czwartek, 9 października 2025

"Der Schweidnitzer Ratsmann und die Dohle" → eine Legende aus Niederschlesien

 

Der Schweidnitzer Ratsmann und die Dohle


Es lebte vor Zeiten ein Ratsherr zu Schweidnitz, der mehr das Gold liebte als Gott und eine Dohle abgerichtet hatte, durch eine ausgebrochene Glasscheibe des vergitterten Fensters in die seinem Hause gerade gegenüber liegende Ratskämmerei einzufliegen und ihm ein Stück Geld daraus zu holen. Das geschah jeden Abend, und sie brachte ihm eine der goldenen oder silbernen Münzen, die gerade von den Stadteinkünften auf dem Tisch lagen, mit ihrem Schnabel getragen. Die andern Ratsbediensteten gewahrten endlich die Verminderung des Schatzes, beschlossen dem Diebe aufzulauern und fanden bald, dass die Dohle nach Sonnenuntergang geflogen kam und ein Goldstück wegpickte. Sie zeichneten darauf einige Stücke und legten sie hin, die von der Dohle nach und nach gleichfalls abgeholt wurden, Nun saß der ganze Rat zusammen, man trug die Sache vor und wurde dahin schlüssig, falls man den Dieb herausbringen würde, so sollte er oben auf den Kranz des hohen Rathausturmes gesetzt und verurteilt werden, entweder oben zu verhungern oder bis auf den Erdboden herabzusteigen. Unterdessen wurde in des verdächtigen Ratsherrn Wohnung geschickt und nicht nur der fliegende Bote, sondern auch die gezeichneten Goldstücke gefunden. Der Missetäter bekannte sein Verbrechen, unterwarf sich willig dem Spruch, den man, mit Rücksicht auf sein hohes Alter, lindern wollte. Das gab er aber nicht zu, sondern stieg vor aller Augen mit Angst und Zittern auf den Kranz des Turmes. Beim Absteigen unterwärts kam er bald auf ein steinern Geländer, konnte weder vor noch hinter sich und musste stehen bleiben. Zehn Tage und Nächte stand der alte, arme Greis da zur Schau, dass es einen erbarmte, ohne Speis und Trank, bis er endlich vor großem Hunger sein eigen Fleisch von den Händen und Armen abnagte und reu- und bußfertig durch solchen grausamen Tod sein Leben endigte. 

Statt des Leichnams wurde in der Folge sein steinernes Bild nebst dem der Dohle auf jenes Turmgeländer gesetzt, 1642 wehte es ein Sturmwind herunter, aber der Kopf davon soll noch auf dem Rathaus vorhanden sein.


Archaische Lexik und Stilistik (fast) gänzlich beibehalten!



Quelle --->
Prof. Dr. R. Kühnau „Sagen aus Schlesien“, zweite Auflage,
Leipzig 1925, Seiten 166 ... 167 (Text Nr. 217)


Texterkennung und Anpassung an neue Rechtschreibregeln --->
Marcin Perliński (2025)

 

PDF-Version

 

Der gemauerte Kopf im Hausflur des Rathausgebäudes soll von der Figur, die einst auf dem Turm angebracht war und den Stadtrat Dieb darstellte, stammen. (Quelle: A. Dobkiewicz)

 


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