3. Zeitraum
(Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Säkularisation der Georgskirche)
Bald nach dem Jahre 1648 begann man mit der Ausführung der die konfessionellen Zustände betreffenden Bestimmungen des Westfälischen Friedens. 1653 berief auf Kaiserlichen Befehl der damalige Fürstbischof von Breslau Karl Ferdinand (1625-1655) eine Diözesensynode, auf welcher die geistlichen Mitglieder für die sogenannte Kirchenreduktions-Kommission gewählt wurden. Bald begann diese Kommission ihre Tätigkeit. Mit Ausnahme der drei Städte, die im Friedensinstrumente ausdrücklich genannt waren, schaffte sie an allen anderen Orten die unkatholischen Geistlichen ab, setzte dafür katholische ein und übergab diesen die bestehenden Kirchen. Auch die Dorfkirchen des Reichenbacher Kreises kamen im März 1654 an die Reihe und gingen wieder in katholische Hände über, so dass den Reichenbacher Protestanten nunmehr der Besuch ihres Gottesdienstes außerordentlich erschwert war. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass allmählich der Katholizismus wieder Boden gewann, ein zweiter Grund der, dass man alle staatlichen Ämter mit Katholiken besetzte1, ein dritter endlich, dass nach Erlöschen des schlimmsten konfessionellen Fanatismus doch wieder die Überzeugung ihres Herzens eine große Anzahl von Protestanten zur katholischen Kirche zurückgeführt hat.2
Aus diesen Gründen erklärt sich, dass der Katholizismus, der zu Beginn des 17. Jahrhunderis in Mittelschlesien fast ganz verschwunden war, am Ende dieses Jahrhunderts wieder eine bedeutende Anzahl von Bekennern sein eigen nennen konnte. Leider fehlen wie für ganz Schlesien so auch für Reichenbach genauere statistische Angaben über die Stärke der beiden Konfessionen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
1649 war als Nachfolger des Pfarrers Pohl Thomas Hieronymus Heinolt (Heinold) ohne vorhergegangene Präsentation seitens des Kommendators vom Fürstbischof als Pfarrer zu Reichenbach eingesetzt worden; ihm folgte nach vorhergegangener vorschriftsmäßiger Präsentation am 29. Juli 1653 der Pfarrer Adam Aloysius Scholz, der dreizehn Jahre hindurch die Gemeinde leitete.
In das Jahr 1655 fällt der Abschluss eines Vertrages zwischen dem damaligen Kommendator, den Grafen Franz v. Wratislaw, und der Stadt. Man einigte sich endlich bezüglich der Besoldung des Pfarrers dahin, dass ein Teil derselben vom Kommendator, der andere von der Bürgerschaft getragen würde. Das Recht, den Pfarrer zu präsentieren, welches die Stadt wegen zweier Altäre in der Pfarrkirche und wegen der Begräbniskirche beanspruchte, ließ der Vertrag unberührt.
1660 wollten die Neisser Kreuzherren die zerstörte Barbarapropstei wieder herstellen und verlangten deshalb von der Stadt Reichenbach ihre früheren Grundstücke zurück, welche die Stadt sich anscheinend angeeignet hatte; da sie aber auf gütliche Weise ihr früheres Eigentum nicht zurückerlangen konnten, machten, sie einen Prozess gegen die Stadt bei dem kgl. Gericht zu Jauer anhängig, wozu ihnen der Pfarrer Scholz das nötige urkundliche Material lieferte.
In dem gleichen Jahre wandten sich die Kreuzherren noch mit der Bitte nach Breslau, man möge ihrem Reichenbacher Propst, Georg Ignatius Schuberth, eine Pfarrei in der Umgegend verleihen, damit von deren Einkünften die Propstei renoviert und unterhalten würde; auf dieses Gesuch hin wurde auch der genannte Propst Pfarrer von Beilan, Girlachsdorf und Olbersdorf.
1665 war der Neubau der Propstei soweit gediehen, dass nur das Dach noch aufzusetzen war. Leider hatte der damalige Pfarrer nicht auf die Beobachtung der für die Wiederherstellung aufgehobener Klöster erlassenen päpstlichen Bestimmungen gedrungen und nicht einmal von den Ordensleuten Garantien dafür verlangt, dass sie nicht, wie früher, in die pfarrlichen Rechte eingreifen wollten, ein Versäumnis, das leider bald unangenehme Folgen haben sollte.
Als am 4. August 1666 der Pfarrer Scholz an den Folgen eines Schlaganfalles starb, wurde der vom Kommendator präsentierte Dr. theol. Joh. Christophorus v. Sannig sein Nachfolger, ohne dass man eine zweifache Präsentation von seiten der Stadt beachtete; da aber Sannig wegen der Stolgebühren bald mit der Gemeinde in Zwistigkeiten geriet, resignierte er bereits im folgenden Jahre, zog sich nach Neisse zurück und starb 1687 als Kanonikus an der Kathedrale zu Breslau. Es folgte ihm der Hermsdorfer Pfarrer Christophorus Ignatius Röricht unter Protest des Magistrates gegen die einseitige Präsentation von seiten des Kommendators. In dem gleichen Jahre 1667 fand auch eine kanonische Visitation der Pfarrei Reichenbach statt, welche in bischöflichem Auftrage der Archidiakon von Breslau und Weihbischof Franz Karl Neander abhielt. Das Protokoll dieser Visitation gibt interessante Ausschlüsse über den damaligen Zustand der Georgskirche und die Gottesdienstordnung in jener Zeit. Der Visitator3 berichtet u. a., dass der damalige Kommendator, Franz Graf Wratislaw einen neuen Pfarrer präsentiert habe, nämlich Christophorus Ignatius Röricht, der aber bei der Visitation noch nicht anwesend war. Die Kirche, welche drei Glocken besäße, sei im Innern mit 6 Altären ausgestattet, von denen nur 3 konsekriert, die andern 3 entweiht seien; zu Letzteren gehöre auch der Hochaltar. Zwei Orgeln seien vorhanden, eine größere gegenüber dem Hochaltar, und eine kleinere, der verschiedene Stimmen fehlten. An Kultgefäßen und Kultgewändern besitze die Kirche u. a. Folgendes: eine schöne sternförmige vergoldete Monstranz, eine zweite kleinere, auch vergoldete Monstranz, drei Kelche aus vergoldetem Silber, einen Speisekelch und eine Pixis, 8 Meßgewänder, 3 Alben, 2 Messbücher, 2 Nochetts, 4 Fahnen, 4 zinnerne Leuchter für den Hochaltar, 2 kleinere für die Monstranz, 2 große Kronleuchter, 10 Kelchvelen, 4 Bursen, 4 Coxporalien, 6 Purifikatorien, 8 Pallen usw. Der Pfarrer habe eine Privatwohnung inne, weil das Pfarrhaus von den Schweden zerstört worden und noch nicht wieder hergestellt sei. An den einzelnen Sonn- und Feiertagen werde Hochamt und Predigt in Reichenbach gehalten, ebenso auch in Barschdorff4 durch den Kaplan. An den Sonnabenden, Sonntagen, Vigilien und Heiligenfesten selbst würden die Vespern gesungen. Katholisch sei kaum der vierte Teil der Einwohner Reichenbach. Glöckner sei Kaspar Wunder aus Freiwaldau, Kantor Joachim Johannes Körner. Die Schule des Letzteren sei nur von 3 Knaben besucht, da der Magistrat eine zweite, auch mit einem katholischen Lehrer, in der Stadt eingerichtet habe, sehr zum Schaden des Kantors, der übrigens selbst daran schuld sei, da er sich dem Trunke ergebe. Organist sei Franz Adam Langer.
1669 endete der Prozess der Kreuzherren gegen die Stadt betreffs Herausgabe der früheren Propsteigüter mit einem Vergleich, dessen Wortlaut nicht mehr vorhanden ist.
Nach diesem für den Orden anscheinend günstigen Vergleich beginnen wieder die Eingriffe der Propstei in die Pfarrseelsorge und nehmen schließlich einen solchen Umfang an, dass der damalige Pfarrer Röricht 1674 eine Beschwerde beim Fürstbischof einreicht, auch mit dem Erfolge, dass am 5. April des gleichen Jahres von dem Breslauer Konsistorium an den damaligen Propst Schuberth ein scharfer Verweis, verbunden mit der Androhung der Suspension für den Fall weiterer Übergriffe, ergeht.
Der genannte Pfarrer Röricht hat übrigens in Reichenbach recht schwere Tage verlebt; aus Zorn darüber, dass er sich, als der Magistrat ihm wieder einmal das von der Stadt zu zahlende Gehalt verweigerte, mit Erfolg deswegen beschwert hatte, misshandelten ihn mehrere Ratsmitglieder in schimpflichster Weise, so dass er fast ein Jahr lang die Pfarrei verließ, die in dieser Zeit von seinem Kaplan, den er seit 1673 hatte, administriert wurde. 1677 wurde die Pfarrei von dem Archidiakon Johann Sigismund v. Reydeburg in bischöflichem Auftrage visitiert.
1685 befahl der damalige Kommendator Ferdinand Ludwig Graf v. Kolowrat, der auf einer Durchreise die Georgskirche besichtigt hatte, verschiedene Veränderungen im Gotteshause; so wurden die Bänke erneuert, der Taufstein, welcher bis dahin mitten vor dem Hochaltar gestanden, an einen anderen geeigneteren Platz versetzt und eine steinerne Säule, die im Presbyterium stand und auf welcher das Allerheiligste aufbewahrt wurde, entfernt. Alle diese Veränderungen, welche dem Gotteshaus nur zur Verschönerung gereichten, fanden Widerspruch auf seiten der Bürgerschaft, „gleich als ob“ sagt Zoller, „die Unordnung in der Reichenbacher Pfarrkirche sich durch Verjährung ein Besitzrecht erworben hätte“. 1687 widersetzte sich unter Berufung auf die Privilegien des Malteserordens der Kommendator in einem noch vorhandenen Schreiben der angekündigten bischöflichen Visitation, die darauf hin auch unterblieb. 1693 trennte man das Amt des Kantors von dem des Organisten; beide Ämter waren bisher in der Person eines Joh. Karl Strekenbach (Streckenbach) vereinigt gewesen; derselbe blieb Organist; da aber der Kantor, der damals auch schon zugleich zweiter Lehrer war, sehr geringe Einnahmen hatte, fiel es in Zukunft sehr schwer, eine Person zu finden, welche einerseits ihre Pflichten auf dem Chore gewissenhaft erfüllte, andererseits auch in der Schule die Jugend mit einigem Erfolge zu unterrichten vermochte.
1695 schlug der Blitz in die Kirche und beschädigte Orgel und Gewölbe; Letzteres wurde dann mit dem Dach in dem folgenden Jahre repariert. 1704 war der Pfarrer Röricht nach langer dreißigjähriger pfarrlicher Tätigkeit in Reichenbach körperlich nicht mehr imstande, seine seelsorgerischen Pflichten zu erfüllen und bat deshalb das geistliche Amt um Überlassung eines zweiten Kaplans. Das Amt erfüllte ihm im nächsten Jahre diese Bitte und sandte als ersten Kaplan den späteren Pfarrer Zoller hierher. Da derselbe alle Funktionen in Reichenbach — der 2. Kaplan war nur auf den Filialen beschäftigt — zu vollziehen hatte, war er mit dem geringen Salarium, das der Pfarrer ihm zukommen ließ, nicht zufrieden und wurde deshalb nach dreijährigen diesbezüglichen Bemühungen des Pfarrers nach Sprottau versetzt, während der dortige Kaplan, ein Verwandter des Pfarrers, namens Kaspar Schwarzer nach Reichenbach kam.
1709 war die Gebrechlichkeit des Pfarrers Röricht so weit vorgeschritten, dass ihm von Breslau aus ein administrator in spiritualibus et femporalibus zur Seite gestellt wurde, nämlich der damalige erste Kaplan Godefridus Dittel; am 23. Mai 1711 endlich machte ein sanfter Tod seinem arbeits- und verfolgungsreichen Leben ein Ende, nachdem er noch die Bitte ausgesprochen, man möge ihn in der Kirche vor dem Kreuzaltar mit seinen Kleinodien begraben, womit er die Totenköpfe und Gebeine meinte, von denen er eine ganze Anzahl im seinem Schlafzimmer stehen hatte. Zoller, der ihn ja persönlich gekannt hat, nennt ihn einen Mann, den Strenge der Sitten, Macht des Wortes und besondere Fähigkeit zur Erfüllung seiner pfarrlichen Pflichten ausgezeichnet haben.
Nach dem Tode Rörichts präsentierte der Kommendator Franz Anton v. Königsegg für die Pfarrei Reichenbach einen Priester aus dem Hospital der Kreuzherren mit dem roten Stern zu St. Matthias in Breslau, namens Leopold Niering; der Fürstbischof wies aber die Präsente zurück, und der Kommendator wandte sich deshalb beschwerdeführend an die päpstliche Nuntiatur zu Wien, auf deren Verlangen sich der Breslauer Fürstbischof mit dem Hinweis darauf rechtfertigte, dass die Pfarrei Reichenbach ein Benefizium für Säkularpriester sei. Die Nuntiatur lehnte deshalb auch die Beschwerde des Patrons ab, und als derselbe sich nunmehr nach Rom wandte, erhielt er von dort aus den gleichen Bescheid. Die Schwierigkeiten bezüglich Besetzung der Pfarrei wurden noch größer, als nun auch der Magistrat sein angebliches jus compatronatus wieder einmal ausgrub und mit dem damaligen Pfarrer von Langenbielau Jeremias Netter als präsentierten Kandidaten auf der Bildfläche erschien, übrigens mit gleichem negativen Erfolge wie früher.
Die Pfarrei wurde unterdessen von verschiedenen Administratoren, zuletzt von dem genannten Pfarrer Netter verwaltet. Dieser war es auch, der 1713 hauptsächlich auf Anregung des damaligen Organisten und Ratsmitgliedes Strekenbach (Streckenbach) das alte Klosterkirchlein wenigstens in etwa renovierte. Dieses Kirchlein war, wie oben erwähnt, nach 1525 in den Besitz des Magistrates übergegangen und zu profanen Zwecken benutzt worden, bis man es jetzt wieder — nicht etwa auf Kosten des Magistrates, sondern mit Hilfe von Almosen der Parochianen — in einen würdigeren Zustand versetzte. Am 26. November wurde es dann nach gegebener Erlaubnis des Fürstbischöflichen Amtes von Netter „Sub titulo immaculatae conceptionis Beatissimae Virginis rekonziliiert und debitis Solemnitatibus aufs neue benediziert“. Auf Wunsch des Magistrates führte dann Netter auch die sonnabendliche Litaneiandacht ein, welche damals gegen Abend von dem Rektor und Kantor unter großem Zulaufe des Volkes gehalten wurde.
Die früheren Besitzer des Kirchleins und des damit einst verbundenen Klosters, die Augustiner, haben zwar später, von 1725 an, sich alle Mühe gegeben, ihr früheres Besitztum zurückzuerhalten und sind sogar bis an den Kaiser von Österreich gegangen, aber ohne den gewünschten Erfolg; durch kaiserliches Reskript vom 19. Januar 1740 ist gedachter Orden „semel pro semper“ (ein für allemal), mit seinen Ansprüchen abgewiesen worden.
1715 endlich erhielt die katholische Gemeinde in Reichenbach wieder einen Seelsorger. Der Kommendator musste damals nach Malta, um gegen die Türken zu kämpfen, und präsentierte deshalb vorher den früheren Reichenbacher Kaplan Karl Johannes Zoller, der auch sofort die Bestätigung seitens des Fürstbischofs fand. Zoller kam am 20. Mai 1715 nach Reichenbach und erhielt wenige Tage darauf auch die Präsenten für die damaligen Filialen Reichenbachs: Neudorf von einem Ernst Albert v. Gettrig, Güttmannsdorf von Ignatius v. Falkenhayn; nur der damalige Patron von Bertholdsdorf, Wilh. Graf v. Almesloe wollte jemand anderen präsentieren und hat sich erst später zur Anerkennung Zollers bereit finden lassen.
Zoller schildert nun selbst, in welchem Zustande sich die Georgskirche befand, als er sein Amt antrat. Die Kirche ist, so schreibt er, ein schönes Gebäude, aber ohne Schmuck. Der Hochaltar steht vollständig schief; die Unbilden der Zeiten haben ihm die Vergoldung und Malerei, die ihn einst verschönten, geraubt. Auch ein Tabernakel ist vorhanden — er steht jetzt in der oberen Sakristei zu anderweitiger Benutzung — das Presbyterium ist angefüllt mit steinernen Grabdenkmälern, worauf die Gestalten von Männern und Frauen zu sehen sind; an den Wänden hängen verschiedene aus Papier hergestellte Embleme. Die Bänke stehen unordentlich da, die eine ist länger als die andere und durch ihre Mitte führt ein schiefer Gang zu dem (heute vermauerten) Hauptportal. Dieses Portal selbst ist sehr alt; ein kleines Fensterchen darüber spendet so wenig Licht, dass man unter dem Chor fast nichts sehen kann.
Am Beginn des Presbyteriums ist innerhalb des Gewölbes ein Querbalken befestigt, auf dem ein großes Kreuz steht — es befindet sich jetzt auf dem Altar unter dem Turm — an beiden Seiten desselben sind die Bilder der hl. Mutter, des hl. Johannes, des hl. Longinus mit der Lanze und der anderen Soldaten angebracht.
Die Nebenaltäre vom hl. Kreuz, des hl. Judas Thaddäus, der hl. Anna stehen zwar, sind aber noch nicht gemalt, am Salve-Regina-Altar ist nichts als ein schlechtes Bild.
Der Taufstein befindet sich vor dem Altare des hl. Judas Thaddäus und zwar so, dass er den größten Teil des Ganges versperrt.
Die Stufen zur Kanzel liegen vor jenen Bänken, die bei den Beichtstühlen stehen und versperren den dort sitzenden den Blick zum Mariä-Himmelfahrt-Altar und in das Innere der Kirche.
Die Sakristei ähnelt einem feuchten und finsteren Keller. Kaum die notwendigsten Paxamente, wie Kaseln, Dalmatiken usw. finden sich darin. Für den Ritus, sowohl für den gebräuchlichen wie missbräuchlichen, sorgen Glöckner und Schulrektor mehr wie die Kapläne und wechselnden Administratoren.
Das Pfarrhaus ist so alt und zerfallen, dass der Wind einmal einen großen Teil des Daches mitgenommen hat und jetzt überall der Regen hineinfließt.
Nach diesem Berichte Zollers hat also die Georgskirche damals gerade keinen erbaulichen Eindruck gemacht, und eine der ersten Sorgen des neuen eifrigen Pfarrers ist es sicher gewesen, das Gotteshaus würdiger zu gestalten. 1719 wurde deshalb u. a. der Vorbau zum Hochaltar geschaffen, der im Barockstil gehalten ist und auch heute noch als eigentlicher Altartisch dient, leider aber einen Teil des älteren kunstvollen Altarwerkes von 1615 verdeckt. Dieser vordere Altar trägt als Altarbild über dem Tabernakel eine Darstellung der Gottesmutter und ist außerdem mit den Statuen des Propheten Simeon und der Prophetin Anna und mehrerer anbetender Engel geschmückt. Nach beiden Seiten hin set sich dieser Altarvorbau bis zur Kommunionbank in einer Art hohen Chorgestühles fort, das an seinem oberen Rande wiederum mit verschiedenen fast lebensgroßen Figuren geschmückt ist; auf der Evangelienseite befinden sich die Bilder des hl. Georg und Johannes Baptista, auf der Epistelseite die des hl. Johannes Evangelista und der hl. Hedwig, die vor einem großen Kreuze mit dem Erlöser kniet.
Auch ein Teil der heutigen Nebenaltäre verdankt jener Zeit seine Entstehung. So wurde damals der St. Georgsaltar, auch Pötschneraltar genannt — er steht auf der Epistelseite neben dem heutigen Taufstein — errichtet, und zwar infolge eines Gelöbnisses der Stadt, als in Glatz. und in dem benachbarten Langenbielau die Pest wütete und zahlreiche Opfer forderte; auf diesen Anlass des Altarbaues deuten die Bildtäfelchen der 14 Nothelfer rings um das Altarblatt hin. Der Kreuzaltar unter dem Turme stammt aus dem Jahr 1729; auch die anderen kaum fertigen Nebenaltäre, so der Laurentiuns-, der Dreifaltigkeits- und der Himmelfahrtsaltar wurden damals ausgebaut. Alle diese baulichen Veränderungen haben vielleicht darin ihren äußeren Anlass gefunden, dass die katholische Gemeinde am 24. Januar 1729 mit großer Feierlichkeit den Tag beging, an dem vor hundert Jahren die Stadtpfarrkirche wiederum in ihren endgültigen Besitz übergegangen war; bei dieser Gelegenheit hat Zoller auch die mehrmals genannte Chronik zusammengestellt.
Als seine Hauptaufgabe betrachtete es aber Zoller, den religiösen Geist in der Gemeinde zu neuem Leben zu erwecken. Er benutzte deshalb das gerade damals von Klemens I. ausgeschriebene Jubiläum, um durch einen Anschlag an den Kirchentüren zu recht eifrigem Gebrauche der hl. Sakramente und der Ablässe zu ermuntern, und suchte durch besondere Pflege des Rosenkranzgebetes und der Rosenkranzbruderschaft die Gemeinde mit neuem religiösen Eifer zu erfüllen.
Auch im bürgerlichen Leben suchte er den Katholizismus zu dem ihm gebührenden Ansehen zu bringen und schritt, wenn eines der Gemeindemitglieder wegen seines katholischen Glaubens Zurücksetzung oder gar Misshandlung zu dulden hatte, mit apostolischem Mute und meist auch erfolgreich dagegen ein.
Von welchem Erfolge alle diese Bemühungen Zollers begleitet gewesen sind, geht daraus hervor, dass die einst so kleine katholische Gemeinde Reichenbachs im Jahre des genannten Jubiläums, 1729, bereits wieder über 1300 Mitglieder zählte.
Wie der Pfarrer selbst mit vorbildlichem Eifer die Pflichten seines Amtes erfüllte, so verlangte er auch von den anderen an der Kirche beschäftigten Personen gleiche Gewissenhaftigkeit und arbeitete deshalb für den Schul- und Chorrektor, den zweiten Lehrer und Kantor und für den Organisten besondere „Erinnerungen“, d. h. Reglements aus, nach denen diese Kirchenbeamten sich zu richten hatten.
Auch für den Neubau des arg zerfallenen Pfarrhauses sorgte Zoller. Am 16. Oktober 1715 beschloss man die Heranziehung der Parochianen zu den Kosten desselben; 1717 zog der Pfarrer für die Zeit dieses Baues in den Komturhof, die Kapläne in das Schulhaus, bis 1720 endlich das neue Pfarrhaus fertiggestellt war; zu zahlen hatte für den Bau, der nach eigener Mitteilung Zollers 1625 Taler 18 Silbergroschen 7.5 Heller gekostet hatte, die gemeine Stadt 1016 Taler 4.5, Heller, der kommendatorische Anteil von Ernsdorf 508 Taler 3 Heller, endlich das Klinkenhaus-Anteil 101 Taler 18 Silbergroschen.
1742 verließ Zoller die katholische Gemeinde Reichenbach, um die er sich die größten Verdienste erworben hatte, und ging als Erzpriester nach Weidenau, vielleicht weil ihm der Übergang Reichenbachs in preußische Hände nicht behagte. Die Pfarrei wurde vorläufig durch den damaligen Pfarrer von Peterswaldau, Franz Jüttner, administriert, der in dieser Zeit die Sterbeglocke gestiftet hat.
Nachzutragen wäre noch ein Vorfall aus dem Jahre 1726, der die Reichenbacher in große Aufregung versetzte. Am 27. Dezember dieses Jahres schickte die Frau des Tuchmachers Anton Siegel ihre elfjährige Tochter mit einem Weihnachtsstriezel zu ihrer Schwester Anna Demplin (Dempf); da diese sich gerade in der Pfarrkirche befand, ging das Kind auch dorthin und kehrte nicht mehr nach Hause zurück. Nach mehrtägigem Suchen fand man am 31. Dezember beide Vermisste unter dem über den Züchnerbänken aufgebauten Krippel mit durchschnittenem Halse tot auf. Da die Geistlichkeit Selbstmord der Demplin (Dempf) annahm, weigerte sie sich, ihre Leiche kirchlich zu begraben, tat es aber schließlich doch auf Drängen des Magistrates. Übrigens findet sich in den Kirchenbüchern nicht die geringste Angabe über den ganzen Vorfall, auch nicht der Beerdigungsvermerk für die beiden genannten Personen — so, dass ein Zweifel an der Tatsächlichkeit des Vorfalles nicht unbegründet ist.
Die österreichische Regierung stand auch in diesen ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts den Protestanten Reichenbachs nicht wohlwollend gegenüber, obgleich sie ihnen in einem Vergleich, dem sogenannten Excutionsreceß, der auf schwedische Verwendung hin im Jahre 1709 mit ihnen geschlossen worden war, mancherlei Erleichterungen zugestanden hatte5. Schon im folgenden Jahre, 1710, mussten der Ziergärtner Hans Schwendner und der Zimmermann Hilbrich aus Ernsdorf, weil sie vom katholischen Glauben abgefallen waren, Haus und Hof verlassen und wurden des Landes verwiesen; das Gleiche geschah aus demselben Grunde 1738 mit drei anderen Bürgern.
Andererseits scheint man auch auf protestantischer Seite nicht immer auf die religiösen Gefühle der katholischen Mitbürger Rücksicht genommen zu haben; einem solchen Falle aus dem Jahre 1733 verdankt die noch heute auf dem Ringe stehende Johannes von Nepomuk-Statue ihre Entstehung. Ein hiesiger Bürger, namens Siegfried, war aus Breslau zurückgekommen und hatte am Biertisch spöttisch erzählt, dass Johannes von Nepomuk dort Soldat geworden wäre. Ein Posten auf der Dominsel war nämlich eines Nachts desertiert und hatte seinen Säbel und seine Patronentasche der dortigen Nepomukstatue umgeschnallt. Diese Erzählung hatte natürlich unter den Katholiken Anstoß erregt, und der Bürger wurde verurteilt, zur Sühne für seine Äußerung, die Johannesstatue auf dem Marktplatz errichten zu lassen; diese Statue trägt folgende Inschrift: Lingua st. Johannis Nepomuceni pie diligentes se honorat et protegit; Inhonorantes hostes eius inhonorat testante praesenti Statua (Die Zunge des hl. Johannes von Nepomuk ehrt und schützt die, welche ihn fromm verehren, verachtet aber die Feinde, die ihn verachten, wie gegenwärtiges Standbild bezeugt).
Blitzschläge in den Jahren 1734 und 1736 fügten dem Gotteshause glücklicherweise keinen ernsteren Schaden zu; 1734 wurden nur Orgel und Gewölbe, 1736 einige Dachsparren und der Hochaltar leicht beschädigt.
Eine kleine Verschönerung der Kirche fällt noch in das Jahr 1740; am 19. August setzte Zimmermann Hilbert unter Pauken- und Trompetenschall Knopf und Malteserkreuz auf das kleine Türmchen, worin sich die Messglocke befindet.
Mit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts trat in der konfessionellen Lage Reichenbachs ein Umschwung ein. Schlesien ging in preußischen Besitz über, und Katholizismus und Protestantismus wurden nunmehr mit der Zeit gleichberechtigt. Die eifrige Arbeit ihrer Seelsorger, der Schutz und die Unterstützung von Seiten der kaiserlichen Behörden, wohl auch eine größere Anzahl von Übertritten hatten der katholischen Gemeinde im Laufe der letzten Jahrzehnte des 17. und der ersten des 18. Jahrhunderts wieder neue Lebenskraft gegeben — so, dass die Gemeinde jetzt, wo der Protestantismus wieder frei wurde, kein Verschwinden und Untergehen in der immer noch bedeutenden andersgläubigen Majorität mehr zu befürchten hatte.
Als durch den Frieden von Breslau 1742 Schlesien zum ersten Male in die Hände Friedrichs II. überging, gewährte er seinen protestantischen Glaubensgenossen volle Freiheit, versprach aber andererseits ausdrücklich, die katholische Religion in ihren Rechten und ihrem Besitze zu belassen. Aus diesem Grunde schlug er ein Gesuch der Reichenbacher evangelischen Bürgerschaft ab, welche die Überlassung der katholischen Klosterkirche für den Gottesdienst ihres Bekenntnisses erbat, und gestattete in einem Erlass vom 10. Januar 1742 der evangelischen Gemeinde Reichenbach die Verrichtung der vorfallenden actus ministerlales durch einen ihrer Prediger nur unter der Bedingung, dass „durch solche Konzession der dortigen römisch-katholischen Geistlichkeit an denen Juribus stolas und andern Emolumenten nicht das geringste entzogen werde“, eine Bestimmung, die übrigens der König im Jahre 1757 trotz seiner früheren Zusagen aufgehoben hat. Im Allgemeinen darf behauptet werden, dass Friedrich II. als Hauptziel seiner kirchlichen Bestrebungen und Bestimmungen die Eintracht zwischen den Konfessionen, die Pflege toleranter Rücksichtnahme aufeinander im Auge hatte; so ward zum Beispiel befohlen, dass „eine Partei die andere in der Feier ihrer Festtage nicht durch geräuschvolle Arbeit auf den Straßen und bei den Kirchen stören dürfe; dass evangelische Gemeinden, die kein eigenes Geläut hätten und sich der Glocken der katholischen Kirchen bedienten, am grünen Donnerstage und Charfreitage nicht läuten sollten, um den katholischen Kirchengebrauch nicht zu verletzen“ und 1756 erging ein Erlass, „daß alle Kontroverspredigten und sonstige verletzende Äußerungen sofort von den beiderseitigen Kanzeln verschwinden sollten“6.
Dass diese Toleranzbestrebungen des Königs auch Früchte trugen, zeigt sich besonders aus den gemeinsamen Opfern, welche — wie noch weiter erwähnt werden soll — die Bürger ohne Unterschied der Konfession für die Renovation der katholischen Kirche (1788 und 1794) wie für den Neubau des evangelischen Gotteshauses brachten (1795).
Während das Georgsgotteshaus aus den Stürmen des 16. und 17. Jahrhunderts verschönert und vergrößert hervorging, waren diese Zeitläufe für den ehemals so prächtigen Komturhof der Beginn des Zerfalls geworden. Nach dem Abfall Ulthomas (Uthomas) waren die Malteser aus Reichenbach verschwunden, und wenn sich auch nach Zurückgabe der Georgskirche an die Katholiken ihre Ansprüche auf Kirche und Komturhof wieder, und zwar mit Erfolg, geltend machten, so haben sie doch nicht mehr in Reichenbach residiert; deshalb kann der Reichenbacher Bürgermeister Schulze in dem Urbarium, welches er 1750 abfasste, berichten, dass „der Komturhof auch gar sehr eingegangen sei, und daß sich dermal weiter keine Bequemlichkeit als einige Wohnungen vor gemeine Leute darin befinden“; der damalige Kommendator, Graf von Falkenhayn ließ das Seitengebäude der Komturei abtragen und die Materialien teils verkaufen, teils nach Groß-Tinz abführen. Zn dem gleichen Urbarium sind übrigens auch wertvolle statistische Angaben von 1750 enthalten; u. a. wird mitgeteilt, dass bei einer Gesamteinwohnerzahl von 2155 Personen unter den 380 Bürgern damals 169 katholisch, 209 evangelisch und 2 reformiert waren.
Das Jahr 1751 brachte die Gemeinde in Erregung durch einen Unglücksfall, der sich in der Klosterkirche zutrug. Ein gewisser Henelt stieß sich in der sonnabendlichen Litanei angeblich bei einer Kniebeuge das Messer, das er offen in der Tasche trug, in den Unterleib und starb binnen einer Stunde. Die Geistlichkeit scheint jedoch an dieser Schilderung des Vorfalles gezweifelt und Selbstmord vermutet zu haben; denn der Betreffende ist nur in aller Stille begraben worden.
1756 begann der Siebenjährige Krieg; schwere Opfer an Kontributionen, Einquartierungen, verschiedenen Lieferungen musste Reichenbach für Freund und Feind bringen; jedoch blieben die konfessionellen Verhältnisse von all den Wirren unberührt; nur die Klosterkirche, die schon so lange Zeit im 16. und 17. Jahrhundert ihrem Zwecke entzogen und 1713 endlich wieder benediziert worden war, wurde 1757 von kaiserlichen Truppen als Feldbäckerei eingerichtet, anscheinend aber dann wieder bis 1813 dem gottesdienstlichen Gebrauch zurückgegeben.
Das Jahr 1758 brachte dem katholischen Pfarrhause hohen Besuch; Friedrich II. nahm vom 23. bis zum 26. Februar und dann noch einige Zeit vom 15. März ab darin Wohnung; und es wird erzählt, dass er während dieses Aufenthaltes von hier aus das Todesurteil gegen den seligen P. Faulhaber7 in Glatz bestätigt habe.
Schon wenige Jahre nach dem Abschluss des Friedens zu Hubertusburg (1763), als die Gemeinde sich von den Leiden des Siebenjährigen Krieges etwas erholt hatte, regte sich ihr Eifer für die Verschönerung ihrer Gotteshäuser. Am 14. September 1772 beendete man zunächst eine notwendig gewordene Renovation des Kirchturmes und der am Haupteingange der Pfarrkirche befindlichen Statuen des hl. Georg und des hl. Johannes von Nepomuk; bei dieser Gelegenheit verfasste der damalige Pfarrer und Erzpriester von Reichenbach eine noch bei den Pfarrakten aufbewahrte Urkunde folgenden Inhaltes:
„Leser Und geliebteste Nachkommenschaft! Seyd eyfrigst bemühet aus unseren: Frohmen Willen eine Freude zu schöpfen, gleich wie Wir das innigste Vergnügen empfunden, als wir von unsern geliebtesten Vorfahren das Jahr 1627 dieses aufgesezten und heunte wiederum erneuerten Knobs gelesen; jene Gebeine sind albereits in ihre Verwesung gegangen, denen Wir das Lob Gottseelig- und Ehrlicher Männer beylegen. Denke du also, mein Leser, in gleicher Maaß an Uns, wann Wir damals, wie jene anjetzo in Most und Moder liegen, und dennoch unsere Asche der Liebe, und Bündigster VerEhrung Löbl. Alterthümer werth und würdig geachtet seyn solle.
Wisse zugleich, wer zu dieser unserer Zeit Regieret und gelebet hat:
S. Majestaet der König von Preußen Friedrich der II, Souverainer Herzog in Schlesien, und der Grafschaft Glatz.
Kommendator Herr Ernest August Graf von Falckenhain.
Chevallier auf Großdienst8, Loßen und Reichenbach.
Ertz-Priester des Creyses, und Stadtpfarrer Herr Johann Carl
von Russig, Canonicus in Brünn.
Caplaene: H. Joseph Haentschker und Amand Ulban. Kirchen-
vorsteher: H. Johann Heinrich Tinter. Johann Ernst Steiner.
Glöckner: H. Leopold Franz Haberstroh und Gottlieb Schröer.
In der Schule: Rector Anton Jeschke. Cantor Anton Dominicus
Heinsch und Organist Joseph Großpietsch.
Kirch- und Stadt-Kunst-Pfeyfer Franz Joseph Mentzel.
Crucigeri ad S. Barbaram H. Frantz Schlögel, Propst, H. Ignatz
Becker, Caplan“.
Es folgen dann noch die Namen des damaligen Magistrates und ein kurzer Überblick über die verflossenen Kriegsnöte und die Teuerung der Jahre 1770 und 1771. Die Urkunde schließt:
„Zuletzt wünsche aus Treuer und wahrer Seelen-Hirten-Meinung der Geliebtesten Nachkommenschaft, das alle wohlgesinnte Schäflein der Christ-Katholischen Kirchen von nun an, und forthin ohne allen Gewissens-Zwang in dieser Sterblichkeit fröhlich Leben, und Endlichen zu unserer allerseitigen Gemüths-Ruhe Ein Hirt, und Ein Schaf-Stall der Himmlischen Freuden werden möge.
Reichenbach, den 14. September. Am Tage Kreutz-Erhöhung, als die Zwey Statuen des heil. Johannis Nepomuceni, und S. Georgii auf dem großen Kirch-Hofe, wie auch der Thurm, und Rath-Hauß staffieret und Renoviert wurden. vale et ora ut ita nos laete sequaris ad coelum. Joh. Carl v. Russig, Stadtpfarrer und Ertzpriester“.
Zwei Tage darauf, am 16. September, wurde die Renovation der Begräbniskirche vollendet und folgende Nachrichten in lateinischer Sprache auf Pergament geschrieben im Turmknopfe niedergelegt:
„Unter der segensreichen Regierung Friedrichs II., Königs von Preußen, des heiligen Römischen Reiches Kurfürsten und Erzkämmerers, obersten Herzogs von Ober- und Niederschlesien, Eroberers der Schlesischen Lande pp. wurde die Kuppel dieses sv genannten Begräbniskirchleins, welches zuerst in dem unglücklichen Dreißigjährigen Kriege, dann durch Einwirkung der Zeiten und des Alters baufällig geworden war, auf eigene Kosten der Kirche, welche bei dieser Gelegenheit geschmackvoll erneuert worden ist, wieder hergestellt und ohne Unglücksfall von neuem mit einem Turm versehen. Dieses geschah unter Leitung des Joh. Heinr. Tinter und Joh. Ernst Steiner, den Vorstehern dieses Kirchleins. Der Verwaltung der Stadt Reichenbach, welche 2600 Menschen vom Bürgerstande, der Religion nach fast von gleicher Zahl, und 400 teils Privat- teils öffentliche Gebäude enthält, stehen als Magistrat vor! J. W. Christinicke, consul dirigens usw“.
1779 kam Friedrich II. wiederum nach Reichenbach und wohnte abermals auf dem Pfarrhof. Zum Andenken daran soll damals im Pfarrhause in zierlich geschnitztem, vergoldetem Rahmen ein lateinisches Schriftstück folgenden Inhalts angebracht worden sein9:
Friedrich dem Zweiten, dem größten und an Kraft unbesiegbaren Könige von Preußen. Dem besten Herrn und Vater des Vaterlandes im Kriege und im Frieden. Nachdem er im bairischen Erbfolgekriege durch seine Tätigkeit die Freiheit Deutschlands glücklich geordnet und wieder hergestellt hatte, verweilte er in Ruhe in diesem Hause vom 6. bis 17. Februar, weshalb ihm der Ritter Karl V. Russig diese Inschrift als ein schwaches Zeichen seiner dankbaren Gesinnung setzen ließ im Jahre 1779 der christlichen Zeitrechnung.
Am Ende des 18. Jahrhunderts sah sich die Gemeinde vor die Notwendigkeit gestellt, den baulichen Zustand der Georgskirche durch verschiedene Erneuerungen zu verbessern. Zunächst wurde im Sommer 1779 das Innere der Kirche renoviert, wobei man zugleich auch einen von Wohltätern gestifteten Kreuzweg anbrachte. Nachdem der damalige Erzpriester und Pfarrer von Russig zwei Jahre später Pfarrer von Patschkau geworden war, beschloss der Kommendator, die Pfarrei Reichenbach wiederum dem ritterlichen Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern zu St. Matthias in Breslau zu überlassen und präsentierte einen Johannes Fromm, der auch die Pfarrei erhielt. Bis zu dieser Zeit gehörten zur Parochie Reichenbach auch Bertholdsdorf, Güttmannsdorf und Neudorf; da aber die Kirchen dieser Orte nach damaligem Sprachgebrauche als rein weltgeistliche Benefizien angesehen wurden, so erhob das geistliche Amt Einspruch gegen die Belassung dieser Kirchen bei der Stadtpfarrei, die nun einen Ordensgeistlichen als Pfarrer erhalten sollte, und demzufolge wurde damals mit Zustimmung der betreffenden Patrone Bertholdsorf zu Schlaupitz, Güttmannsdorf zu Girlachsdorf und Neudorf zu Peterswaldau geschlagen.
Der genannte Pfarrer Fromm blieb nur bis 1786 in Reichenbach, da er in diesem Jahre Prälat am Matthiasstift zu Breslau wurde.
Ihm folgte als Reichenbacher Pfarrer sein Kaplan Johannes Galler, der aber infolge Brustschwäche, die ihm das Predigen unmöglich machte, 1802 resignierte.
Unter diesen beiden Pfarrern Fromm und Galler wurden die weiteren baulichen Erneuerungen an der Georgskirche vorgenommen. Als sich 1788 herausstellte, dass das ganze Dachgebälk vom Wurm durchfressen und vermorscht war und sogar mit dem Einsturz drohte, musste man das ganze Kirchendach samt dem kleinen Turm herabreißen und erneuern. Die Kosten dieser Renovation, sowohl des Gesperres der Kirche, des Türmchens wie auch eines Teiles des durch einen früheren Blitzschlag über der Orgel beschädigten Gewölbes betrugen über 2500 Taler. Da damals das eigentliche Vermögen der Kirche nur ans 800 Taler bestand, war man größtenteils auf milde Gaben angewiesen, die auch reichlich flossen. So trug die gesamte Bürgerschaft ohne Unterschied der Konfession einen zweimonatlichen Servis von 450 Talern bei, dann der Prälat Fromm aus Breslau, der frühere Reichenbacher Pfarrer, 33 Taler, der Graf von Sandreczki aus Langenbielau 30 Taler, die hier garnisonierenden Offiziere 20 Taler usw. Der Rest der Bausumme wurde durch eine von dem in Schlesien dirigierenden Minister Grafen von Hoyn bewilligte Kollekte und durch Anleihen aufgebracht. Freiwillige Arbeitskräfte wurden in großer Zahl von Seiten der Bürgerschaft gestellt. Am 12. September 1788 konnte man die Arbeiten damit abschließen, dass man wiederum Knopf und Malteserkreuz auf dem kleinen Turmdach anbrachte.
Bald wurden weitere Arbeiten an dem großen Turme notwendig. Derselbe war mit der Zeit so baufällig geworden, dass man bei jedem heftigeren Sturme seinen Einsturz fürchten musste. Um einem Unfall zuvorzukommen, wurden deshalb am 20. Juni 1794 Knopf, Wetterfahne und Stern zwischen 11 und 12 Uhr vormittags von dem Zimmermeister Schwarz heruntergenommen; auf der abgenommenen Wetterfahne stand die Zahl 1588; im Knopf fanden sich 3 Urkunden, eine lateinische und zwei deutsche, welche später wiederum in den neuen Knopf gelegt wurden; über ihren Inhalt ist nichts vorzufinden. Der Turm wurde nun bis auf die zweite Durchsicht abgetragen und dann wieder aufgebaut, nachdem man den unteren Teil vollständig mit neuen Balken versehen hatte. Die Kosten dieses Baues betrugen gegen 800 Rheintaler, wozu die Bürgerschaft wiederum ohne Unterschied der Konfession einen dreimonatlichen Servis im Betrage von 600 Rheintalern beisteuerte. Um einen neuen Knopf, Wetterhahn und Stern anschaffen zu können — dieselben sollten echt vergoldet werden — wurde eine Kollekte veranstaltet, deren Ertrag 120 Rheintaler waren. Glücklicherweise verliefen alle diese Arbeiten der Jahre 1788 und 1794 ohne jeden Unfall.
Bald hatte die katholische Gemeinde Gelegenheit, den andersgläubigen Mitbürgern ihren Dank für die tätige Mithilfe bei den erwähnten Umbauten der Georgskirche abzustatten; als man 1795 mit dem Neubau eines evangelischen Gotteshauses begann, haben auch „die Bekenner des katholischen Glaubens“— wie der Pastor Weinhold in seiner „Geschichte der evangelischen Gemeinde Reichenbach“ sagt10 — „Zeichen einer brüderlichen Gesinnung bei dem Bau gegeben, die ihnen nie vergessen werden dürfen“.
Am 25. März 1797 schenkten die bürgerlichen Meister Franz Karl Batzdorff und Johann A. Gottschlich der Kirche zu St. Barbara 450 Taler, von deren Zinsen die Kosten der jährlichen, auch heute noch stattfindenden Prozession nach Albendorf bestritten werden sollten. Bei der Säkularisation der Barbarakirche im Jahre 1810 ging diese Stiftung an die Pfarrkirche über11.
Mit besonderer Feierlichkeit wurde von der katholischen Gemeinde, die damals 1386 Mitglieder zählte, der Abschied vom 18. und der Beginn des 19. Jahrhunderts umgeben. Am 31. Dezember 1800 wurde abends um 7 Uhr eine von der verwitweten Frau Kaufmann Steiner gestiftete und am letzten Tage eines jeden Jahres zu haltende Predigt in der Stadtpfarrkirche zum ersten Mal gehalten, worauf ein feierliches Te Deum folgte12. Nach Beendigung des Gottesdienstes sang ein auf dem Kirchturm versammelter Sängerchor unter Musikbegleitung folgendes Lied:
Des scheidenden Jahrhunderts heil'ge Abschiedsstunde
Schlägt bald an unser horchend Ohr;
Zu Dir, Allgütiger, steigt jetzt aus unserm Munde
Des Dankes Lobgesang empor.
Für Deine Vaterhuld, für Deines Reichtums Segen
Sei Dir des Staubes Dank geweiht;
O führe sicher auf des Lebens Dornenwegen
Uns durch die kurze Prüfungszeit.
Und wann wir einst aus diesem armen Erdenleben
Zu Dir hinüber schlummernd gehn,
So lasse Deine Vaterhand uns sanft umschweben,
So lass uns fröhlich auferstehn.
Am nächsten Morgen erklangen vom Turm der Pfarrkirche folgende Begrüßungsworte an das neue Jahrhundert:
Sei feierlich gegrüßt, du erste Morgensonne,
Im neuen Zeitlauf, hold und hehr;
Es ströme neuer Segen, neue Lebenswonne
Auf uns aus Deinem Feuermeer.
So wie dereinst am großen Auferstehungsmorgen
Freu'n heute wir uns Deines Lichts;
O Du, von dem die Sonnen ihren Glanz erborgen,
Du zogst die Welten aus dem Nichts.
Unendlicher! Du, den Äonen nicht erreichen,
Du Herr der Zeit und Ewigkeit,
Vor dem Jahrhunderte dem Augenblicke gleichen,
Dir, Dir sei unser Dank geweiht.
Dein Hauch beseelte uns zu diesem Erdenleben,
Du ließest diesen Tag uns sehn,
Uns wird dereinst ein unvergänglich Licht umschweben,
Wenn wir zum Urquell übergehn.
Darauf begann in der Kirche der Hauptgottesdienst, den zur Feier des 100-jährigen Krönungsjubiläums abermals ein Te Deum unter Glockengeläut abschloss. 1802 trat ein neuer Pfarrer, Franz Seidel, auch dem Kreuzherrnstift zu St. Matthias angehörig, sein Amt an. Nur wenige Jahre lebte er zunächst in Ruhe und Frieden an seinem neuen Wirkungsorte; denn bald kamen infolge des unglücklichen Krieges 1806 und 1807 unruhige Zeiten auch über Reichenbach, und als am Beginn der Befreiungskriege nach der Schlacht von Großgörschen die vereinigten Armeen zurückgedrängt wurden, richtete man die Reichenbacher Kirchen als Unterkunftsräume für die Verwundeten ein, so dass der Gottesdienst für einige Zeit in einer großen Stube auf dem Pfarrhofe gehalten werden musste. Als dann während des Waffenstillstandes das Hauptquartier der Verbündeten nach Reichenbach verlegt wurde, nahm der englische Gesandte mit seiner Begleitung auf dem Pfarrhofe Wohnung.
Nicht bloß dem Königreich Preußen, sondern auch der katholischen Kirche brachten die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts schwere Verluste.
Durch den sogenannte Regensburger Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurden alle Güter der Stifter, Abteien und Klöster zur freien und vollen Disposition der resp. Landesfürsten, sowohl zum Behufe des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten als zur Erleichterung ihrer Finanzen, überlassen. Die Wirkungen dieses gesetzmäßig organisierten Kirchenraubes, dessen Ungerechtigkeit man mit dem Namen Säkularisation verdeckt, machten sich auch in Reichenbach fühlbar. Infolge königlichen Ediktes vom 19. November 1810 wurde die hiesige Malteserkommende sowie das Kreuzherrenkloster aufgehoben und eingezogen.
Die Georgskirche, bisher dem Malteserorden gehörig, wurde zunächst nunmehr königliches Patronat. So groß der Schaden war, der aus dieser gewaltsamen Veränderung im Allgemeinen der katholischen Kirche erwuchs, so hat wohl die Reichenbacher Kirche und Parochie durch diesen Umschwung nur gewonnen. Die Kirche konnte nun bei notwendigen Baulichkeiten mit Sicherheit auf den Patronatsbeitrag von einem Drittel rechnen, während sie von den Maltesern nicht viel erhalten hatte; auch war der Pfarrer jetzt viel selbständiger und freier, da er unter den Maltesern nur als Administrator angesehen wurde; endlich wurde nunmehr das Gehalt des Pfarrers verbessert, indem man, wie es bald bei der Säkularisation versprochen worden war — allerdings erst 1817 — die Pfarrer und Kapläne an den aufgehobenen Ordenskirchen neu dotierte.
Auch die Kreuzherren-Propsteikirche ad St. Barbaram war von der Säkularisation betroffen worden; damit hörten endlich von dieser Seite für immer jene lästigen Übergriffe und Eingriffe in die Pfarrrechte auf, welche der Seelsorge so oft geschadet haben mögen. Die Barbarakirche wurde am 24. Januar 1811 geschlossen und, nachdem man ihren Turm abgetragen hatte, zu weltlichen Zwecken verwendet; die Fahnen, der gestiftete Kreuzweg und verschiedene Fundationen kamen an die Pfarrkirche. Der letzte Propst der aufgehobenen Kirche, Christian Krichler, Mitglied des Kreuzstiftes zu Neisse, erhielt vom Staate eine Pension, blieb in Reichenbach und starb am 30. November 1821 in einem Alter von 76 Jahren.
Bei einem Rückblick auf die Geschichte der Gemeinde in den Jahren 1648-1810 darf man behaupten, dass diese Periode für die Gemeinde eine Zeit des Aufschwunges, eine Zeit neuen Aufblühens war; dank äußerer günstiger Umstände, dank der eifrigen Arbeit verschiedener Pfarrer, besonders des hochverdienten Pfarrer Zoller, waren die Folgen der Kirchentrennung zum großen Teil überwunden und der Katholizismus trotz vorhergegangener Stürme zu neuem Leben herangewachsen.
1 In Breslau war übrigens die umgekehrte Praxis üblich; denn „die dortige städtische Verwaltung berief zu all ihren Ämtern, auch den untersten derselben niemanden, der nicht dem lutherisch-evangelischen Bekenntnisse zugetan gewesen wäre“. Grünhagen II, S. 333.
2 Vgl. Grünhagen II, S. 335; zu Letzteren gehören die in Breslau konvertierten Dichter Andreas Scultetus und Angelus Silesius (Scheffler).
3 Jungnitz, Visitationsberichte der Diözese Breslau I, S. 724.
4 Bertholdsdorf.
5 Siehe Weinhold, S. 66.
6 Weinhold, S. 81 f.
7 P. Faulhaber, ein Angehöriger des Glatzer Klerus, wurde von einen preußischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt, weil er angeblich preußische Soldaten in der Beichte zur Desertion aufgefordert haben sollte und jede Aussage über den Inhalt der betreffenden Beichten mit Berufung auf das Beichtgeheimnis verweigerte; er genießt deshalb bei der Glatzer Bevölkerung als Märtyrer des Beichtsigills große Verehrung.
8 Großtinz.
9 Nach Pauls Chronik, S. 216.
10 S. 87.
11 Paul, S. 241.
12 Diese und die folgenden Nachrichten sind der Paulschen Chronik 249ff. entnommen.
Rekonstruktion und Anpassung an neue Rechtschreibregeln: Marcin Perliński
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