sobota, 4 października 2025

«Die Otternsteine bei Hausdorf» → eine Legende aus dem Eulengebirge (= ''Der Schatz im Ottenstein'')

 

Die Otternsteine bei Hausdorf

 

Vor Jahr und Tag sah man in Hausdorf bei Neurode bisweilen einen armen alten Mann, namens Spitzer, langsam durch das Dorf sich martern; er ging nicht mit den Füßen, sondern auf den Knien. In der Jugend war er diese Gangart nicht gewohnt gewesen. Eines Abends aber kam er gelähmt aus dem Walde zu den Seinigen heimgekrochen und blieb fortan gelähmt, bis der Tod ihn erlöste — ein Schrecken hatte es ihm angetan. Von ihm erfuhr ich auf Umwegen folgende Sage, die zugleich Aufschluss über den Anfang seines Elends gibt.

Wie man 1100 nach Christus schrieb, stand auf dem Eulengebirge oberhalb Hausdorfs ein einfaches, schlichtes Blockhaus, das ein tapferer Ritter bewohnte und sein Schloss nannte. Liebe und Friede waren die Zierden des kleinen Herrensitzes, starke Arme, scharfe Schwerter und Mannesmut waren seine Verteidigungsmittel.

Auf einmal sollte alles Glück und aller Friede dort in des Waldes Einsamkeit ein Ende nehmen. Der Ruf von der Bedrängnis des heiligen Grabes war unserem Ritter kundgeworden, obwohl die jugendliche Gattin noch so herzinniglich ihn bat, eilte er fort und schloss sich den Kreuzfahrern an. Die Gram des jungen Weibes lässt sich nicht schildern. Selbst als sie ein Knäblein zur Welt brachte und Muttersorgen ihr Zerstreuung hätten verschaffen sollen, vermochte sie ihre Gedanken nicht loszureißen von dem, was ihr Ein und Alles gewesen war. In diesen Träumen geschah es, dass sie des Kindes einst gänzlich vergaß, und als sie endlich zu ihm kam, fand sie es tot. Eine der Ottern, die auf dem Berge nicht selten waren, hatte sich an dem Bettlein hinaufgeringelt, sich dem Knäblein um den Hals gewunden und so das kaum begonnene Leben beendet. Nicht lange darauf starb auch die Mutter. Die Sehnsucht nach dem geschiedenen Ehegemahl und die Gewissensqualen wegen des Kindes hatten sie getötet. Aber Ruhe sollte sie nicht finden. Ihre Schuld verlangte eine Sühne. In die Tiefe des Berges verbannt, darf sie nach je hundert Jahren an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an die Oberfläche der Erde steigen, an dem ersten in ihrer natürlichen Weibesgestalt, an dem zweiten als Schlange oder Otter. In dieser zweiten Gestalt muss sie eines gewaltsamen Todes sterben — erst dann ist ihre irdische Schuld getilgt.

Wiederholt war diese Gnadenfrist gekommen. Ängstlich hatte die Büßerin Umschau gehalten in dem ihr angewiesenen Reviere, aber den erhofften Erretter nicht gefunden. Wiederum schlug die Freiheitsstunde, und diesmal hörte sie das Einschlagen einer Axt in Holz und wusste, dass ein Mensch in der Nähe war. Als die sich dem Arbeiter — dies war der erwähnte Spitzer — nahte und ihn grüßte, war dieser zwar erstaunt, fürchtete sich jedoch nicht, da die vor ihm stehende Gestalt überaus holdselig anzuschauen war. Sie bat ihn um seine Hilfe zu ihrer Befreiung, erzählte ihre Leiden und ihre Schuld und sagte:

Morgen werde ich dir wieder erscheinen, aber nicht als Weib wie heute, sondern als Schlange. Fürchte dich nicht, denn auch wenn ich wütend auf dich losfahre und dich umkreise, habe ich keine Gewalt dir zu schaden. Halte nur stand, ergreife deine Axt und töte mich. Die Schlüssel, die ich in meinem Maule tragen werde, entreiße mir, sie öffnen dir den Eingang zu den Schätzen des Berges, aus denen du den Lohn für deinen Mut davontragen magst.“

Der Holzfäller versprach zu tun, was die Schlossfrau begehrte, und diese verschwand zwischen den Bäumen.

Am nächsten Tage war Spitzer noch nicht lange bei der Arbeit, als ein ganz unheimliches Zischen ihm näher und näher zu kommen schien. Bald sah er auch, dass es die bang erwartete Schlange war, die das Zischen verursachte. Furchtbar war ihr Anblick — ihre Augen erschienen wie rollende Feuerkugeln, und aus ihrem Maule schossen Feuerflammen wie zuckende Blitze. Bei diesem Anblick vergaß der Mann das Versprechen, das er der Dulderin gegeben hatte, und suchte in der Flucht sein Heil. Die Strecke, die er durcheilte, war nicht lang, es verließ ihn aber die Kraft, die Füße versagten ihren Dienst, und er brach zusammen. In demselben Augenblicke aber, als er hinsank, hörte das Zischen und Verfolgen der Schlange auf, und ein unsagbar wehmütig klingender Ton stieg zum Himmel empor. Nachdem volle Ruhe eingetreten war, wollte Spitzer sich erheben, vermochte es aber nicht, er war gelähmt und blieb es bis zu seinem Lebensende. An der Stelle, an der er zusammengebrochen war, wächst eine Tanne, die nach vielen, vielen Jahren gefällt und in Bretter geschnitten werden wird, aus denen eine Wiege gefertigt werden soll. Das erste Knäblein, das darin von einer sorgsamen Mutter in Schlaf geschaukelt wird, soll zum Manne herangereift die arme Seele der Burgherrin erlösen.


Quelle --->

Prof. Dr. R. Kühnau „Sagen aus Schlesien“, zweite Auflage, Leipzig 1925, Seiten 9 ... 11


Texterkennung und Anpassung an neue Rechtschreibregeln --->

Marcin Perliński (2025)

 

PDF-Version

weitere Versionen
(auch auf Polnisch)

 

Otternsteine bei Hausdorf / Żmij pod Jugowem

"Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte", 1908, Seite 114



 

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