Strom der oberen und mittleren Oder mit ihren vielen Nebenflüssen (rechtsseitig: Ostrawitza, Olsa, Ruda, Birawka, Klodnitz, Malapane, Stober, Weide, Bartsch; linksseitig: Oppa, Zinna, Hotzenplotz, Glatzer Neiße, Ohle, Lohe, Weistritz, Katzbach, Bober mit dem Queis) gebildet.
Im Südwesten begrenzt das durch Pässe und Sättel verkehrsfreundliche Mittelgebirge der Sudeten — vom Isergebirge bis zum Altvater — das schlesische Oderland; im Südosten sind es die waldigen Beskiden, im Nordosten zunächst die leichten Höhen des Polnischen Jura, dann die Brüche von Prosna, Bartsch und Obra. Nach Nordwesten öffnet sich die flache, leicht geneigte schlesische Beckenlandschaft, aus der in Oberschlesien der Annaberg (400 m) und in Niederschlesien der Zobten (700 m) markant herausragen, mit dem Lauf der Oder in die Norddeutsche Tiefebene.
Großräumig nimmt Schlesien im östlichen Mitteleuropa eine zentrale Binnenlage ein. Es befindet sich im Schnittpunkt einer von der preußisch-baltischen Ostseeküste zur nördlichen Adria verlaufenden Nord-Süd-Verbindung mit einer von der niederländischen Nordseeküste zum Schwarzen Meer gezogenen West-Ost-Achse. An dem durch natürliche Inselbildung begünstigten Breslauer Oderübergang kreuzen sich in der Mitte Schlesiens die sagenumwobene Bernsteinstraße der Frühzeit und die mittelalterliche Hohe Straße, eine belebte Hauptroute des Osthandels. An dieser Stelle entstand auch die Hauptstadt Niederschlesiens — Breslau. In staatlicher und nationaler Hinsicht dagegen befand sich Schlesien stets in einer exponierten Randlage — ganz gleich, ob es in einem auffälligen, jeweils etwa zweihundertjährigen Rhythmus zu Polen, Böhmen, Ungarn, Österreich oder Preußen gehörte. Es wurde also dadurch zu einem multikulturellen Gebiet, dessen Bedeutung bis an den heutigen Tag unvermindert bleibt, was hinsichtlich des geplanten gemeinsamen Europas auch eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Das Eulengebirge (Gory Sowie)
Das Eulengebirge, die älteste Gebirgskette Europas, zieht sich als 36 km langer, vorwiegend bewaldeter Gneisrücken vom Tal der Schweidnitzer Weistritz (Bystrzyca) bis zum Durchbruchstal der Glatzer Neiße (Nysa Kłodzka) hin. Das Gebirge ist ein Bindeglied in der Sudetenkette vom Waldenburger zum Glatzer Bergland. In den Vorbergen findet sich etwas Mischwald, der Kamm trägt fast nur Fichtenbestände und zeigt am Nordhang zum Teil starke Umweltschäden infolge der Industriezusammenballung um Reichenbach. Der Gebirgskamm senkt sich von seiner höchsten Erhebung im Nordwesten, der Hohen Eule (Wielka Sowa), 1015 m, in fast gerader Linie nach Südost ab. Haupterhebungen sind: die Sonnenkoppe (Słoneczna), 952 m, die Ascherkoppe (Popielak), 856 m, der Hohe Stein (Wysokie Skałki), 815 m, die Strohhaube (Chochoł Wielki), 740 m, der "Donjon" der Festung Silberberg (Fort Rogowy), 686 m, und die Hügel von Wartha (Góry Bardzkie) über dem Neißetal. Auf diesem Rücken des Zentralmassivs von der Hohen Eule bis nach Silberberg verläuft der Hauptwanderweg. Nur wenige unbewachsene Felsen geben den Blick in die Ebene frei, insbesondere Otterstein (Bukowa Kalenica), 841 m, an der südlichen Abdeckung des Turmberges (Kalenica), nahe seinem Zwillingsgipfel, der Sonnenkoppe (Słoneczna).
Reichenbach
Lage
In der flachen Talaue der Peile (Piława), nahe dem Nordostfuß des Eulengebirges. Geschlossener Siedlungsbereich mit Langenbielau (Bielawa) und Peterswaldau (Pieszyce) als Zentrum der Textilindustrie.
Einwohner:
1939: 17 253 Deutsche auf 19.82 Quadtatkilometern
1997: 39 883 Polen auf 22.97 Quadratkilometern
Geschichte:
Das fruchtbare Gebiet von Reichenbach ist seit der Steinzeit besiedelt. Deutsche Stadtgründung vor 1230 als Mittelpunkt eines parallel zum Eulengebirge verlaufenden Siedlungsbandes von 4.5 km Breite und 20 km Länge, die typischen Waldhufendörfer am Gebirgsrand. 1350 Erwerb der Landvogtei, Gerichtsbarkeit im Weichbild mit ca. 30 Dörfern, Meilenrecht für Handwerk und Brauwesen, Salzmarkt und Zollerhebung. 1636 von 1300 Bürgern 756 Zunfthandwerker = 6000-7000 Einwohner. Als Kreisstadt unter Preußen unverminderte Bedeutung. 1790 Konvention von Reichenbach zwischen Preußen und Österreich (Abschluß im Wohnhaus des Kaufmanns von Sadebeck). 27. 6. 1813 in Reichenbach Koalitionsvertrag zwischen Preußen, Russland und Österreich gegen Napoleon. 1815-20 vorübergehend Sitz eines vierten schlesischen Regierungsbezirkes. 1945 keine Kriegszerstörungen, danach zunächst starke Vernachlässigung der Bausubstanz. Die Stadt hieß zuerst "Rychbach" , unbenannt 1946 nach dem bekannten Bienenforscher Dr. Johann Dzierżoń aus Karlsmarkt (Karłowice) in Oberschlesien.
Wirtschaft:
Im Mittelalter bedeutende Tuchmacherei. Im 15. und 17. Jahrhundert Blüte nach Umstellung auf Leinenherstellung. Im 18. Jahrhundert Verlagerung der Weberei in die Dörfer. Reichenbach wird Sitz der Leinen-Handelskaufleute. Der erfolgreichste unter ihnen war Friedrich von Sadebeck (1741-1819). Er führte über Wien und Triest makedonische Baumwolle ein und ließ sie in den näheren und weiteren Umgebung auf den Dörfern verspinnen und auf etwa 850 Webstühlen zu Kattun und Cottonaden (baumwollene Leinwand) verweben. Ende des 18. Jahrhunderts bewirkte die Einfuhr der englischen Maschinengarne den Niedergang der Baumwollspinnerei in den Dörfern des Eulengebirges. Die Not der Weber führte 1844 zu dem Weberaufstand in Peterswaldau und Langenbielau, den Gerhart Hauptmann im Drama "Die Weber" 1891 wirklichkeitsnah gestaltete. Die Umstellung auf Textilfabriken führte vorwiegend zu Gründungen außerhalb von Reichenbach in Langenbielau und Peterswaldau. Reichenbach wurde Mittelpunkt dieser schlesischen Baumwollindustrie und war Sitz eines volk- und industrierereichen Kreises. Vor dem Kriege kamen Betriebe der Zellwollverarbeitung, eine Webstuhl- und eine Laktosefabrik sowie eine Mühle mit Großsilo-Anlagen hinzu, ferner Elektroindustrie, heute fortgeführt als Fabrik für Rundfunkgeräte "Diora". Nach 1945 weiterer Ausbau der großen Baumwollverarbeitungsbetriebe, Neubau einer Trabantenstadt im Süden.
Sehenswürdigkeiten
Am Ring ist besonders gut eine übersichtliche, planmäßige deutsche Stadtanlage auf kreisrundem Grundriß von 500 m Durchmesser zu sehen. Daneben sind große Teile des inneren Mauerringes aus Bruchsteinen erhalten geblieben. Der stärkere, äußere Mauerring, angelegt nach den Hussitenkriegen, machte Promenadenanlagen Platz. Solche Anlagen gibt es nur noch in Krakau. Das Rathaus in der Mitte des Ringes ist ein Neubau von 1871, erhalten blieb daneben die spätgotische Tuchhändlerhalle, ebenso der Turm des alten Rathauses, zuletzt 1616 erneuert, mit kupfergedeckter Haube.
Der Turm ist ein Meisterwerk des 16. Jahrhunderts. Einige Fassaden alter Bürgerhäuser am Ring sind erhalten und wurden 1960 restauriert, so ein Barockhaus mit schöner Fassade an der Ecke der Tränkstraße/Trenkstraße (ul. Krasickiego).
Einige Portale von Bürgerhäusern wurden beim Abbruch Ende des 19. Jahrhunderts gerettet und in die innere Stadtmauer eingesetzt, z. B. von Ring Nr. 1 ein Portal mit dem Wappensymbol der Stadt — St. Georg zu Pferd tötet den Drachen — jetzt an der Südwestseite der Altstadt.
Die katholische Kirche St. Georg in der Kirchstraße (ul. Kościelna) südöstlich des Ringes ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde mit einigen aus dem 14. Jahrhundert stammenden Bauteilen 1550 spätgotisch vollendet, danach von den Protestanten in spätgotischen und Renaissanceformen bis 1612 entscheidend ausgebaut (Erhöhung des Mittelschiffs mit abschließendem Netzsterngewölbe). Für die Bestimmung als evangelische Predigtkirche baute Meister Balthasar Jentsch aus Liegnitz 1585 "die lange Vorkirche und das Schillerkohr", d. h. das zweite Südschiff, und im Innern die Zuhörerbühne. Die Innenausstattung stammt ebenfalls aus dieser Zeit: die Holzgeschnitzte Kanzel mit reichem Aufbau in Spätrenaissance-Formen und baldachinartig ausgebildetem Schalldeckel von 1609 sowie das sechsgeschossige Hochaltarwerk von 1615. Der Nordturm wurde erhöht und 1558 mit dem Knopf vollendet. Die Grabkapelle auf der Nordseite zeigt den Stil des Klassizismus von C. G. Langhans, am Fries die Jahreszahl 1810. An Grabepitaphen vom Ende des 16. Jahrhunderts ist die deutsche Inschrift noch teilweise lesbar.
Die evangelische Stadtpfarrkirche in der Świdnicka-Straße vor dem Schweidnitzer Tor, westlich des Ringes, wurde 1795-1798 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans durch Leopold Niederäcker erbaut. Nach einem Brand im Jahre 1973, bei dem die Turmspitze vernichtet wurde, ist das Gotteshaus von der katholischen Gemeinde vollständig wiederhergestellt worden. Über dem hohen, säulenumrahmten Portal erhebt sich der quadratische Turm, neuklassizistisch aufgebaut mit geschweifter Haube. Der elliptische Innenraum mit drei Emporen und einfachem Kanzelaltar (Predigtkirche) wirkt durch seine Schlichtheit.
Von der Langhans-Kirche nach Norden vor der Stadtmauer auf dem früheren evangelischen Friedhof ist die Gruftkapelle der Familie von Sadebeck erhalten geblieben.
Quelle ---> die Kopiervorlagen des Lehrers Schatton (Bischofsheim, 1990)
Digitalisierung und Erweiterung ---> Marcin Perliński (2001)
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